Gelsenkirchen ist eine der letzten SPD-Hochburgen. Laura Rosen will das ändern. Max Mayer hat die 27-jährige CDU-Direktkandidatin bei ihrem Wahlkampf begleitet.
In der Stadt der Tausend Feuer ist die sozialdemokratische Welt noch in Ordnung: Bei Rats-, Europa-, und Bundestagswahlen holt die Partei hier zuverlässig Mehrheiten. Doch auch hier schlägt der Bundestrend durch: Die SPD schwächelt und verliert Stimmen an ihre politischen Mitbewerber*innen. Seit der Wahl 2017 trägt Gelsenkirchen den Titel „AfD Hochburg im Westen“ – mit 17% erzielte die Partei hier ihr bestes Ergebnis in Westdeutschland. In dieser Situation bewirbt sich die gebürtige Gelsenkirchenerin Laura Rosen um das Direktmandat für die CDU. Wie stehen ihre Chancen, die Wähler*innen von sich zu überzeugen und am Wahlsonntag die meisten Erststimmen zu erhalten?
Mit Social Media in den Bundestag – realistisch oder gewagt?
Wer einen Blick auf das Instagram Profil von Laura Rosen (@rosen.ge) wirft, könnte den Eindruck bekommen, es mit einer aufstrebenden Influencerin zu tun zu haben. Beim zweiten Blick allerdings wird deutlich, dass es ein professionell gemachtes Wahlkampf Profil ist. Inhalte: CDU-Designs, Fotos von und mit Rosens Unterstützer*innen, Wahlkampfbesuche. Die Reichweite mit 300 Abonent*innen entspricht auch noch nicht Influencer-Niveau. Wie überzeugend ist Rosen also im klassischen Straßenwahlkampf?
Spricht sie auch junge Leute abseits von Social Media an?
Acht Tage vor der Wahl steht Rosen in der Fußgänger-Zone im Norden der Stadt. Die Resonanz auf Ihren Infostand ist durchwachsen. Links der CDU steht die FDP mit ihrem Stand, gegenüber haben sich die Grünen aufgebaut. Rosen kommt mit einigen Passant*innen ins Gespräch, die meisten davon sind älter. Und dann sind da noch die ganz Jungen. Kinder, die die orangenen CDU-Luftballons durch die Luft werfen, aber wohl kaum politisches Interesse verspüren und von ihren Eltern schnell weitergezogen werden.
Auch im Süden der Stadt läuft es nicht besser: Vor einem Supermarkt verteilt Rosen Einkaufswagenchips – ein klassisches Wahlkampfgeschenk. Gespräche kommen aber auch hier nicht zu Stande. Die Kandidatin erhofft sich in der City mehr Chancen und bricht schnell wieder auf. Doch auch auf der Bahnhofstraße verstärkt sich der Eindruck: Kaum jemand nimmt sich Zeit für einen persönlichen Austausch mit der jungen Frau, die Gelsenkirchen für die CDU im Bundestag vertreten will. Eines der wenigen Gespräch findet zwischen der Kandidatin und einem mittelalten Mann statt, der erzählt, dass er sich aufgrund von Migration erstmal im hiesigen politischen System zurechtfinden müsse und sich einige Begriffe des politischen Systems erklären lässt. Rosen verteilt weiter Wahlprogramme, Flyer und weitere Wahlkampfgeschenke und versucht so, ins Gespräch zu kommen.
Für Gelsenkirchen: Junge und weibliche Stimme in Berlin
Rosen ist 27 Jahre alt, 1994 in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen. Ihr Studium zur Diplom-Finanzwirtin schloss sie 2016 ab, seitdem arbeitet sie als Sachbearbeiterin im Finanzamt Gelsenkirchen. CDU-Mitglied ist sie seit 2014 und hat Ämter im Kreisverband Gelsenkirchen inne – etwa das der Vorsitzenden der Jungen Union. Seit 2020 sitzt sie außerdem im Rat der Stadt.
Trotz schlechter Umfragewerte der Union hofft sie auch weiterhin auf einen Direkteinzug in den Bundestag. Dafür möchte sie weiterhin sämtliche Wähler*innengruppen ansprechen und „keine Klientelpolitik” betreiben. Als ihr persönliches Ziel gibt sie an, dass die CDU im Bundestag jünger und weiblicher werden soll und hofft auf ähnliche Effekte, wie jene, die sie in Gelsenkirchen beobachtet: „Ideen junger Leute, was nicht bedeutet, dass die ungefiltert übernommen werden“. Vom Status als Volkspartei profitiert man durch „politische Erfahrung, die ältere haben und mehr Lebenserfahrung“. Gerade für diese jungen Leute dürften Klimaschutz und Digitalisierung Themen sein, die eine Rolle spielen.
Wie ist die CDU mit ihrer Kandidatin auf Themen junger Leute eingestellt?
Gerade in diesen Themen ist in den letzten Legislaturperioden unter CDU-Regierung nach Expert*innenmeinung zu wenig passiert. In Sachen Klimaschutz setzt die CDU Kandidatin darauf, diesen „so einfach und bequem, wie möglich zu machen“ und nennt als Beispiel die Plastiktüten, die durch Papiertüten und Beutel ersetzt wurde. Weiterhin möchte sie Anreize beispielsweise für Elektromobilität schaffen, indem die Ladeinfrastruktur auch im privaten Wohnbereich massiv ausgebaut werden soll. Persönlich kann sie sich dann auch vorstellen, außerhalb ihrer Kampagne ein Elektrofahrzeug zu nutzen und den ÖPNV bei besserer Taktung (noch) häufiger zu nutzen.
Zur Digitalisierung sagt Rosen: „Den Turbo, den wir für die Pandemie eingelegt haben, weiter einzulegen und beizubehalten, ist ja jetzt das Gebot der Stunde […] diesen Fortschritt, den wir da so schnell gemacht haben, proaktiv weiter zu fördern, ist das, was wir jetzt auf jeden Fall machen müssen“. Auf die Frage, warum in dieser Hinsicht trotz Regierungsbeteiligung der Union, einem Verkehrsministerium, welches auch für digitale Infrastruktur zuständig ist, seit 2009 in CSU-Hand ist und 2017 der Schaffung einer Beauftragten der Bundesregierung für Digitalisierung (Dorothee Bär, auch CSU) nicht der nötige Fortschritt in Sachen Digitalisierung erreicht wurde, kann sie nicht beantworten und glaubt „dass es aus dem Fokus geraten ist; dass es kein Schwerpunktthema der Union war […] und vielleicht auch junge Leute gefehlt haben, um immer mal wieder auf den Tisch zu hauen“. Persönlich störe Sie diese fehlende oder schleppende Entwicklung auch in ihrem Beruf als Finanzbeamtin. So hat sie auch die Vorstellung, das Potenzial der Digitalisierung auch für die Verwaltung nutzbarer zu machen. Für das digitale Netz hat sie die Vision es schnellstmöglich ausbauen und ist der Auffassung, dass Deutschland dies schnell schaffen würde und gleichauf mit den Niederlanden oder den skandinavischen Ländern ziehen könnte.
Bundestagswahl 2017: Gelsenkirchen AfD Hochburg im Westen
Das AFD Wahlergebnis bei der Bundestagswahl von 17% findet sie erschreckend – die CDU lag mit 22,4% nur knapp davor. Die AfD als Weckruf für die etablierten Parteien zu wählen, sei „das dümmste was man machen kann. Das ist kein Denkzettel, das ist einfach nur erschreckend, wenn eine so populistische Partei ein derart hohes Ergebnis bekommt“, sagt Rosen. Eine Art und Weise Wählende zurückzugewinnen sieht sie darin, dass man „das Vertrauen wieder aufbaut und vor allem gute, transparente politische Arbeit macht“ und die Wähler*innen wieder „auf den demokratischen Boden holen kann“.
Wahlparty: Laura Rosen in Berlin oder GE?
Der Wahlabend wird für Rosen in jedem Fall spannend. Selbst wenn sie das Direktmandat für Gelsenkirchen verpasst, könnte ihr aussichtsreicher Listenplatz 30 für den Einzug in den Bundestag reichen – allerdings nur dann, CDU insgesamt vergleichsweise wenige Direktmandate gewinnt.
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Super, echt super!