Wenn junge Menschen auf die Straße gehen, sind sie auch angewiesen auf die Berichterstattung über ihren Protest. Allerdings richten sich die Medien auf ein Publikum mittleren und höheren Alters – und das ist ein Problem. Ein Kommentar von Sophia Abegg.
Auf einem Demo-Plakat steht geschrieben: “Warum für die Zukunft lernen, wenn ihr sie zerstört?”. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./Moritz Heck
Die britische Tageszeitung „The Guardian“ hat vor Kurzem eine Recherche veröffentlicht, die eine neue Dimension in der Debatte um die Klimaproteste junger Menschen eröffnet hat. Der „Guardian“ kritisiert darin zwar vor allem die strafrechtliche Verfolgung friedlicher Proteste als staatliche Einschüchterung, allerdings lässt sich die problematisierte Taktik in Teilen auch auf die mediale Rezeption von Protesten junger Menschen übertragen.
Denn was mit „Fridays for Future“ 2019 begann, wird 2023 mit der selbsternannten „Letzten Generation“ fortgeführt: Die politische Stimme junger Menschen wird von der Darstellung ihres Protestes in einigen Medien dominiert. Diese sind allerdings auf ein Publikum mittleren und höheren Alters zugeschnitten – und das ist ein Problem.
Wie sehr einige Medien die politischen Anliegen junger Menschen verzerren, zeigt sich besonders deutlich bei der Berichterstattung über Protestbewegungen. Denn die Redaktione n thematisieren dabei zum Teil nicht etwa den eigentlichen Zweck der Proteste. Vielmehr machen sie den Protest junger Menschen zum Objekt oberflächlicher Abhandlungen über die gewählte Protestform. Wenn die Überschriften nicht mehr „Schüler streiken fürs Klima“ heißen, sondern „Sollen Schüler während des Unterrichts demonstrieren?“, kommt die Berichterstattung an einen kritischen Punkt. Schließlich missachten die betreffenden Journalist*innen damit die Verzweiflung der jungen Generation und setzen die Debatte um ein gesellschaftlich relevantes Thema auf die Ebene der Banalität herab.
Natürlich gehört es zur Aufgabe der Journalist*innen, das Zeitgeschehen zu durchleuchten und auch kritisch zu hinterfragen. Trotzdem würde es der Demokratie gut tun, wenn einige Medien ihre Rolle als Kontrollorgan noch stärker selbst reflektieren würden. In Anbetracht der medialen Kritik an den Strukturen der „Fridays for Future“-Bewegung zu ihren Anfangszeiten oder der selbsternannten „Letzten Generation” seit Beginn dieses Jahres, ist es von größter Bedeutung, dass Medien ihre Verantwortung gegenüber der jungen Generation gerecht werden. Jugendliche haben ihm Vergleich zu älteren Generationen nur wenig Möglichkeiten zur direkten politischen Partizipation. Deshalb ist es äußerst notwendig, dass Medien mit ihrer Berichterstattung jungen Menschen keine weiteren Hürden auf dem Weg zur politischen Teilhabe setzen, indem sie deren Forderungen in einem solchen Stil übergehen.
Anstatt die Protestierenden in einen Teufelskreis aus Aufmerksamkeit in Abhängigkeit zur Schlagzeilenreife der Protestaktionen zu verwickeln, sollten Medien eher vermitteln – und zwar nicht nur zwischen Politiker*innen und der Öffentlichkeit, sondern stärker auch zwischen den Generationen. Die teilweise einseitig perspektivierte Berichterstattung von Alt zu Alt, und auch von Jung zu Jung hat ausgedient. Stattdessen ist es Zeit für den gewagten, aber lohnenden Sprung in den Austausch von Alt zu Jung und Jung zu Alt.
Junge Menschen brauchen Plattformen, auf denen sie ihre Themen nicht nur mit Gleichaltrigen austauschen, sondern gezielt älteren Generationen nahebringen. Eine Möglichkeit wären neue Formate, in denen junge Menschen ihre Anliegen vortragen können. Gleichzeitig könnten Redaktionen die Meinungen und Themen junger Menschen stärker in bereits bestehende Formate einbinden. So kann sich die Berichterstattung von der Bevormundung junger Menschen lösen und ihren Teil zur demokratischen Ermächtigung junger Generationen beitragen. Gleichzeitig wäre es ein Startschuss für einen gegenseitigen Lern- und Lehrprozess, der für die gesamte Gesellschaft von Vorteil wäre.
Disclaimer: Der Beitrag spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin wider und nicht die der Projektpartner*innen des Jugendmedienworkshops im Deutschen Bundestag 2023 (Jugendpresse e.V., Bundeszentrale für politische Bildung, Deutscher Bundestag).
In den meisten Bundesländern darf nur wählen, wer schon 18 Jahre alt ist. Und das wird schon lange – oft hitzig – debattiert. Fest steht: Ein auf 16 Jahre abgesenktes Wahlalter macht es für Jugendliche möglich, aktiv an der Politik teilzunehmen. Doch würden die jungen Menschen diese Möglichkeit überhaupt nutzen?
Das Bild zeigt eine Hand vor einem eintönigen Hintergrund. Der Zeigefinger ist ausgestreckt und an der Spitze klebt ein runder Sticker mit der Aufschrift „I Voted“. Foto: Unsplash (Parker Johnson)
Politikmüde oder hellwach?
Häufig wird Jugendlichen eine gewisse Politikverdrossenheit vorgeworfen, die wiederum die Partizipation an der Politik hemmen würde. Der Politikwissenschaftler und Wahlforscher Prof. Dr. Thorsten Faas sieht diese weit verbreitete Annahme jedoch kritisch: „Wer von einer völligen Abkehr von der Politik spricht, zeichnet ein falsches Bild der heutigen Jugend“, so Faas. Zwar würden sich junge Menschen nicht mehr in der Selbstverständlichkeit, wie das vielleicht früher einmal der Fall gewesen sei, für Politik interessieren, das politische Interesse sei aber nicht geringer als bei der älteren Generation.
Trotz Interesse an Politik spricht sich laut Umfragen nur eine knappe Mehrheit dafür aus, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Und auch das allgemeine Interesse an politischem Engagement hält sich unter jungen Menschen in Grenzen: Im Rahmen von Studien des Deutschen Kinderhilfswerk e.V. gaben 33% der Befragten im Alter von 16 bis 17 Jahren an, Mitbestimmung vor Ort oder politische Mitwirkung, zum Beispiel in Projekten, interessiere sie überhaupt nicht.
Wahlalter-Reform als Lösung?
Auch gesamtgesellschaftlich lassen sich keine klaren Tendenzen erkennen. Seit 1987 liegt die Wahlbeteiligung in Deutschland meist unter 80 Prozent der Gesamtbevölkerung, bei der letzten Bundestagswahl lag sie bei 76,6 Prozent. Bei Kommunal- oder Landeswahlen fällt diese in der Regel geringer aus. Wie eine Wahlaltersenkung auf 16 Jahre die Wahlbeteiligung langfristig beeinflussen würde, ist allerdings umstritten.
Für viele liegt dennoch nahe: Um junge Menschen stärker in der Politik zu repräsentieren, sollten auch 16- und 17-Jährige wählen dürfen. In einem Großteil der Bundesländer dürfen Jugendliche ab 16 Jahren bereits ihre Stimme abgeben. In Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen und Hamburg gilt das bereits für Landtagswahlen. Und auch bei der Europawahl 2024 wird ein Wahlrecht ab 16 gelten. Schließlich wirken sich Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, auf die Zukunft der Jugendlichen aus. Das Bundesjugendministerium[1] setzt sich deshalb dafür ein, das junge Menschen in der Politik Initiative ergreifen und aktiv Verantwortung übernehmen können.
Bündnis für das Wahlalter 16
Das bayerische Volksbegehren „Vote16“ hat sich das Ziel gesetzt, jungen Menschen bundesweit die Möglichkeit zu eröffnen, in der Politik mitzuwirken. Für die Beteiligten steht fest: die Senkung des Wahlalters bleibt der direkte Weg zu mehr politischer Partizipation junger Menschen. Die Erfahrung aus Bundesländern und Staaten, die bereits das Wahlrecht auf Jugendliche ab 16 Jahren ausgeweitet haben, zeigt auch: Die Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen übertrifft signifikant die der 18- bis 21-Jährigen. Der Organisation Vote16 zufolge spiele hier vor allem das eher soziale Umfeld, von Ausbildungs- oder Studienbeginn bis hin zu Berufseinstieg, eine große Rolle.
Auch eine frühe Erstwahlbeteiligung ist für Vote16 von großer Bedeutung: „Wer beim ersten Mal wählen geht, wird mit einer hohen Wahrscheinlichkeit auch langfristig als Wähler*in in der Demokratie partizipieren“, heißt es in einem Statement der Organisation. Um für Deutschland nach und nach eine höhere Wahlbeteiligung zu erreichen, schlägt Vote16 vor, die Wahlalterssenkung als strategischen Hebel der gesamten Wahlbeteiligung zu nutzen. Außer Zweifel steht: Die Debatte rund um eine Wahlalter-Reform wird nicht nur die Politik, sondern auch ganz Deutschland noch lange beschäftigen.
[1] Der vollständige Name des Ministeriums lautet Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)
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