Ernährung mag unerheblich klingen, alltäglich, umfasst aber sehr viele und gesellschaftsrelevante Themen, die auf ganz verschiedenen Ebenen von Bedeutung sind.
Das Foto zeigt fünf Teilnehmer*Innen über Materialien auf dem Boden gebeugt während der Themenfindung. Foto: Svenja Kesseler
Das Thema Ernährung ist besonders vor dem Hinblick der stetig wachsenden Weltbevölkerung von großer Bedeutung, denn schon heute hungern viele Menschen, auch bedingt durch die sehr ungleiche Verteilung von Lebensmitteln und Gewinnanteilen weltweit. Deshalb wurde sich während der Jugenpolitiktage 2023 in der AG Ernährungssicherheit, Landwirtschaft und Tierschutz mit diesen Themen auseinandergesetzt.
Es dauert lange, bis alle Ideen zu den umfangreichen Themen auf einem Board angepinnt und sortiert sind. Darauf finden sich Begriffe von Transparenz und plastikfreier Verpackung bis zu globaler Gerechtigkeit und Artenschutz.
In den nächsten Tagen wird sich in der AG mit ausgewählten Themen auseinandergesetzt. Das Ziel: konkrete Lösungsvorschläge und Maßnahmen zu der Frage auszuarbeiten, wie Essen bezahlbar, gesund, tierleidfrei und unter fairen Bedingungen hergestellt werden kann. Die Vorschläge sollen dabei auf EU- Bund- oder Länderebene umsetzbar sein, denn das Thema Ernährungssicherheit und Landwirtschaft umfasst viele Dimensionen und kann sowohl auf kommunaler, als auch auf internationaler Ebene betrachtet werden.
Die Teilnehmer*innen sind bunt gemischt und bringen bereits viel Vorwissen und klare Forderungen mit. Unter den bereits geäußerten Ideen fand sich beispielsweise der Vorschlag, sich vermehrt an sogenannten „Solavis“ zu orientieren, solidarischen Landwirtschaften, welche auf dem Prinzip beruhen, dass mehrere private Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs tragen und im Gegenzug einen Anteil des Ernteertrags erhalten. Auf diesen Weg soll eine marktunabhängige und nicht- industrielle Landwirtschaft gefördert werden.
Des Weiteren wird ein generelles Umdenken der Besteuerung und/oder Subventionierung von bestimmten Lebensmitteln gefordert. Darunter fällt beispielsweise die von den Teilnehmenden kritisierte Einstufung von Grundnahrungsmitteln, die unter anderem dazu führt, dass Fleisch niedriger besteuert wird als vegane oder vegetarische Alternativen. Sowohl die niedrige Bezahlung im Agrarsektor als auch die schwierigen Einstiegschancen für Quereinsteiger*innen und angehende Landwirt*innen, unter anderem bedingt durch steigende Flächenpreise und die Kapitalintensität von Landwirtschaft, werden kritisiert.
In der 2. AG- Phase kam Marie Krüger von den Grünen zu Besuch, um die Ziele der Ampelkoalition bei den Themen Landwirtschaft und Ernährung vorzustellen. In der aktuellen Legislaturperiode setze die Ampelkoalition auf das Bio Siegel. Ziel sei einerseits, dass 30% aller gekaufte Lebensmittel Bio- zertifiziert sind und 25% aller landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland unter Bio- Standards bewirtschaftet werden.
Warum ausgerechnet das Biosiegel?
Obwohl viele Menschen in Deutschland Bio-Siegeln misstrauen, ist es markenrechtlich beim Deutschen Patent- und Markenamt geschützt und muss mindestens den Standards der EU-Öko-Verordnung entsprechen.
Bio Siegel können also nicht einfach für Greenwashing verwendet werden und müssen mindestens die EU- Standards erfüllen, weshalb Konsument*Innen beim Einkauf eine gewisse Sicherheit und Klarheit erwarten können, wenn sie sich für Bio- Produkte entscheiden.
Timon Dzienus, Sprecher der Grünen Jugend, im Interview über die Bedeutung von Kinder- und Jugendparlamente in politischen Entscheidungsprozessen.
Jugendpresse Deutschland e.V. /Joscha F. Westerkamp
Kommunal-, Schul- und Jugendpolitik ist ein wichtiges Organ der Politiklandschaft Deutschlands, doch wird leider oft unterschätzt. Auf den JugendPolitikTagen 2023 sind 250 junge Menschen aus Kinder- und Jugendparlamenten (KiJuPas) vor Ort, sowie zahlreiche Aktive in Schülervertretung und Co.
Timon Dzienus hat mit Politikorange über die Zusammenarbeit mit den KiJuPas geredet. Dzienus ist 26 Jahre alt und seit Oktober 2021 Bundessprecher der Grünen Jugend. Er engagierte sich bereits während seiner Schulzeit in schulpolitischen Gremien und war von 2017 bis 2019 Sprecher der Grünen Jugend Niedersachsen. Er setzt sich für Themen wie Antifaschismus, Innenpolitik, Arbeitspolitik und Umweltschutz ein.
Politikorange: Arbeitet eure Partei mit KiJuPas zusammen? Wenn ja, in welchem Umfang? Dzienus: Vor allem auf kommunaler Ebene passiert das. Ich war selbst mal in einem Jugendparlament in Delmenhorst und sehe da ganz oft Projekte wie auch Forderungen von Jugendlichen, die das Leben von jungen Menschen vor Ort verbessern. Gerade die Politik sehe ich in der Verantwortung, auf junge Menschen zuzugehen, damit KiJuPas nicht zur Scheinbeteiligung werden.
Gebt ihr als offizielle Vertreter auch Fördermittel wie Geld und personelle Unterstützung an die KiJuPas? Da bin ich mir nicht genau sicher, wie das unterschiedlich läuft. Ich glaube, die grüne Verantwortung ist nicht nur Gelder zu geben, sondern auch die KiJuPas politisch mit einzubeziehen. Also sich nicht nur die Forderungen einmal anzuhören oder einmal eine Sitzung zu besuchen, sondern sich ernsthaft mit den Bedürfnissen junger Menschen auseinanderzusetzen und Vorschläge zu erarbeiten, wie diese auch umgesetzt werden können.
Hat die Zusammenarbeit bis jetzt Erfolg? Welche konkreten Projekte wurden umgesetzt? Also bei mir im Dorf wurde aus der Jugendbeteiligung ein Jugendzentrum und eine Skaterbahn ins Leben gerufen. Ich komme aus einem kleinen Dorf in Niedersachsen, das aber viel Geld zur Verfügung hatte. Dort wurde viel Geld in Sportvereine und Feuerwehr gesteckt, daraufhin haben junge Menschen gefordert, dass auch mal was für sie gebaut wird. Mittlerweile wurden das Jugendzentrum und der Skatepark umgesetzt. Das finde ich, ist ein gutes Beispiel für Jugendbeteiligung.
Wie kann man die Zusammenarbeit der Gruppen weiter fördern? Was wünscht du dir von Bundesebene? Ich glaube, eine Möglichkeit von Bundesebene, die auch getan wird, ist, dass junge Menschen Zeit haben, sich politisch zu engagieren und dass es an der Schule Möglichkeiten gibt. Damit es nicht nur von Hausaufgaben zur Klausur geht, sondern es auch Räume und Zeit gibt, sich zu engagieren. Ich glaube, dass das der Bund und das Land besser unterstützen können, indem sie die Schulen besser ausstatten.
Wäre ein KiJuPa auf Landesebene sinnvoll und würdet ihr das unterstützen? Ich habe mich ja früher im Landesschülerrat engagiert und habe mit zur Landesschülerkonferenz beigetragen, was ich total notwendig finde. Ich würde KiJuPas immer grundsätzlich unterstützen, hätte aber bei einem bundesweiten Gremium die Angst, dass es dann doch eher eine Scheinbeteiligung gibt, und darauf soll das ganze nicht hinauslaufen.
Vernetzt euch, ihr seid nicht alleine mit euren Forderungen!
Timon Dzienus (Grüne Jugend)
Du warst im Kreis und Landesschülerrat, was würdest du Mitgliedern in diesen Gremien raten? Vernetzt euch! Ihr seid nicht alleine mit euren Forderungen! Damals wurden zum Beispiel in Niedersachsen die Klassenfahrten gestrichen und dagegen haben wir demonstriert und konnten uns am Ende durchsetzen. Bündnisse schmieden, andere Leute suchen; als Schüler*innenvertretung bei der Grünen Jugend, Jusos etc. anfragen – wenn man sich so zusammenschließt, kann man eine Menge bewirken.
Warum es nicht immer eine Veranstaltung, wie die Jugend-Politik-Tage oder Demonstrationen braucht, um von „denen da oben“ gehört zu werden – hier eine kleiner Guide!
Wie mache ich die Politikermacher*innen unseres Landes auf mich aufmerksam? Foto: Jugendpresse Deutschland e.V.
Wir alle kennen die Frage: „Was muss ich tun, damit meine Forderungen und Wünsche von der Politik gehört werden?“ Natürlich denkt man sofort an eine Demo, egal ob nun als Organisator*in oder Teilnehmer*in. Doch dafür muss man sich mit einer Vielzahl an Menschen vernetzen, damit man gemeinsam auf einen Missstand aufmerksam macht. Meistens handelt es sich dabei um größere Themen, wie etwa bei den Protesten in Lützerath. Es gibt allerdings auch andere Wege, wie man sich mit den Politikmacher*innen unseres Landes in Verbindung setzen und sich Gehör schaffen kann. Weil unsere Politik eben so ist, wie sie aktuell ist, und alles rund um Online-Präsenz und Social-Media oftmals spärlich ausgebaut und dazu noch verwirrend aufgebaut ist, wissen viele nicht, wie und wo sie sich melden können. Zu dieser Erkenntnis ist auch die AG 27 „Klimakrise und Klimapolitik“ der JPT23 gekommen, als sie sich mit vier Referent*innen aus dem öffentlichen Dienst unterhalten haben – die übrigens meinten, je spezifischer die Anfrage an eine genaue Abteilung/Person, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich dort jemand damit auseinandersetzt. Daher hier eine kleine Anleitung, die bei der Kommunikation mit den Regierungsämtern helfen soll.
Veranschaulicht haben wir das Ganze anhand des „Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz der Bundesrepublik Deutschland“ (BMWK) sowie des „Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz“ (BMUV), weil gerade diese beiden in Sachen Klima eine wichtige Rolle spielen.
Erfolgreiche Jugendbeteiligung funktioniert nicht ohne gute Kommunikation zwischen den Jugendlichen und der Politik. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V. / Moritz Heck
Was muss ich tun?
Wenn man sich die jeweiligen Organigramme anschaut, findet man eine allgemeine Telefonnummer. Die Nummer des BMWK lautet 030 / 18 615 – 0 und die des BMUV lautet 030 / 18 305 – 0. Tauscht man nur die Ziffer 0 bei der jeweiligen Telefonnummer mit der vier-stelligen Nummer aus, die irgendwo in dem Kästchen der jeweiligen Abteilung steht, dann erreicht man die entsprechende Person bzw. Abteilung. Im Organigramm des BMWK stehen zusätzlich noch E-Mails in den Kästchen, wohingegen in denen des BMUV nur die vier-stellige Nummer steht. Zusätzlich stehen in beiden Organigrammen die Namen der Personen, Abteilungskürzel und Zuständigkeitsbereiche. Außerdem kann man sich bei den Bürgerbeteiligungsreferaten oder Bürgerdialogs-Stellen melden, die einem zur Auskunft verpflichtet sind, sofern sie über entsprechende Kenntnis verfügen.
Zu den entsprechenden Organigrammen der Bundesministerien, BMWK und BMUV gelangt ihr hier:
Bei einer Veranstaltung mit 1000 Teilnehmenden und zahlreichen Gästen läuft nicht immer alles wie am Schnürchen. So auch bei den JugendPolitikTagen 2023. Deshalb ist hier neben all den Lobhudeleien, den großen Chancen und interessanten Gesprächen Platz für die diesjährigen Fails.
Das Essen von Donnerstag Abend. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./ Franziska Eiles
Chaos bei der Ankunft
Olaf Scholz zu Gast zu haben ist etwas Besonderes. Das merkten die Teilnehmenden direkt zu Beginn, denn der durch die Sicherheitskontrollen verzögerte Einlass sorgte für eine lange Warteschlange vor dem Haus der Kulturen der Welt. Die Teilnehmenden, die frisch vom Hauptbahnhof noch mit Koffern ausgestattet waren, mussten diese erstmal zurücklassen. Eingeladen wurde diese dann in große Container, wovon einige auf dem Rücken von LKWs eine Tour über die Straßen Berlins unternahmen und erst nach den Teilnehmenden wieder draußen auf der Wiese ankamen. Zu guter Letzt sorgte der Strom an JPT-ler*innen zu einem teils mehrstündigen Stau beim CheckIn, beispielsweise im Generator-Hostel.
Mitten im Umbau
Unser Team musste bei Ankunft einen Tag vor offiziellem Beginn schnell feststellen, dass es statt ruhiger Arbeitsatmosphäre Redaktionssitzungen umgeben von letzten und vorletzten Umbauarbeiten geben wird. Offiziell soll das Haus der Kulturen der Welt nämlich erst nächste Woche eröffnet werden, für die JugendPolitikTage reichte es aber anscheinend. So schön es hier auch ist, die Konzentration wäre uns abseits von Bohrgeräuschen und Hammerschlägen sicherlich leichter gefallen, auch, da unser „Redaktionsbüro“ lediglich aus zwei gespannten Vorhängen im Foyer bestand.
Die Geräuschkulisse am Donnerstag im Foyer
Knurrende Mägen
Die Teilnehmenden leisten während der JugendPolitikTage Großes. Die Portionsgrößen vom Mittag- und Abendessen fielen hingegen ziemlich klein aus. Da es leider auch keinen Nachschlag gab, verließen einige das Gebäude mit noch knurrendem Magen und gingen am Tagesende noch Essen, um den Hunger zu stillen.
Bahn-Wirrwarr
Das Bahn-Wirrwarr war das überraschendste Dauerthema des Wochenendes. Die Ankündigung eines Bahnstreiks, der von Sonntag bis Dienstag andauern sollte, ließ bei vielen die Frage aufkommen, wie sie am Ende der Veranstaltung nach Hause kommen sollen. Mit Äußerungen, wie man nun damit umgehe, ließ die Organisation erstmal auf sich warten, berief schließlich Freitagabend zur Versammlung ein und gab in dieser bekannt, dass erst am nächsten Morgen neue Informationen folgen. Kurz nachdem man sich dann dazu entschied, das frühzeitige Ende der JugendPolitikTage bekanntzugeben, kam es auch bei der Bahn zu einer Einigung. Der Streik ist aufgehoben, die Politiktage enden trotzdem Samstagabend. Wer jetzt am Ende für was verantwortlich war, weiß niemand so genau.
Chance zur Verbesserung
Weil Chaos bei so vielen Menschen vorprogrammiert ist und der Großteil des Teams zudem aus Ehrenamtlichen besteht, können wir bei diesen Fails easy zwei Augen zu drücken. Daraus zieht das ehrenamtliche Team bestimmt einige Learnings für die nächsten anstehenden Großveranstaltungen. Und das größte Versäumnis von Allen wäre sowieso, wenn es die JugendPolitikTage gar nicht gäbe!
Die Arbeitsgruppe 27 „Klimakrise und Klimapolitik“ der JPT23 spricht darüber, ob und wie junge Menschen an der Klimapolitik teilhaben. Im Plenum wurde nämlich deutlich, dass dieses Thema die Jugend am meisten, hier auf der Veranstaltung, bewegt. Dabei diskutieren sie, wie man politische Prozesse eventuell beschleunigen und wie der gesamte Diskurs verbessert werden kann.
Die Teilnehmenden der JPT23 auf dem Weg zur Landesverwaltung Baden-Württemberg, einem der vielen Standorte, wo die verschiedenen AG´s ihr Ergebnisse erarbeiten. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V.
In der ersten Phase lernen sich die Teilnehmenden und die AG-Leiterin Baro besser kennen. Dafür gehen sie in den Tiergarten, um das Wetter in der freien Natur zu genießen. Dann besuchen vier Referent*innen die Klima-AG, um ihre Rollen in unterschiedlichen Ämtern und Ministerien vorzustellen und Fragen zu beantworten. Nach vielen geklärten Fragen und einer hitzigen Diskussion, erarbeiten sie, welche Aspekte noch ungeklärt sind und welche neuen Fragen sie gerne beantworten würden. Dazu teilen sie sich in drei Gruppen auf und tragen ihre Ergebnisse als Abschluss der AG zusammen. All ihre Forderungen und Wünsche an die Politik, gibt es gesondert in einem weiteren Artikel, doch hier ein knapper Abriss der Themen.
Gruppe 1
Diese Gruppe recherchiert, wie Jugendbeteiligung in anderen Ländern funktioniert und kommt zu der Erkenntnis, dass es keine Plattformen gibt, die einen wirklich guten Überblick darüber bieten, was andere Länder in Sachen Jugendbeteiligungen unternehmen. Es gibt jedoch das „European Youth Event“, bei dem junge Menschen aus der ganzen EU in Straßburg oder online zusammenkommen, um ihre Ideen für die Zukunft Europas austauschen. Es gibt außerdem das Deutsch-Französische Jugendwerk „DFJW / OFAJ“, das Jugendliche seit 1963 dabei unterstützt, an Austauschprogrammen teilzunehmen.
Gruppe 2
Hier beschäftigen sie sich ausführlicher damit, die klimapolitischen Forderungen aufzustellen. Sie sind für einige Rechtsreformen, wie z.B. Strafen beim Nicht-Erreichen von Klimazielen. Der Gesetzentwurf könnte sich am „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (kurz UWG) orientieren, welches diejenigen zur Rechenschaft zieht, die gegen die guten Sitten verstoßen. Man könnte auch gesetzlich verankern, dass Produkte in Zukunft angeben müssen, wie viel CO2 bei der Produktion ausgestoßen wird, um das Bewusstsein bei den Bürger*innen zu fördern. Möglich wäre auch die Abschaffung der Mehrwertsteuer bei pflanzlichen Grundnahrungsmitteln und eine damit einhergehende Preissenkung. Weitere Forderungen der Gruppe teilen sich wie folgt auf:
Klimagerechtere Wirtschaft durch z.B. eine Reduzierung und letztendliche Streichung von allen fossilen Subventionen, und gleichzeitig eine Erhöhung der Subventionen für erneuerbare Energien sowie Energiespeichersysteme;
Rechtliche Grundlagen wie etwa ein Grundrecht auf Klimaschutz oder dass Gesetzesentwürfe auf mögliche Klima-Auswirkungen evaluiert und angepasst werden;
Bildung und Soziales fördern, indem man den CO2-Preis entsprechend der reellen Kosten pro Tonne stufenweise erhöht, wodurch man gleichzeitig auch die Klimafolgen abbilden kann;
Verkehr ausbauen, indem man den öffentlichen Personen- und Nahverkehr (kurz ÖPNV) deutlich besser fördert und ausbaut sowie die klimaschädlichen Verkehrsmittel zunehmend sanktioniert;
Internationale Förderung durch massive Investitionen in die Entwicklungsarbeit (materiell, know-how, Bildung, Infrastruktur) und den „Loss and Damage“-Fond.
Gruppe 3
Last but not least überlegen sie, wie man Jugendliche im politischen Prozess besser einbeziehen kann. Dabei kommen sie zu Vorschlägen, wie etwa messbare Indikatoren von Jugendbeteiligungen, die transparent für die Öffentlichkeit geteilt werden. Zusätzlich fordern sie bessere Zugangsmöglichkeiten für Beteiligungsformate und, dass Beteiligungsformate auf allen Schulformen (Gymnasium, Realschule, etc.) vermittelt und erklärt werden sollen, da man dort am meisten Jugendliche erreicht. Außerdem sollten Ministerien übergreifende Informationsstellen errichtet werden, wie z.B. eine Bundeszentrale für Jugendbeteiligung, die ähnlich wie die bereits existierende „Bundeszentrale für politische Bildung“ (kurz BPB) alle relevanten Aspekte gebündelt abrufbar macht.
Die Partizipation von Jugendlichen in der politischen Sphäre wirft ein zerrüttetes Bild auf. Viele fühlen sich nicht richtig repräsentiert und nicht ernstgenommen. Doch ist eine Partizipation für Alle möglich? Welche Hürden bestehen für die Verwirklichung des Vorhabens und was muss getan werden, um diesem Ziel näher zu kommen? Jenen Fragen stellte sich eine der insgesamt 36 AG-Gruppen auf den JugenPolitikTagen 2023.
Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./ Joscha Westerkamp
Partizipation für Alle? Diese Frage stellt sich eine der insgesamt 36 AG-Gruppen. Besonders der Aspekt der Vielfalt soll dabei in Betracht gezogen und die in der AG formulierten Handlungsempfehlungen als Beschlussempfehlung der Jugend- und Familienministerkonferenz, als auch dem Bundeskabinett vorgelegt werden.
Die Sitzung beginnt mit einer Vorstellungsrunde, welche direkt in die Thematik einführt. Was wollt ihr mit der Teilnahme an den JugendPolitikTagen erreichen? Wie wollt ihr dazu beitragen und welche sind eure eigenen Erfahrungen zur Partizipation?
Die Chemie zwischen den Jugendlichen passt auf Anhieb und es entstehen rege Diskussionen. Insbesondere die Frage bezüglich der eigenen Erfahrung findet großen Zuspruch. Während die Gruppe viel von individuellen Erfahrungen aus ihrem Alltag, Berufsleben oder Engagement berichtet, findet sich zudem ein allgemeiner Konsens: die Schule. Es wird eine Abstimmung (unter der Möglichkeit der Enthaltung der eigenen Stimme) ins Leben gerufen. Das Ziel ist es zu zeigen, dass oftmals auf (bildungs-) politischen Veranstaltungen ein bestimmter Typ Mensch zu finden ist. Meistens sind es Weiße Personen mit höherem Bildungsgrad. Es wird weiter über Privilegien in der Bildung und Ausbildung diskutiert und so langsam zeigen sich die ersten Hürden bei oder Ansatzpunkte für eine „Partizipation für Alle“.
AG-Teilnehmerinnen. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V.
Das vermeintliche Desinteresse der Jugend and der Politik
Neben einer allgemeinen Einführung in die Bereiche Demokratie, Partizipation und Ausschluss, sollen die Jugendlichen selber diskutieren. Beispielsweise den Vorwurf der älteren Generation, dass unter den Jugendlichen eine Politikverdrossenheit herrscht. Zudem wird auch die unter jungen Personen häufig getane Aussage: „Ich bin ja nicht politisch“, behandelt. Denn die Teilnehmenden stimmen dem Vorwurf nicht zu und finden gleichzeitig einen Erklärung für die Aussage. Diese könnte folgendermaßen zusammengefasst werden. Junge Leute fühlen sich häufig nicht repräsentiert, weil die für sie relevanten Themenpunkte in der Politik wenig oder in einem nicht passenden Kontext diskutiert werden. Dies erzeugt eine Situation, in der sich die Jugendlichen oftmals nicht nur nicht vertreten, sondern auch nicht gehört oder gesehen fühlen. Zudem fordert die Politik sie aktiv auf zu partizipieren und laut die Stimme zu erheben, doch fehlt es oftmals an Möglichkeiten dies zu tun, beziehungsweise werden sie aufgrund ihres Alters nicht ernst genommen. Folglich wird das eigene Engagement nicht in die politische Sphäre eingeordnet. Die Diskussionspunkte bezieht sich nicht nur auf die Einbindung von Jugendlichen, sondern allgemein auf unterrepräsentierte und aus der Gesellschaft ausgeschlossene beziehungsweise in der Gesellschaft benachteiligte Gruppen.
Für eine inklusive Zukunft
Eine Teilnehmerin, die anonym bleiben will, drückt die Problematik folgendermaßen aus:
„Die Themen und Probleme, welche in der Politik besprochen werden, aber bestimmte Gruppen betreffen, sind oftmals weit von der Realität entfernt. Um die [Diskussion] mehr auf den Boden der Tatsachen zu bringen, sollten diese Personen mehr […] inkludiert werden.“
Im weiteren Verlauf werden Fragen besprochen, die besonders die persönliche Ebene des „Gesehen-Werdens“ betreffen. Anhand der Auseinandersetzung sollen gemeinsam die vom Ausschluss betroffenen Lebensbereiche hervorgehoben werden. Diese beginnen beim eigenen Elternhaus, gehen über zu Bildungsinstanzen wie Kindergärten, Schulen und Universitäten und weiter zu gesellschaftlichen Problemen wie den unterschiedlichen Diskriminierungsformen, dem Wahlalter und der Wahlberechtigung.
In dem Gespräch wird eine Spaltung der Gesellschaft, die in der AG in Mainstream und Nicht-Mainstream unterteilt wird, behandelt. Anhand der zuvor diskutierten Erlebnisse kommt die Gruppe zu dem Ergebnis, dass es oftmals an sogenannten Lobbys, also Interessensvertretungen in der Politik, fehlt. Der Mainstream-Teil der Gesellschaft beansprucht viel Platz, sodass der Rest der Gesellschaft das Gefühl hat, dass sie keinen Platz haben.
Als Abschluss der AG werden Handlungsempfehlungen und Lösungsvorschläge erarbeitet. Diese beinhalten eine weite Bandbreite an Themen. Beispielsweise die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre, mit der Begründung, dass somit der Druck auf die Politik für einer jugendgerechtere Politik erhöht wird. Ein Weiteres Beispiel wäre die, wie die Jugendlichen es benennen, „gelebte Vielfalt“. Dafür sollen (Förder-)Programme für marginalisierte Gruppen eingeführt werden, um diesen einen integrativen Zugang zur Gesellschaft und somit einen Platz in ihr zu schaffen.
Das gemeinsame Ziel der Teilnehmenden der AG ist es, dass Jugendliche und marginalisiert Gruppen durch eben diese Forderungen akkurater repräsentiert und dementsprechend gerechter behandelt werden können.
Gleichberechtigung, Rollenbilder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – das waren die Themen, mit denen sich AG 18 bei den JugendPolitikTagen 2023 auseinandergesetzt hat. Silke Störcker vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend , die dort als Expertin zu Gast war, sagt: „Das was im Kern dieses Themas steckt, ist das Aufbrechen von Geschlechterstereotypen“. Doch wie kann das bewerkstelligt werden?
Die AG in der Diskussionsrunde. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V. /Joscha F. Westerkamp
Im Koalitionsvertrag der laufenden 20. Legislaturperiode wurde vereinbart, dass Gleichstellung noch in diesem Jahrzehnt erreicht werden soll. Die Bundesregierung hat deshalb einige Maßnahmen ergriffen, um dies umzusetzen. Beispielsweise gibt es seit 2017 das Entgelttransparenzgesetz, das nach dem Bundesministerium Frauen dabei unterstützen soll, ihren Anspruch auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit besser durchzusetzen. Auch die Frauenquote oder verschiedene Förderungen und Projekte werden als Mittel eingesetzt, um die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu erreichen, wie Silke Störcker erzählt.
Trotzdem gibt es aktuell immer noch einen Gender-Pay-Gap, Frauen leisten durchschnittlich mehr Care-Arbeit als Männer und so leiden weibliche Personen auch häufiger unter Altersarmut.
In der AG erarbeiten junge Menschen Wünsche und Forderungen, wie Gendergerechtigkeit laut ihnen möglich gemacht werden kann. Diese werden dem Ministerium vorgelegt und von Politiker*innen besprochen. „Macht ihr euch in eurem Leben Gedanken über Gleichberechtigung?“ Diese Frage wird von Teilnehmenden größtenteils mit „Ja“ beantwortet.
„Zuhause hat der Vater das letzte Wort.“
oder
„Ich bin als Frau oft diejenige, die Männern auf öffentlichen Plätzen ausweicht. “
Diese Erfahrungen oder Beobachtungen wurden von den Jugendlichen persönlich gemacht und haben sie zum Nachdenken angeregt.
In der AG wird zu Beginn recherchiert, welche Regelungen gelten und ob sie verschärft werden sollten. Aber auch neue Anhaltspunkte und Ideen werden gesammelt.
Einige fordern einen festen Strafbestand für Catcalling. Andere finden, die Vier-Tage-Woche wäre hilfreich, damit Care-Arbeit besser zwischen beiden Elternteilen aufgeteilt werden kann. Auch gendergerechtere Forschung in der Medizin halten viele der Jugendlichen für wichtig. Zudem wird eine stärkere Förderung von Elternzeit für Väter vorgeschlagen, aber auch eine Anpassung des Steuerrechts, sodass das Ehegattensplitting abgeschafft werden kann.
Letzten Endes sind sich alle in einem Punkt einig: Es ist wichtig Bewusstsein zu schaffen – und das bereits im frühkindlichen Alter, beispielsweise durch Aufklärung im Kindergarten und in der Grundschule oder durch diversere Vorbilder. Nur so können in den Köpfen der Menschen andere Bilder, andere Rollenvorstellungen platziert werden. Dem stimmt auch die Referentin Silke Störcker zu. Sie findet außerdem, dass die Problematik noch sichtbarer gemacht werden sollte – in der Bildung oder auch direkt in der Arbeitswelt.
„Alle Menschen machen im Laufe ihres Lebens früher oder später die Erfahrung, wie wichtig eine gute Gesundheitsversorgung ist“. So steht es in einer Infobroschüre zum deutschen Gesundheitssystem, die auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zu finden ist. Kein Wunder also, das das Thema auch die junge Generation beschäftigt. In der AG „Krankes Gesundheitssystem“ haben einige Teilnehmer*innen der JPT23 Probleme des Systems diagnostiziert und gemeinsam nach Lösungen gesucht.
AG „Krankes Gesundheitssystem“ bei der Arbeit. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./ Emilia Schäfer
„Leistungsstark, sicher, bewährt“ soll die gesundheitliche Versorgung in Deutschland laut der Ministeriumsbroschüre sein. Dagegen sprechen 307.000 Pflegekräfte, die nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft bis 2035 fehlen werden. Zudem können sich nur 30% der Ärzt*innen und Pflegekräfte vorstellen, ihren Beruf bis zur Rente auszuüben. Doch Pflegenotstand und Fachkräftemangel sind bei weitem nicht das einzige Problem. Viele der gesetzlichen Krankenkassen sind verschuldet, wie AG-Leiter Ben Grell erzählt. Er schließt gerade sein Staatsexamen zum Pflegefachmann ab und berichtet, dass eine zehn bis zwölf Tageswoche in diesem Berufszweig der Standard sei. Arbeitsbedingungen, Versorgungsmangel, Lieferengpässe oder Gender Health Gap – die Liste an weiteren Problemen, die von Teilnehmer*innen während des Einstiegsgesprächs aufgezählt werden, ist lang. Und das, obwohl die Pflege nach wie vor der Größte Berufszweig in Deutschland ist.
Symptome und Diagnose
Wie all diese Probleme sich auf die Realität von Patient*innen auswirken können, veranschaulicht Ben an eindrücklichen Beispielen aus dem Krankenhaus, in dem er selbst arbeitet. So kann beispielsweise ein aufgrund von Personalmangel vergessenes EKG dazu führen, dass ein Herzinfarkt nicht mehr rechtzeitig erkannt wird. Und dann wären da noch die Unterschiede zwischen Kassen- und Privatpatient*innen. Viele der AG-Mitglieder haben selbst schon Erfahrungen mit dieser Ungleichbehandlung machen müssen.
„Das Hauptproblem ist, dass der Profit über den Menschen steht.“
AG-Leiter Ben Grell
Die Probleme, da ist sich die AG einig, bleiben trotzdem und müssen verbessert werden. Die Ursachen? Vielfältig. Zu hohe Anforderungen an den Nachwuchs, geringe Bezahlung von Pflegekräften, oder nach Profit strebende Krankenhäuser. Auch, dass politische Entscheider*innen oft wenige reale Berührungspunkte mit dem Gesundheitssystem haben, sei ein Problem: „Eigentlich müsste jeder, der in der Politik Entscheidungen trifft, mal auf Station gewesen sein“, findet Ben.
Und nun? Welche Lösungen gibt es also?
Diese Fragen wurden am zweiten AG-Tag gemeinsam von der Gruppe diskutiert. Dies ist sicherlich ein erster Schritt in die richtige Richtung, denn um Bedürfnisse darzustellen und Probleme zu verbessern braucht es Patientenbeteiligung. „Das gilt natürlich auch für Kinder und Jugendliche“ findet Dr. med. Theda Wessel vom BMG, die seit Januar das Referat für Kinder- und Jugendmedizin leitet. In ihrem Vortrag stellen sie und ihre Kollegin Judith Scherr, fünf Handlungsfelder der Kinder-und Jugendmedizin vor, für die eine interministerielle Arbeitsgruppe (zusammen mit dem BMFSJ) einen Plan erarbeitet hat. So sollen zum Beispiel ab dem Schuljahr 2023/24 Mental Health Coaches an den Schulen bereitstehen und lange Wartezeiten im ländlichen Raum reduziert werden. Auch ein Lieferengpass-Gesetzesentwurf, der bereits vom Kabinett verabschiedet wurde, soll nun umgesetzt werden.
„Die Entmonetarisierung des Gesundheitssystems“
… antwortet ein Teilnehmer auf die Frage, was er tun würde, wenn er eine Sache am Gesundheitssystem sofort verändern könnte. Auch „bessere Arbeitsbedingungen und Löhne für das Personal“ und „weniger Zentralisierung von großen Krankenhauskomplexen“ wünschen sich Teilnehmer*innen im Gespräch mit der politikorange-Redaktion. Zu sieben Bereichen wurden in der letzten AG-Phase konkrete Lösungsvorschläge gesucht – und gefunden. Um die Versorgungssicherheit in der Kinder- und Jugendmedizin sicherzustellen, sollen europäische Firmen gefördert und die gesundheitliche Bildungsarbeit in Schulen ausgeweitet werden. Außerdem schlagen die Teilnehmer*innen vor, das Erste-Hilfe-Angebot zu verbessern. Das könnte z.B. durch einen Erste-Hilfe-Ausweis passieren, der ähnlich wie ein Blutspende-Ausweis funktionieren würde. Um die Unterschiede zwischen Kassen- und Privatpatient*innen abzuschaffen, könnten Terminvergaben anonymisiert und verhältnismäßig verteilt werden. Im Bezug auf genderspezifische Forschung wünscht sich die Jugend vor allem mehr Geld und ein breiteres Forschungsspektrum, bei dem alle Menschen berücksichtigt werden sollen. Und dann wäre da zuletzt noch die mangelnde Attraktivität von medizinischen Berufen. Bessere Bezahlung, fixe und planbare Arbeitszeiten, die durch eine unabhängige Kommission kontrolliert werden, sowie verpflichtende Sozialpraktika an Schulen sollen hier zu einer Lösung des Problems beitragen.
Die zentrale Forderung an die Politik, die bei allen diesen Vorschlägen anklingt, wird von einer Teilnehmerin in zwei Worten zusammengefasst: mehr Gerechtigkeit.
Die diesjährigen Jugendpolitiktage haben begonnen und das nicht an irgendeinem Ort. Aber wo genau befinden wir uns eigentlich?
Das Haus der Kulturen der Welt. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./ Moritz Heck
„Im Haus der Kulturen der Welt werden verloren gegangene Sachen akzentuiert. Sie werden geehrt und bekommen wieder an Bedeutung.“ Mit diesen Worten begrüßt Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Intendant des Hauses, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der diesjährigen JugendPolitikTage (JPT). In Berlin, dem politischen Zentrum Deutschlands, hätte eine Veranstaltung wie diese in allerlei Gebäuden stattfinden können. Dass also genau das Haus der Kulturen der Welt (HKW) ausgewählt wurde, kann kein Zufall sein.
Intendant Bonaventure Soh Bejeng Ndikung bei der Eröffnung der JPT23. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./ Moritz Heck
Das HKW ist geprägt von einer langen Geschichte. Als Deutschland, und somit auch Berlin, noch in Ost- und Westgebiete geteilt waren – keine*r der Teilnehmenden wird es selbst erlebt haben – lag das Grundstück im Westen. Die Kongresshalle sollte ein „Leuchtfeuer der Freiheit, das seine Strahlen nach Osten sendet“ sein, verkündete die US-Diplomatin Eleanor Dulles bei der Grundsteinlegung 1956. Ein Geschenk der Amerikaner, ein Symbol der deutsch-amerikanischen Allianz.
Die Freiheit des Westens, beflügelt durch das geschwungene Dach. Eine architektonische Besonderheit von der sich Bürger*innen und Journalist*innen wenig beeindruckt zeigten. Vielmehr ähnele das Gebäude einer aufgeklappten Muschel, so wurde die Kongresshalle im Volksmunde dann auf den Namen „schwangeren Auster“ getauft.
Allzu lange hielt sich die Auster allerdings nicht: 1980 stürzte ein Teil des Daches ein. Ob das Gebäude überhaupt erneut aufgebaut werden soll, wurde lange diskutiert. Doch die geschichtliche und politische Bedeutung überwog, 1989 wurde das Gebäude wiedereröffnet. Diesmal aber nicht als Kongresshalle, sondern als Haus der Kulturen der Welt. Von nun an ein Ausstellungsort für internationale Künste und ein Forum für aktuelle Entwicklungen und Diskurse.
Einen passenderen Ort für die JugendPolitikTage gibt es wohl kaum: Junge Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen kommen zusammen. Sie besprechen Ideen und Konzepte, arbeiten an einer gemeinsamen Zukunft und legen dabei eigene Schwerpunkte. Sie machen aufmerksam auf von der Politik Vergessenes, sie akzentuieren es, um es mit den Worten des Intendanten Ndikung zu sagen. Die JugendPolitikTage, eine Veranstaltung, bei der Neues entsteht – im Haus der Kulturen der Welt, einem Ort, der diesem Neuen Raum gibt.
In der AG „Land in Sicht“ werden Themen besprochen, die die Landjugend beschäftigen. Was wünschen sich junge Menschen auf dem Land? Wieso fühlen sie sich oft nicht gehört? Antworten dazu wollen 19 junge Menschen aus ganz Deutschland zusammen diskutieren.
Die Teilnehmenden der AG 35. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V. / Franziska Bernhard
Eine von ihnen ist Lara, sie kommt aus dem Voigtland in Sachsen und ist gerade in den letzten Zügen ihres Abiturs. Sie hat bereits schon öfter an ähnlichen Veranstaltungen wie den JugendPolitikTagen, wie der Bundesjugendkonferenz im letzten Jahr, teilgenommen.
Politikorange: Warum sollte die Politik mehr für Jugendliche auf dem Land tun? Lara: Ich habe das Gefühle, dass sich viele Menschen auf dem Land vergessen fühlen. Wir brauchen für unsere Zukunft die Jugend und vor allem auf dem Land wendet sie sich gerade ein bisschen von der Politik ab, da sie sich nicht gehört und verstanden fühlt. Vor allem im Osten Deutschlands haben bereits ihre Eltern das Vertrauen in die Politik verloren, durch die vielen Rückschläge, die sie in den vergangenen Jahren bekommen haben und das überträgt sich gerade auf die Jugend. Viele wenden sich daher von der Politik ab, die Demokratie aber lebt vom Volk, daher darf so etwas nicht passieren.
Wie würde mehr Anerkennung durch die Politik für dich aussehen? Was könnte die Politik mehr tun? Ich glaube, dass wir mit politischer Bildung schon viel machen könnten. In meinem Jahrgang war es so, dass wir erst ab der 9. Klasse Politikunterricht hatten in Sachsen, dies wurde vor zwei, drei Jahren nach vorne verschoben. Jetzt hat man es bereits ab der 7. Klasse. Dies ist schonmal ein guter Schritt, man kann aber schon viel eher damit anfangen. Auch in der Jugendstrategie der Bundesregierung steht, dass wir Demokratie nur lernen, wenn wir sie machen und das wir auch das Gefühl brauchen mit entscheiden zu können. Das kann auch schon in den Schulen passieren, dass man dort anfängt mit einem Schulrat oder einer Schülervertretung zu arbeiten. Ich wünsche mir mehr Projekte und Aktionen aus Schulen heraus oder auch aus den Städten selbst, auch wenn sie oft das Geld nicht dafür haben. Die Jugend soll mehr mit einbezogen werden.
Was könnte die Stadt vom Land lernen? Diese Vertrautheit, Bequemlichkeit, Nachbarschaftlichkeit, man kennt sich und achtet auch auf einander. Nicht das Anonyme, sondern das Private, dass man sich gegenseitig kennt und wertschätzt.