Die meisten Medienhäuser appellieren für Vielfalt und Diversität, aber was steckt wirklich dahinter? Ein Kommentar.
Es ist nicht bestreitbar, dass sich in den vergangenen Jahren einiges im deutschen Journalismus getan hat. Persönlichkeiten mit Migrationsgeschichte, angehörige des LGBTQ+ Spektrums und PoC bekommen immer häufiger einen Platz in der Medienwelt. Klingt doch alles perfekt, was für ein Problem sollte es noch geben? – ein ziemlich großes, denn der Schein trügt. Versteht mich nicht falsch, ich als PoC mit ausländischen Wurzeln freue mich natürlich über die vermehrte Repräsentation in den Medien, aber Repräsentation ist nicht alles. Wir brauchen aktive repräsentative Teilhabe.
Neben alltäglichem Rassismus gibt es nämlich auch positive Diskriminierung. Die Wörter Positiv und Diskriminierung nebeneinander zu lesen, wirken zuerst widersprüchlich. Doch nach meinem Gespräch mit Sulaiman Tadmory, Journalist beim NDR und STRGF, hat es mir Licht ins Dunkel gebracht. Von positiver Diskriminierung wird dann gesprochen, wenn Menschen aufgrund ihrer Sexualität, ihres Geschlechts und/oder ihres Migrationsbezuges ausgenutzt werden, um den Anschein von Diversität und Vielfalt zu erwecken. Ein Phänomen, was sich immer verstärkter im Journalismus spiegelt.
Fehlende repräsentative Diversität im deutschen Journalismus – was sich ändern muss
„Diversität sieht in Deutschland immer besser aus, aber es reicht nicht. Denn oft ist es in Medien so, dass ein Mensch mit Migrationshintergrund nur vor der Kamera steht“, so Sulaiman Tadmory, „aber hinter den Kulissen haben fast immer weiße Menschen das letzte Wort.“ Es bedeutet, dass junge diverse Medienschaffende des Öfteren nicht mehr als eine Marionette sind. Denn am Ende des Tages, sagen sie das, was der/die Marionettenspieler*in mit seinen/ihren Fäden bewegt. Repräsentation ist mehr als das, was man auf den ersten Blick sieht. Es ist eine Frage des Betrachtungswinkels: Nur weil man Diversität sieht, heißt es lange nicht, dass es auch tatsächlich divers ist.
Was wären die richtigen Schritte, um diesem Problem entgegenzukommen? „Ich wünsche mir mehr Interesse für die Perspektiven der vielfältigen Medienschaffenden“, sagt Tadmory, „dafür müssen wir ihre Sichtweisen in den Journalismus einbinden.“ Der Weg dorthin ist jedoch noch lang und mühsam, denn: „Positive Diskriminierung wird immer passieren.“
Hoffnung gibt mir das Ganze nicht unbedingt. Es ist vielmehr eine weitere Bestätigung für all die Erfahrungen, die ich bereits im Journalismus gesammelt habe. Gerade fühlt es sich noch utopisch an zu glauben, dass es eine Zukunft geben wird ohne Diskriminierung. Es muss in unser aller Sinne sein, insbesondere in der Medienwelt für eine Sichtbarkeit und Akzeptanz diverser Lebensrealitäten zu sorgen.
Dieser Beitrag ist während der YouMeCon 2022 entstanden. Sulaiman Tadmory, Journalistin beim NDR, hat die Zitate Ende März freigegeben.