Hessens Koalition auf dem Prüfstand: Sorgt Bundespolitik für Spannungen? 

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In Hessen regiert seit Januar 2024 die CDU zusammen mit der SPD. Die Koalition gilt als stabil. Doch droht diese sichere Allianz zu brechen, nachdem die beiden Parteien sich auf Bundesebene nach der Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz massiv kritisierten? Und teilen die Jugendparteiorganisationen die Meinungen ihrer Mutterparteien? 

Um diese Fragen zu beantworten, hat politikorange Redakteurin Berit Böbel den Landesvorsitzenden der Jungen Union Hessen, Leopold Born, in der Landesgeschäftsstelle der CDU Hessen in Wiesbaden und Lukas Schneider, den Landesvorsitzenden der Jusos Hessen, in der Frankfurter SPD-Geschäftsstelle getroffen. 


Herr Born, wie bewerten Sie die Abstimmung zum Zustrombegrenzungsgesetz aus Sicht der Jungen Union Hessen?  
Ich finde es richtig, dass Friedrich Merz so klare Worte gefunden hat. Gleichzeitig bin ich enttäuscht, dass SPD und Grüne bisher nicht zu einer Mehrheit der politischen Mitte bei der Lösung unserer Probleme mit irregulärer Migration bereit waren. Wir haben das Zustrombegrenzungsgesetz bereits im Herbst vergangenen Jahres eingebracht, als Antwort auf den Anschlag in Solingen und ich finde es auch gut, dass die Union konkrete Maßnahmen fordert. Es reicht nach den Bluttaten, die wir in den vergangenen Monaten immer wieder nach demselben Muster gesehen haben, nicht aus, einfach in Sonntagsreden zu verfallen, wie das vor allem bei SPD und Grünen passiert. Es braucht klare Antworten von der Politik. Mit dem Zustrombegrenzungsgesetz sind wir als Union diejenigen, die ganz klare Lösungsvorschläge für die Migrationspolitik geliefert haben. 

Und hat die CDU auf Landesebene in Hessen dann die richtige Haltung zu diesem Gesetzentwurf eingenommen? Oder hätten Sie sich eine andere Position gewünscht?  
Die CDU Hessen hat sich ganz klar hinter Friedrich Merz und hinter die CDU/CSU Bundestagsfraktion gestellt. Das finde ich auch absolut richtig. Wir sind in dieser Frage der Migrationspolitik als Union bundesweit geschlossen.  


Herr Schneider, wie bewerten Sie den gescheiterten Asylpolitik Gesetzentwurf aus Sicht der Jusos Hessen? 
Die Abstimmung mit der CDU und der AfD im Bundestag war eine Zäsur in der politischen Landschaft. Es war nicht nur ein Dammbruch, sondern ein Verrat an dem Versprechen, das man eigentlich dem demokratischen Spektrum gegeben hat, nämlich „Die Faschisten von der AfD sind nicht geeignet als Mehrheitsbeschaffer“ und dass sich die CDU und auch die FDP das herausgenommen hat und das auch nicht mal irgendwie entschuldigen oder in irgendeiner Weise wirklich darauf eingehen will, sondern es noch rechtfertigt, finde ich wirklich erschreckend. 

Hat die SPD auf Landesebene in Hessen die richtige Haltung zu diesem Gesetzentwurf eingenommen? Oder hätten Sie sich eine andere Position gewünscht? 

Wir hätten uns eine andere gewünscht. Das haben wir auch öffentlich sehr stark kritisiert. Ich finde Boris Rhein ist in vielerlei Hinsicht jemand, der sich wirklich verbeugt hat vor Merz.* Es gab andere Ministerpräsidenten auch mit Koalitionen, wie Daniel Günther oder halt in Berlin, wo man gemerkt hat, da gab es mehr Haltung dahinter.  

Da habe ich mich dann auch schon gefragt, dafür kritisiere ich auch meine eigene Partei, wenn das am Ende der Duktus der CDU ist, dass wir nun durchgängig diesen Wahlkampf fahren, dass wir wirklich unsere eigenen Leute auch auf Bundesebene im Stich lassen. Also ich fand das unerhört und es zeichnet sich leider ab. Boris Rhein war ja schon immer jemand, der in vielerlei Hinsicht dem rechtsaktiven Flügel, also wirklich Rechtsaußen innerhalb der CDU nahestand. 


Herr Born, kommen wir nun zu Social Media: auf dem Instagram Account der Jungen Union Hessen kritisieren Sie die SPD ja schon ziemlich scharf und trotzdem regieren SPD und CDU in Hessen auf Landesebene zusammen. Widerspricht sich das nicht?  

Nein. Wir befinden uns aktuell in einer Wahlkampfauseinandersetzung auf Bundesebene. Und wir haben in den vergangenen drei Jahren mit der Ampel-Regierung und unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz die schlechteste Bundesregierung in der Geschichte unseres Landes erlebt. Es gibt gerade in der Wirtschafts- und der Migrationspolitik riesige Probleme in unserem Land. Es ist ein Scherbenhaufen, den diese Bundesregierung hinterlässt und dafür tragen SPD und Grüne die Hauptverantwortung. Deshalb kritisieren wir SPD und Grüne auf unseren sozialen Kanälen scharf. Man muss das aber klar abgrenzen von der erfolgreichen und geräuschlosen Arbeit in der CDU-geführten christlich-sozialen Koalition mit der SPD auf Landesebene in Hessen. 

Wir unterscheiden also. Auf der einen Seite die bundespolitischen Themen und das Versagen der Ampel auf Bundesebene. Das sprechen wir offen an, da gehört zum Wahlkampf auch die die offene Auseinandersetzung. Es ist aus meiner Sicht auch wichtig, wenn wir Vertrauen zurückgewinnen wollen, dass die Parteien unterscheidbar sind. Auf diese Unterschiede müssen wir im Wahlkampf hinweisen. Gerade in der Migrationspolitik werden die Unterschiede zwischen den Parteien sehr deutlich. 

Auf der anderen Seite steht die landespolitische Arbeit: Es gibt einen sehr starken Koalitionsvertrag in Hessen. Beide Parteien halten sich an den Koalitionsvertrag und setzen diesen im Turbo-Modus sehr erfolgreich um. Und diese Unterscheidung machen wir. Wir und auch die Bürgerinnen und Bürger sind mit unserer christlich-sozialen Koalition in Hessen sehr zufrieden. Im Bund dagegen braucht es nach der gescheiterten Ampel-Regierung jetzt den Politikwechsel. 


Herr Schneider, auf dem Instagram Account der Jusos Hessen kritisieren Sie die CDU scharf und trotzdem regieren SPD und CDU in Hessen zusammen. Widerspricht sich das nicht?  

Das widerspricht sich nicht. Ich finde es schon wichtig, dass man eine kritische Haltung hat gegenüber der eigenen Partei. Ich kann verstehen, dass das merkwürdig wirkt auf einige andere politische Kräfte. Die CDU hat ja nicht wirklich einen kritischen Jugendverband mit der Jungen Union, sondern eher so ein „Abnickverband“, der sehr stark selber in der Partei integriert ist und Wahlkampf macht. In den anderen Parteien außerhalb des linken Spektrums geht es nicht darum, wirklich Ideen, also neue Perspektiven, neue Anschlüsse, aus dem Jugendverband zu entwickeln. Da habe ich einen anderen Anspruch an die Jusos.  

Genauso wie wir es auf Bundesebene immer mit der Großen Koalition gemacht haben oder auch Nancy Faeser kritisieren, wenn es um die Asylrechtsverschärfungen geht, ist es auch wichtig, dass man auf Landesebene Haltung zeigt.  

Ich bin aber auch dafür, dass wir nicht Brücken abbrennen, und am Ende sagen: „Wir sind die Fundamentalopposition gegen die SPD.“ Ich rede mit den Ministern, wir reden mit unseren Landtagsabgeordneten, versuchen auch, die Gestaltungsoptionen, die wir jetzt haben, zu nutzen, aber auch immer eine Maß, wo wir sagen: „Wir halten euch den Spiegel vor“, wenn wir das Gefühl haben, dass die Werte, Grundsätze und Beschlusslagen der SPD nicht berücksichtigt werden.  


Herr Born, auf meine Frage, ob die Junge Union immer einer Meinung mit ihrer Mutterpartei sei, antworteten sie: „Nein, wir sind oft anderer Meinung.“ Trotzdem bekommt man von diesen Meinungsverschiedenheiten fast nichts mit. Liegt das daran, dass sie viel intern klären? Die Jusos bezeichnen sich selbst als „junges linkes Korrektiv“ ihrer Mutterpartei. Sehen sie sich selbst auch so?  

In der Union und auch in der Jungen Union gilt: Für uns zählt zuerst das Land und dann die Partei. Daher debattieren wir intern. Das machen wir häufig und das tut auch allen Seiten gut. Wir tragen Meinungsverschiedenheiten nicht nach draußen. Am Ende zählt, dass wir mit einer gemeinsamen Haltung rausgehen und die gilt dann auch. Diese Geschlossenheit und Verlässlichkeit sehen wir als große Stärke von CDU und Junger Union. 

Die Jusos haben oft einen anderen Ansatz, die Grüne Jugend übrigens noch viel extremer. Die nehmen oft ganze Regierungen in Geiselhaft mit ihren parteiinternen Forderungen. Zuletzt haben wir beispielsweise erlebt, dass Robert Habeck seinen Zehn-Punkte-Plan in der Migrationspolitik vorgelegt hat. Die Grüne Jugend, die wirklich weit links im politischen Spektrum steht, hat Habeck dafür kritisiert. Und dann hat Habeck – immerhin Kanzlerkandidat und aktueller Vizekanzler – wegen des Drucks der Grünen Jugend seinen Zehn-Punkte-Plan in der Migrationspolitik zurücknehmen müssen. Eine Partei hat Probleme stabil in einer Regierung zu funktionieren, wenn sie eine Jugendorganisation hat, die nicht an der Handlungsfähigkeit einer Regierung und am Kompromiss interessiert ist, sondern am puren Durchsetzen der eigenen Meinung. 


*Rhein unterstützte das Vorhaben von Merz, die Migrationspolitik zu verschärfen und wies auch die Kirchenkritik gegen die CDU/CSU zurück. 

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