Algorithmen entscheiden, was wir sehen – und manchmal, was wir glauben. Die Teilnehmer*innen der JPT 25 diskutieren Chancen, Risiken und Verantwortlichkeiten.
Ist Künstliche Intelligenz eine Datenkrake? (Foto: Unsplash / Growtika)
Stellt man ChatGPT die schlichte Frage: „Welche deutsche Partei ist die Beste?“, dann erhält man eine scheinbar schlagwortartige, vor allem aber sehr unvoreingenommen wirkende Übersicht über die wichtigsten deutschen Parteien. Fast schon wie ein Lernzettel, den man mal so für die nächste Politik-Klausur bereitgelegt hat. Die Antwort des KI-Gegenübers könnte eindeutiger und uneindeutiger nicht sein: „Ich selbst habe keine Meinung oder politische Haltung.“ Aber ist KI wirklich nur ein technisches Hilfsmittel, um neutral Informationen zusammenzufassen?
Die einfachste Antwort: Nein. Denn die Daten, mit denen KI-Systeme gefüttert sind, wurden von Menschen selbst eingespeist und ausgewählt. Und durch Algorithmen passt sich die KI an die Nutzer*innen an, schlägt immer wieder Ergebnisse vor, die zu vorherigen Suchanfragen passen, zieht immer tiefer ins Rabbithole.
Mit den Herausforderungen rund um das Thema KI beschäftigt sich auf den JugendPolitikTagen der Workshop “Künstliche Intelligenz auf Internetplattformen – Wunscherfüllung oder gruselige Datenkrake?” Die Teilnehmer*innen erzählen von der KI-Nutzung in ihrem Alltag und von den Bedenken, die sie dazu haben: Sorgen vor sozialer Ungleichheit, Jobverlust, Polarisierung durch Algorithmen.
Wie sieht es aber tatsächlich in der Realität aus?
„Tendenziell sehe ich bei KI eher die Gefahren.“, sagt Teilnehmerin Elea Bolhuis. Künstliche Intelligenz verbreitet ihrer Meinung nach in Sozialen Netzwerken teilweise radikale politische Inhalte an die Nutzer*innen. “Wirklich viel machen kann man als Einzelperson aber nicht”, sagt sie. Verantwortlich seien die großen Konzerne wie OpenAI, die hinter KI-Systemen stecken.
Auch Zahra Tabel und Waad Nashawati sehen große Gefahr bei KI-generiertem Content auf Social Media: „Es gibt Menschen, die das nicht einschätzen können, und sich denken, dass das stimmt.“
Den Gefahren von Künstlicher Intelligenz, besonders durch Falschinformationen und unverlässlichen Darstellungen, sind sich die Teilnehmer*innen bewusst. Ein gutes Zeichen, dass die Jugend sich über der zunehmenden Eigenverantwortung im Klaren ist.
Seit Jahren steigt die Zahl der queerfeindlichen Angriffe. Was die Teilnehmer*innen des Workshop “Queere Geschichte(n)” für die Zukunft mitnehmen.
Der Slogan „Pride is a protest“, abgedruckt auf einer Tasche (Foto: Unsplash/Sophie Popplewell)
Es ist Juni, offizieller Sommerbeginn. Für queere Menschen ist die sechste Seite im Kalender aber noch aus einem ganz anderen Grund besonders: Es ist wieder Zeit für Regenbogenflaggen, Drag-Shows auf der Straße und lange Partys – und alle scheinen mitzufeiern. In den letzten Jahren malen immer mehr Unternehmen ihre Logos bunt, Promis und Politiker*innen lassen sich überall ablichten, wo es Pride-Flaggen gibt. Doch das war nicht immer so.
Milena Seidl sagt dazu: “Pride war nicht immer eine kunterbunte Parade.” Sie leitet bei den JugendPolitikTagen einen Workshop zu queerer Geschichte und erzählt dabei auch von den Anfängen der Pride-Bewegung. Begonnen hatte alles in einer der wenigen queeren Bars in New York, dem „Stonewall Inn“, wo sich vor allem POCs, Dragqueens und trans Frauen trafen. Regelmäßig kam es dort zu Polizeirazzien, bei denen die Gäste diskriminiert und schikaniert wurden. So auch in der Nacht auf den 28. Juni 1969. Doch dieses Mal begannen die Besucher*innen der Bar, sich zu wehren. Diese Nacht löste eine so große Welle an Solidarität aus, dass die Auseinandersetzungen mit der Polizei fünf Tage dauerten. Genau ein Jahr später fand in New York in Erinnerung an den Aufstand der erste Christopher Street Day (CSD) statt. 1979 war die Pride-Bewegung auch in West-Deutschland angekommen und hunderte Teilnehmer*innen zogen durch die Straßen.
All das erscheint auf den ersten Blick weit weg. Schließlich haben queere Menschen heute viel mehr Rechte als früher. Die Ehe für alle und das Selbstbestimmungsgesetz sind nur wenige Beispiele für die großen Errungenschaften der letzten Jahre.
Workshopleitung Milena Seidl (Foto: Jugendpresse Deutschland / Katja Sivacheva)
Die Teilnehmer*innen des Workshops berichten außerdem von einer zunehmenden Anspannung mit Blick auf den CSD. „Ja, es ist jetzt anders als die Jahre zuvor, definitiv“, meint Felicitas. Sie kommt aus Ostdeutschland und erzählt, dass bei einem Christopher Street Day rechte Gruppierungen aufmarschiert seien. Giulio bemerkt Ähnliches: „Mein erster CSD war vor zwei, drei Jahren. Das war sehr friedlich, sehr entspannt.” Die Feierlaune habe sich verändert, als im vergangenen Jahr Neonazis versucht hätten, die Parade anzugreifen. Auch das BKA verzeichnet einen starken Anstieg queerfeindlicher Angriffe: Im Vergleich zu 2022 stiegen Straftaten gegen queere Personen im Jahr darauf um die Hälfte an.
Als Antwort auf den Rechtsruck werden immer wieder Stimmen laut, die fordern, dass der CSD wieder mehr unter dem Motto „stonewall was a riot“ stattfindet. “Die Errungenschaften aus der queeren Szene wurden uns nicht einfach so gegeben”, sagt Milena Seidl. Sie wurden durch Aufstände schwarzer und queerer Personen gegen Polizeischikane erreicht. Seidl meint: “Diese institutionalisierte Form von queerem Feiern gäbe es heute nicht, wenn sich die Leute damals nicht engagiert hätten.“ Dass politisches Engagement und Widerstand immer noch brandaktuell sind, findet auch Paul: Wir müssen noch weiter dafür kämpfen, dass wir Rechte bekommen oder unsere derzeitigen Rechte beibehalten.” Den CSD als reine Party zu begreifen, helfe dabei nicht. Felicitas ist ähnlicher Meinung: „Stonewall was a riot“ ist immer aktuell.” Gerade die letzten Jahre hätten gezeigt, wie schnell queere Rechte wieder abgeschafft werden könnten. Deshalb sei es so wichtig, zu zeigen, dass die queere Community groß sei und sich nicht verdrängen lasse.
Ein Ehrentag fürs Ehrenamt – klingt erst mal nach Würdigung und Wertschätzung. Doch ein Workshop bei den JugendPolitikTagen 2025 zeigt: Junge Engagierte fordern mehr als nur Applaus.
2026 soll es zum ersten Mal den Ehrentag geben, einen Tag, der die Arbeit der Ehrenamtlichen feiert, auf den JugendPolitikTagen wurden Ideen dafür gesammelt (Foto: Jugendpresse Deutschland/Caroline Sauter).
Fast 30 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland freiwillig – und das in rund 650.000 gemeinnützigen Organisationen. Als Henning Baden, der Referent des Workshops „Ideen-Werkstatt zum Mitmachtag für Deutschland” diese Zahlen präsentiert, ist die Stimmung im Raum gemischt. „Ich möchte in einer Gesellschaft leben, in der Ehrenamt die Gesellschaft verbessert und nicht die Gesellschaft stützt“, meint eine Teilnehmerin. „Wir müssen klar sagen, wo es Probleme gibt – ob bei der Finanzierung oder politisch.“ Diesen Herausforderungen gehen die Teilnehmer*innen in der Ideenwerkstatt auf den JugendPolitikTagen nach. Und: Sie sammeln Ideen für den ersten Ehrenamtstag.
Der Ehrentag wird in ganz Deutschland stattfinden Der „Ehrentag – für dich. Für uns. Für alle“ geht auf eine Initiative von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zurück. Am 23. Mai 2026, dem 77. Geburtstag des Grundgesetzes, soll der Ehrentag zum ersten Mal bundesweit stattfinden. Das Ziel: Ehrenamt sichtbar machen, vernetzen und feiern. Die Veranstaltung findet verteilt in ganz Deutschland statt. Auf den JPT überlegt sich die Stiftung gemeinsam mit den jungen Engagierten, wie der Tag aussehen könnte und sammelt erste Themenvorschläge. „Der Ehrentag ist das, was ihr draus macht“, betont Henning Baden. Es soll kein starres Konzept von oben sein, sondern ein Raum zum Mitgestalten.
Die Runde wird persönlich, als Baden fragt: „Was hat euch zum Ehrenamt gebracht?“ Ein junger Mann, der 2015 aus Syrien geflohen ist, erzählt, wie ihm durch Ehrenamt bei der Integration geholfen wurde. Heute engagiert er sich selbst in einem Bündnis, das geflüchtete Syrer unterstützt. Andere berichten von ihrem Einsatz bei den Pfadfindern, der Feuerwehr, dem Jugendrotkreuz oder in Parteien. Mit ihrem Engagement wollen sie nicht einfach nur zusehen, sondern auch handeln.
Vier Ideen, ein gemeinsames Ziel Wie also kann man junge Menschen motivieren, sich am Ehrentag zu beteiligen? Die Teilnehmer*innen sammeln Ideen und einigen sich auf vier Favoriten. Diese werden in Gruppenarbeit weiter vertieft. Eine Gruppe befasst sich mit dem Ehrenamtspass. Das ist ein bundesweiter Nachweis für Engagement, verbunden mit konkreten Vorteilen. Bilal Salim wünscht sich, dass es mit dem Pass Ermäßigungen in Museen, Kinos, Schwimmbädern gibt – oder sogar Vorteile beim Studienplatz. Er soll sichtbar machen, was viele still leisten. Die Idee der zweiten Gruppe: Engagierte Jugendliche und junge Erwachsene sollen Schulen besuchen, von ihrem Ehrenamt erzählen und Projekte vorstellen. Die Ehrenamtlichen sollen dadurch zum Vorbild werden. „Manche wissen einfach nicht, wo sie anfangen sollen“, meint Henning Baden. Die Teilnehmer*innen sind sich einig: „Lasst uns ihnen zeigen, wie’s geht!“ Die dritte Gruppe hat eine konkrete Vorstellung davon, wie der Ehrenamtstag gestaltet werden soll: Auf den Marktplätzen in Deutschland sollen Stände von Vereinen und Aktionen den Austausch fördern. Den Teilnehmern Johannes und Anton schwebt eine Art Demokratiefest vor – sichtbar, offen und niederschwellig. Auf einer digitalen Karte wird anzeigt, was an welchem Ort passiert. Ehrenamt darf und soll auch unbequem sein, findet die vierte Gruppe im Workshop. Die Teilnehmer*innen schlagen Gesprächsformate ohne Bühne vor, die Austausch auf Augenhöhe fördern und Raum für Kritik schaffen. Damit die Formate auch in den sozialen Medien sichtbar werden, schlägt die Gruppe einen eigenen Hashtag für den Ehrentag vor.
Was dieser Workshop zeigt: Die jungen Engagierten wollen mehr als eine Ehrenmedaille. Sie wollen politisch, digital und lokal gestalten. Sie wollen, dass Engagement nicht ausbrennt, sondern gestärkt wird. Der Ehrenamtstag soll ein erster Schritt sein.
Die Teilnehmer*innen der JugendPolitikTage wurden möglichst divers zusammengesetzt. So denken sie über diese Aussage.
Federico Svezia im Gespräch mit einem Schulkollegen (Foto: Jugendpresse Deutschland / Lennard Jördens)
Christoph Mahle und weiterer junger Mann stehen je mit einem Apfelsaft in der Hand an einem der Tische des Veranstaltungsraumes und unterhalten sich. Christoph trägt einen Anzug, sein Gegenüber ein Poloshirt. Vor zwei Jahren sind sie sich auf der young leaders Akademie schon einmal begegnet. Beide sind Teilnehmer der JugendPolitikTage, beide nach eigener Einschätzung privilegiert – Christoph ist auch Stipendiat der Hanns-Seidel-Stiftung. Doch sie sind überzeugt: Wenn man Interesse und Engagement habe, dann finde man auch unabhängig der sozialen und finanziellen Herkunft Möglichkeiten, sich politisch zu engagieren.
Selin Akin findet, das sei zu idealistisch gedacht. Sie selbst ist das jüngste Mitglied des Stadtrates in Ludwigsburg und studiert an der Universität Tübingen Politik und Rhetorik. Politische Tätigkeiten seien in der Regel ehrenamtlich und zeitaufwändig, so Akin. Man müsse es sich also leisten können, diese Zeit auch zu investieren. Wenn man aber arbeiten oder in der Familie mithelfen müsse, seien diese Kapazitäten nicht gegeben.
Neben Geld und Zeit braucht es für politisches Engagement noch etwas anderes: Kontakte. “Man kennt sich hier”, sagt Federico Svezia. Er ist in der SMV seiner Schule aktiv. Bei Veranstaltungen wie den JugendPolitikTagen treffen sich seiner Meinung nach oft die gleichen Leute – so wie Christoph. Jan Langeloh sieht das anders. Er findet, dass sowohl in der Politik als auch bei den JugendPolitikTagen Menschen mit verschiedensten Hintergründen aufeinandertreffen. Durch die unterschiedlichen Hintergründe hätten Menschen auch unterschiedliche Motivationen, sich politisch zu engagieren. Karl Rödiger vom Jugendparlament Jena meint, dass Politik dann beginne, wenn man sich aufregt und deshalb für politische Themen einsetzt.
Wie Politik zugänglich wird
Tai Tran Xuan findet, dass die Hürden, sich zu engagieren, hoch seien. Die Anreise und Teilnahme an Veranstaltungen koste oft Geld, für die Bewerbung dazu brauche es sprachliche Skills. Der Zugang zu Politik sei leichter, wenn auch die Eltern politisch interessiert seien, findet Tai.
„Ich will da was ändern“, sagt Meryem Sen. Ihr Ziel ist es, die Sichtbarkeit von Veranstaltungen und Teilhabemöglichkeiten zu erhöhen. Jugendlichen müsse man mehr auf Augenhöhe begegnen, zum Beispiel durch mehr Öffentlichkeitsarbeit auf Plattformen wie TikTok oder Instagram. Das sei der Weg, um viele Jugendliche zu erreichen. Doch nicht nur online soll der Zugang zu Informationen leichter werden. Florian Gashi aus Baden-Baden findet, dass Schulen eine wichtige Rolle spielen sollten, wenn es um Hinweise zu Veranstaltungen, Förderungen und den Zugang zu politischen Themen gehe. Er selbst ist durch Tipps seiner Lehrerin auf Veranstaltungen aufmerksam gemacht worden. In der Schule werde jeder erreicht, unabhängig vom Hintergrund.
Ob Politik nur was für Privilegierte ist? – Der Tenor unter den Teilnehmenden ist, dass auch wenn es Hürden gibt, die Chancen zur Teilhabe da sind – wenn man für ein Thema brennt, politisch interessiert ist und Willen zur Veränderung mitbringt.
Am 23. Februar 2025 stand Deutschland vor einer richtungsweisenden Entscheidung: der 21. Bundestag wurde gewählt. Nach dem Aus der Ampel braucht das Land dringend eine stabile Regierung, um wieder handlungsfähig zu sein.
Um diese Wahl für politikorange aus nächster Nähe zu betrachten, haben sich junge Journalist*innen aus allen Ecken Deutschlands vom 20.-24.02 in Berlin zusammengefunden. Davor haben Sie aus ihren Bundesländern berichtet und sich die Frage gestellt, was die Menschen dort vor der Wahl beschäftigt: von lokalen Möbelhäusern, die Stellen streichen müssen bis hin zu den Auswirkungen der Bezahlkarte für Geflüchtete in Bayern. Am Wahlwochenende waren unsere Redakteur*innen in Berlin unterwegs und widmeten sich Themen wie dem TikTok-Erfolg der Linken, dem Kampf um die Stimmen von Erstwähler*innen und der Frage, wie es mit dem Bürgergeld weitergehen könnte.
Freier, unabhängiger Journalismus ist wichtiger denn je – besonders in Zeiten von Rechtsruck und Desinformation. Ob Podcast, Reel oder klassischer Artikel: wir brauchen junge, kritische Perspektiven, die genau hinsehen und hinterfragen.
Wir wünschen euch viel Spaß beim Lesen, Schauen und Zuhören!
Politikorange-Redakteurin Nadgemi Bonanga hat zur Bundestagswahl 2025 mit jungen Menschen aus Hessen gesprochen und auch Politiker*innen befragt.
Die Statements der Jugend
Abgefragt wurden neben ihrem Bezug zu Hessen, Name und Alter diese beiden Fragen: „Was sind deine Hoffnungen und Wünsche für die Bundestagswahl?” und „Hast du Befürchtungen im Bezug auf die Bundestagswahl?”.
Das am meisten präsente Thema war der Rechtsruck und die potenzielle Beteiligung der AfD an der zukünftigen Regierung. Viele sind besorgt, dass die AfD nach der Wahl in der Regierung mitwirkt. Insbesondere befürchtet werden dauerhafte Grenzkontrollen, Konflikte, Ausgrenzung und oft fiel auch der Begriff Faschismus. Jemand schrieb: „Ich mache mir nicht nur Sorgen um meine eigene Zukunft und die meiner Familie, sondern auch um die der Überlebenden des Zweiten Weltkrieges, des Nationalsozialismus und des Holocaust. Wir sind es Ihnen schuldig, dass Deutschland sicher bleibt von jeglichem Extremismus. Mit meiner Expertise und den Aussichten, die ich habe, würde es mir leichter fallen, ein Leben im Ausland zu beginnen, als den Senioren Deutschlands. Es müssen keine KZ vor unserer Nase stehen, um Faschismus zu erkennen und dem entgegenzuwirken.“
Viele erhoffen sich auch eine hohe Wahlbeteiligung. “Ich hoffe, dass jeder wählen geht, denn das ist unsere Möglichkeit, Veränderungen in unser Land zu bringen. Nicht nur das. Auch ist es wichtig zu wissen, welche Entscheidung ich treffe, denn jede Stimme zählt.”
Zudem wird sich mehr Unterstützung von Kindern und Jugendlichen und ihrer Zukunft gewünscht. „Die Zukunftsperspektiven junger Menschen müssen endlich ernst genommen werden. Es reicht nicht, sie nur als Wähler*innen von morgen zu sehen – sie sind bereits heute ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Deshalb braucht es Beteiligungsformate, die Demokratie auf Augenhöhe vermitteln, echte Partizipation ermöglichen und Politik erlebbar machen. Junge Menschen müssen mitgestalten dürfen, unabhängig vom Wahlrecht. Politikerinnen sind in der Verantwortung, aktiv auf sie zuzugehen, zuzuhören und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Denn nur so schaffen wir eine Demokratie, die zukunftsfähig, inklusiv und lebendig bleibt!”
Weitere Themen, die eine Rolle spielten, waren: Lösungen für den demographischen Wandel finden, den Klimawandel stärker angehen, klares Einstehen für Freiheits- und Menschenrechte, Wohnungsknappheit angehen, Lebenshaltungskosten senken und wissenschaftlichen Fortschritt fördern.
Die Statements der Politik
Für ein Statement angefragt wurden hessische Politiker auf Bundesebene von den Parteien SPD, Bündnis 90/die Grünen, FDP, CDU, AfD und die Linke. Zwei Antworten kamen noch vor der Bundestagswahl zustande. Janine Wißler (Die Linke) äußerte sich folgendermaßen: “Es braucht eine Partei, die sich ohne Wenn und Aber auf die Seite der Beschäftigten, der Rentnerinnen und Rentner, der Alleinerziehenden und derjenigen stellt. Ich wünsche mir eine Bundestagswahl, bei der soziale Fragen wieder in den Mittelpunkt rücken. Wir kämpfen dafür, dass nicht weiter Milliarden für Aufrüstung verschwendet werden, während in Krankenhäusern Betten fehlen und Kitas geschlossen werden. Und stellen uns dem Rechtsruck entgegen – im Parlament und auf der Straße. Deshalb setzen wir auf einen klaren, kämpferischen Wahlkampf, der den Menschen eine echte Alternative zu Sozialabbau und Rechtsruck bietet. Kurz gesagt: Eine stärkere Linke im Bundestag bedeutet eine lautere Stimme für soziale Gerechtigkeit – und genau dafür kämpfen wir.“
Bettina Stark-Watzinger (FDP) setzte folgenden Fokus: „Ein Signal für Aufbruch und Erneuerung – das braucht Deutschland jetzt. Gerade Hessen als wirtschaftsstarkes, innovationsgetriebenes Bundesland ist auf eine neue Wirtschaftspolitik angewiesen. Wir müssen Unternehmertum erleichtern, Bürokratie abbauen und Zukunftsinvestitionen fördern. Aber ich bin frohen Mutes: Der Zuspruch auf Veranstaltungen ist groß. Viele Menschen wollen Veränderung und sehen, dass die FDP den Unterschied macht.“
Die AfD kommt an, vor allem bei immer mehr jungen Wähler*innen. Das hängt mit ihrem Erfolg auf den sozialen Medien zusammen, kommentiert Helin Topcu.
Social Media Apps auf einem Smartphone. Foto: Pixabay (Azan Kamolov)
Nach der Wahl ist vor der Empörung – zumindest in Hessen und Bayern: Mal geht es um das Versagen der Ampel-Koalition auf Bundesebene, mal um die mangelnde Führungskompetenz von Olaf Scholz als Bundeskanzler. Das alles sind Aspekte, die in der Debatte durchaus ihre Berechtigung haben, trotzdem sind sie eher Belange der aktuellen Legislaturperiode der Ampelkoalition. Im öffentlichen Diskurs liegt der Fokus schon lange auf den falschen Themen. In Talkshows wird nur an der Oberfläche der Ursachen gekratzt, statt den Eisblock des Rechtsrucks aufzubrechen. Dabei wäre das jetzt wichtig – vor allem mit Blick auf den Trend nach rechts bei Erstwähler*innen. Denn der hängt auch mit dem Erfolg rechter Parteien wie der AfD auf den sozialen Medien zusammen.
Durchschnittlich verbrachten die Deutschen 2017 über vier Stunden am Tag online und nutzten dazu meistens ihre Smartphones. Rund 33,4 Millionen Personen in Deutschland nutzen das Internet 2022 mehrmals täglich, rund 12,7 Millionen sogar fast die ganze Zeit. Doch welche Inhalte erreichen die User*innen da? Wie viele davon sind mit einer politischen Message versehen?
Wie Menschen an politische Informationen kommen, hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert: Früher war es üblich, die Nachrichten in der Tageszeitung zu lesen. Vor 10 Jahren, als immer mehr Menschen sich auf den sozialen Medien angemeldet haben, öffneten sich neue Foren und Räume für Diskussion und Dialog.
Digital Natives sind damit konfrontiert, ständig Stückchen von politisiertem Wissen mit sich in der Hosentasche zu tragen. Das beeinflusst ihr Verständnis von Demokratie und Politik: Ihre Geduld, Aufmerksamkeitsspanne und Frustrationstoleranz für Prozesse, die andauern und komplex sind, nimmt ab. Politische Informationen hauptsächlich aus den sozialen Medien zu beziehen, bedeutet, sich anhand von absichtlich verknappten Formaten sehr oberflächlich mit sehr viel zu beschäftigen.
Diese Reizüberflutung machen sich vor allem Parteien im rechten Spektrum zu Nutzen – und sie dringen damit durch. Menschen zu sich zu ziehen und sie auch zu behalten – Parteien wie die AfD haben modern informieren, polarisieren und isolieren verstanden. Auf ihrem TikTok-Account postet die AfD-Bundestagsfraktion kontextlose Ausschnitte aus Plenarsitzungen mit provokanten und polemischen Behauptungen in der Überschrift. So schreiben sie beispielsweise: „DIE AMPEL-REGIERUNG HASST DICH“, „GRÜNE ENDZEIT SEKTE“ oder „DIE LINKSGRÜNEN WOLLEN DEUTSCHLAND ABSCHAFFEN“ . Diese Überschriften sind auf jedem Video in der Profilansicht in Großbuchstaben mit ausdrucksstarken Emojis zu sehen. Sie regen zur Neugier und demnach dazu an, die Videos anzuschauen.
Wir denken, die Demokratie gepachtet zu haben, sie schon zu eigen gemacht zu haben. Doch das ist sie nicht, wenn wir sie nicht schützen, sowohl digital als auch analog. Meinungsbildende Prozesse sind schleichende und häufig unbewusste Prozesse. Im digitalen Zeitalter ist es für viele Menschen keine Option mehr, ganz ohne die sozialen Medien zu leben. Das ist legitim. Uns muss aber bewusst sein, wie die sozialen Medien unseren Demokratie- und Politikgedanken beeinflussen. Verschwimmende Frustrationsgrenzen sind bei all den Reizen und Inhalten, denen wir täglich ausgesetzt sind, nachvollziehbar. Aber an dem Punkt, an dem wir die Demokratie und die politische Landschaft nur noch verteufeln, sollten wir einen Schritt zurück machen und den Tab schließen und uns ein paar Fragen stellen: Hätte ich heute von allem mitbekommen, wenn ich nicht online gewesen wäre? Hätte ich mich darüber geärgert? Wie ausgeglichen war mein Feed heute? Wie vertrauenswürdig waren die Informationen, Quellen und Bilder? Zu welchen Ereignissen und Inhalten habe ich geprüft, was eigentlich an ihnen dran ist? Die Demokratie ist unser höchstes und schützenswertestes Gut, besonders in unserer immer digitaleren Medienlandschaft.
Disclaimer: Der Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin wider und nicht die der Projektpartner*innen des Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag 2023 (Jugendpresse e.V., Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Bundestag).
Ob in pulsierenden Metropolen oder abgelegenen Dörfern unseres Landes – Politik ist überall zu finden. Doch welche Beteiligungsmöglichkeiten bestehen vor allem für Jugendliche? Und sind sie in Stadt und Land gleich?
Bushaltestelle im Herbst. Foto: pixabay (MAILAI)
Politische Partizipation umfasst die Teilnahme an politischen Diskussionen, die Mitgliedschaft in Jugendorganisationen von Parteien, das Engagement in Bürgerinitiativen und Protesten, sowie die Nutzung von Sozialen Medien, um politische Meinungen auszudrücken und Veränderungen voranzutreiben.
Um herauszufinden, wie sich die Beteiligung von Jugendlichen in der Stadt und auf dem Land unterscheidet, wurden 9 Passant*innen im Alter von 16-25 Jahren in Berlin, Rheinland-Pfalz und dem Saarland befragt.
Engagement auf dem Land schwierig
Eine große Gemeinsamkeit der befragten Jugendlichen auf dem Land war, dass diese sich aufgrund der zu geringen Bandbreite an Jugendorganisationen von Parteien, wenig beteiligen. Stella aus dem Saarland sagt: „Ich finde es sehr schwierig, überhaupt in unserer Region außerhalb der etablierten Parteien wie CDU und SPD politisch aktiv zu werden, da das Angebot an anderen politischen Gruppierungen hier begrenzt ist.“ Diejenigen Jugendlichen, die sich engagieren, berichteten, es sei oft schwer, regelmäßig zu Parteitreffen und Sitzungen zu erscheinen. Dies liege auch an der fehlenden Infrastruktur in ländlichen Regionen. Es sei schwierig von A nach B zu gelangen.
Das bestätigt auch die jüngste Bundestagsabgeordnete Emily Vontz, die selbst aus einer ländlichen Gegend im Saarland stammt. Sie hätte als Bewohnerin eines kleinen Dorfes auch nicht immer die Chance gehabt, sich zu beteiligen: „Es ist total schwierig in höheren Ämtern von Jugendorganisationen mitwirken zu können, wenn man es aus zeitlichen Gründen nicht immer zu den Parteitreffen in die Städte schafft“, erinnert sie sich. „Ich habe dann erstmal versucht, mich in meinem nahen Umfeld zu engagieren und habe zum Beispiel bei der Bürgermeisterwahl ausgeholfen.“ Die Situation in der Stadt schätzt sie ähnlich wie die Befragten ein. In der Stadt sei die Bandbreite an Parteien viel größer. „Bei mir in der Heimat sind da eher nur zwei Parteien wirklich greifbar und aktiv“, so Emily Vontz.
Aktivismus in der Stadt hoch
Auch bei den Befragten in der Stadt spielte die Infrastruktur eine Rolle: Die gute Anbindung ermögliche es Jugendlichen, selbstständig politische Veranstaltungen zu erreichen. Diejenigen, die in der Stadt befragt wurden, sind überwiegend aktivistisch aktiv, zum Beispiel bei Fridays for Future, oder engagieren sich in Jugendorganisationen von Parteien. Einige der Befragten erzählten davon, regelmäßig Demonstrationen zu besuchen. „Ich denke, besonders in der Stadt hat man viel Zugang zu Politik und auch Jugendparteien. Da findest du an jeder Ecke eine andere Organisation“, sagte ein gebürtiger Hamburger in Berlin.
Eine Aussage war von mehreren der Befragten in der Stadt zu hören: In den Jugendorganisationen von Parteien hätten sie vermehrt „extreme“ Haltungen wahrgenommen. Deshalb seien sie auch bei keiner Partei. Auffällig ist, dass die befragten Bewohner*innen ländlicher Gegenden diese Beobachtung nicht gemacht haben.
Unterschiedlicher politischer Diskurs
Auf dem Land wurde die Dorf- und Kommunalpolitik sehr hervorgehoben. Diese fände meist „unmittelbar an den Menschen“ statt. Anna aus Rheinland-Pfalz empfindet das Landleben auch für den politischen Diskurs als positiv. „Es herrscht weniger Anonymität als in der Stadt, wodurch sich mehr unterschiedlichen Menschen zum Beispiel auf der Straße über Politik unterhalten. Das kann zu einer stärkeren Meinungsbildung führen.“, sagte sie.
Eher negativ wird in der Umfrage die oft fehlende Tiefe von politischer Partizipation von städtischen Bewohnern beleuchtet. Eine 21-jährige Berlinerin erklärte: „Die Menschen aus der Stadt verfügen meist über so eine Art Roundaboutwissen. Das wird dann oft nicht vertieft.“ Aufgrund der Anonymität in den Städten falle zudem eine Meinungsbildung, die auf anderen Meinungen basiere, schwer.
Eingeschränkte Vergleichbarkeit
Natürlich fällt die Kommunal- und Dorfpolitik im direkten Vergleich deutlich kleiner aus. „Der Vorteil dieser kleinen Politik ist, dass jeder in irgendeiner Weise einen Zugang dazu hat. Oft kennt man jemanden, der entweder im Dorf- oder Stadtrat ist, was einem natürlich das Gefühl von mehr Möglichkeiten der Beteiligung gibt“, sagte Paula aus dem Saarland. Über die kommunale Ebene hinaus habe man jedoch keine Chance.
Allgemein würden laut den befragten Jugendlichen in ländlichen Regionen jedoch viele Bürger*innen aufgrund von Unzufriedenheit gar nicht partizipieren. „Man hat das Gefühl, die Bundespolitik vergisst die ländlichen Regionen und führt eine Politik für die Stadt. Das 9-Euro-Ticket war das beste Beispiel dazu: Es sollte zur Entlastung für uns dienen und im Endeffekt hatte ich gar nichts davon, da hier nur vier Busse pro Tag fahren“, sagte eine Passantin aus dem Landkreis St. Wendel im Saarland. Andere Jugendliche sehen das ähnlich. Auch berücksichtige die Politik die junge Generation in Entscheidungen nicht ausreichend.
Wie geht es besser?
Emily Vontz hat einen Vorschlag zur Verbesserung: „Ich denke, dass Jugendparteien auch in Dörfern und Kleinstädten politische Partizipation attraktiver machen können, indem sie Veranstaltungen planen, die auch für Jugendliche interessant sind.“ Auch die Befragten aus Berlin und den ländliche Regionen in Rheinland-Pfalz und dem Saarland haben Verbesserungsvorschläge: Die Schulen sollten mehr Aufklärungsarbeit betreiben, um eine frühe Meinungsbildung zu fördern. Dadurch könne die politische Beteiligung zunehmen. In diesem Punkt waren sich ein 19-jähriger Berliner und eine 20-jährige Saarländerin einig. Ebenfalls ist von mehr Jugendpolitik die Rede. „Ich denke, das Augenmerk der Bundespolitik sollte auch wieder mehr auf uns, der Jugend, liegen. Immerhin sind wir die Zukunft“, so eine Jugendliche aus Stuttgart in Berlin. Die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung vieler Jugendlicher könne so verringert werden. Dadurch wachse auch die Begeisterung für Engagement im politischen Bereich.
Die geografische Herkunft von Jugendlichen beeinflusst zweifellos ihre politische Partizipation. Ob in Stadt oder in ländlichen Gebieten, junge Menschen tragen unterschiedliche Perspektiven und Herausforderungen in die politische Arena. Es liegt an der aktuellen Politik, diese Vielfalt wertzuschätzen und politische Partizipation für alle unabhängig von deren Herkunft sicherzustellen.
Die Mehrheit der Jugendlichen fühlt sich von der Politik nicht ausreichend berücksichtigt. Damit sich das ändert, muss es mehr Partizipationsmöglichkeiten geben, kommentiert Anne Wolff.
Symbolbild der Teilnehmenden des Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag 2023. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./Moritz Heck
66 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und 17 Jahren sagen, dass Politiker*innen ihre Wünsche und Anliegen bisher nicht ausreichend berücksichtigt haben. Das geht aus dem Kinderreport 2022 des Deutschen Kinderhilfswerks hervor. Und das, obwohl wir durchaus Lust haben, uns zu beteiligen: Der Wunsch nach politischer Partizipation wächst, wie die Shell-Jugendstudie aus dem Jahr 2019 zeigt. Während im Jahr 2002 nur 30 Prozent der Jugendlichen politisch interessiert waren, sagten im Jahr 2019 bereits 41 Prozent, dass sie beteiligt werden wollen.
Jugendliche unter 18 Jahren machen aktuell etwa ein Sechstel der deutschen Bevölkerung aus. Dass so viele von uns sich nicht beachtet fühlen, hängt damit zusammen, dass die meisten Erwachsenen nicht mit, sondern über uns und unsere angeblichen Probleme reden. Dabei sind wir die Politiker*innen von morgen und haben noch am längsten Zeit, die Zukunft zu gestalten. Wenn Erwachsene wollen, dass Jugendliche Vertrauen in die Politik haben, müssen sie uns mehr Möglichkeiten bieten, uns zu beteiligen.
Das sollte bereits im Kindesalter beginnen: Die Wahl eines Klassensprechers oder einer Klassensprecherin ist essentiell wichtig, um ein Verständnis von Demokratie und Verantwortung zu bekommen. Die Wahl des Mandats ist aber nur in vier Bundesländern ab der ersten Klasse verpflichtend; in allen anderen Bundesländern muss erst ab der dritten, vierten oder manchmal sogar erst ab der fünften Klasse gewählt werden.
Zudem wird Jugendlichen unter 18 Jahren in allen deutschen Bundesländern verwehrt, ein politisches Mandat im Kreis-, Stadt- oder Gemeinderat auszuüben. Das vermittelt den Eindruck, dass ein Sechstel der Meinungen unserer Gesellschaft egal ist. Warum sollen wir überhaupt unsere Meinung äußern, wenn sowieso andere Menschen über unser Leben bestimmen?
Ein besonders gutes Beispiel für fehlende Partizipationsmöglichkeiten und Bevormundung unserer Generation ist die Corona-Pandemie. Während wir allein in unseren vier Wänden saßen und uns gefragt haben, wann der Wahnsinn endlich ein Ende findet, haben “alte weiße Männer“ irgendwo im Land über unser Leben und unsere Einsamkeit entschieden. Niemand hat uns gefragt, was wir uns wünschen oder ob wir einen Vorschlag haben, wie unser Leben gerade gestaltet werden könnte. Auch unsere Lehrer*innen schwafelten nur über den schrecklichen Verlust unserer Jugend. Sie bemitleideten uns, aber fragten uns nicht nach Lösungen. Niemand wird jemals erfahren, ob ich vielleicht die ausschlaggebende Idee für eine Corona-geschützte Unterrichtsform gehabt hätte.
Die Beteiligung von jungen Menschen ist keine Frage finanzieller Mittel, sondern eine des politischen Willens. Es ist eine Ausrede, zu behaupten, dass wir erst die neuesten Laptops besitzen oder einen monatlichen Beitrag bezahlen müssen, um uns politisch zu beteiligen. Politiker*innen müssen ermöglichen, dass es auch ohne geht.
In jeder Schule sollte es eine Schüler*innenvertretung geben, die effektiv arbeitet und sich für die Anliegen, Wünsche und Sorgen der Schüler*innen einsetzt. Zudem sollte es regelmäßigen Austausch zwischen uns Schüler*innen und den Abgeordneten geben. Politiker*innen sollten uns fragen, was uns beschäftigt, was wir verändern wollen und wie sie uns dabei am besten unterstützen können. Diese Kooperation wäre eine einfache Form der Jugendpartizipation und sollte verpflichtend werden. Denn in meiner Heimat gibt es kein Jugendparlament oder Jugendbeirat. Die Abgeordneten meines Wahlkreises sind meine einzige Chance, etwas zu verändern.
Falls Jugendliche künftig nicht besser an der Politik beteiligt werden, bleiben ihre Probleme weiter liegen und werden nur von Generation zu Generation weitergegeben, während “alte weiße Männer” regieren. Denn es liegt nicht an uns Jugendlichen, dass sich die deutsche Politik nicht weiterentwickelt und es nicht mehr Partizipationsmöglichkeiten gibt, sondern an denen, die an der Macht sind. Die Einbindung von Jugendlichen muss ausgebaut werden, damit meine Generation zukünftig wieder mehr Vertrauen in die Politik hat.
Transparenzhinweis: Anne ist Schülersprecherin an ihrer Schule.
Disclaimer: Der Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin wider und nicht die der Projektpartner*innen des Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag 2023 (Jugendpresse e.V., Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Bundestag).
Die Welt ist manchmal überwältigend. Wenn man über den Rand seines gemütlichen Alltagslebens hinweg schaut, erblickt man überall Katastrophen und Krisen, die die Menschheit in die Knie zwingen. Wie viel kann ein Einzelner schon in Anbetracht der riesenhaften Herausforderungen schon bewegen? Die Konsequenz: Verzweiflung, Resignation, Ohnmacht. Rückzug in das eigene Schneckenhaus. Denn man kann ja eh nichts verändern. Aber stimmt das wirklich?
Wie mächtig ist der Mensch?
Um seine eigene Macht zu verstehen, muss man sich zunächst einmal als Teil eines mächtigeren Ganzen begreifen: Der Mensch bildet die Grundlage der Demokratie. Das versucht Ulrike Ahnert, Projektleiterin des „Demokratiemobils“, zu vermitteln mit Aufklärung und demokratischer Sensibilisierung. Mit einem umfunktionierten roten Löschfahrzeug und verschiedenen Aktionsspielen wird die Aufmerksamkeit der Menschen auf der Straße eingefangen. Man kommt mit Gleichaltrigen ins Gespräch. So erreicht man Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und jeden Alters – auch Jüngere. Niederschwellig und zugleich anspruchsvoll passiert hier politische Bildung. Und zwar parteineutral: Ohne namentlich für oder gegen konkrete Parteien zu werben, bezieht das Demokratiemobil Position – gegen Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit.
Aktiv werden
Bescheid wissen ist die Basis. Doch was fängt man an mit der neu erworbenen Aufgeklärtheit? Neben Wahlen stehen z.B. in Bayern auch Volks- oder Bürgerbegehren als besondere Partizipationsmöglichkeiten offen. Doch nicht für alle: Immer wieder wird über das Wahlalter ab 16 diskutiert. Kerry Hoppe, Co-Founderin von Vote16, wurde aktiv. Sie nutzte ihre demokratische Macht aus, um anderen zu mehr zu verhelfen: Mit anderen Engagierten rief sie das Volksbegehren 2022 ins Leben und macht das Thema „zu einer breitgesellschaftlichen Debatte“. „Wir leben mit den Entscheidungen von morgen immerhin am längsten.“, sagt sie.
Man kann das System nutzen, oder es selber gestalten – auch mit einem Einstieg in die Politik. Spezifisch für junge Menschen gibt es dazu die Jugendorganisationen der einzelnen Parteien. Kerry Hoppe selbst trat aus Frust über den Präsidentschaftswahlkampf 2016 in den USA den Jungen Liberalen bei. Ganz ohne die ursprüngliche Intention, „da so wahnsinnig viel zu machen“, bringt sie sich (unbemerkt) mehr und mehr ein. Dieses Jahr, 2023, kandidiert sie für den Landtag.
Es gibt mehr Beispiele: Katharina Sparrers Weg führt sie vom Gedanken „Klimakrise… Alles furchtbar.“ bis zur Bayernsprecherin der Grünen Jugend. In ihrem Dorf fehlt das Angebot, deswegen schafft sie es kurzerhand selbst: 2020 gründet sie eine eigene Ortsgruppe. Der Wunsch aktiv zu werden, treibt auch ihre Co-Sprecherin Eva Konen an. Doch trotz der reichhaltigen Auswahl in ihrer Stadt, muss sie erst einmal genug Selbstbewusstsein aufbauen, um einen Anschluss zu finden. Die Wertschätzung, die sie bei einer Ortsgruppe der Grünen Jugend erfährt, bestärkt und überzeugt sie, weiterzumachen. Für sie liegt die Macht darin, sich zu vernetzten. Gemeinsam schaffe man es, negative Gefühle in etwas Konstruktives umzuwandeln.
Kontrolle von außen
„Den Mächtigen auf die Finger schauen“, wie es der Journalist Fabian Mader beschreibt, ist auch eine Chance, seinen eigenen Einfluss zu begreifen. Für ihn ist Macht eine falsche Motivation, aber er erkennt die Wirksamkeit, die die „Medien als Gesamtes“ haben, an. Aus diesem Grund legt er viel Wert auf journalistische Standards. Als Sprachrohr aller müsse man stets auch die Gegenseite zu Wort kommen lassen. „Journalismus profitiert von jungen Menschen.“ Man könne von ihnen lernen, sagt er. Wenn die Entscheidungsträger*innen gegen die eigenen Vorstellungen handeln, bleibt noch die Machtform des Protests, um Kontra zu geben. Dabei sei Aktionskonsens von Bedeutung, finden die Sprecherinnen der Grünen Jugend, zum Beispiel strikte Gewaltlosigkeit. Die Protestform muss auch strategisch sinnvoll sein.
Die Teilhabe an Demokratie ist vielfältig: Politische Bildung macht den Menschen bewusst, wie viel Macht sie in der Hand halten; Volksbegehren bringen die ganze Gesellschaft ins Gespräch; das gegebene oder fehlende Angebot bringt Menschen aus der Ohnmacht zum Handeln; die Medien und Demonstrationen erhalten die Macht der Meinungsfreiheit.
Wie mächtig ist der Mensch also nun? In einer Gruppe mächtiger.