Die Ursachen zu ergründen, ist ein notwendiger nächster Schritt. Die Motive der Bundesregierungen müssen beleuchtet werden und die Hintergründe und gegebenenfalls politisch-ökonomischen Zwänge nachgezeichnet werden, die dieses Bekenntnis zur Kriegstreiberei in der Vergangenheit unterfütterten. Dafür ist es notwendig, die Beziehungen Deutschlands zu den Empfängerländern der Rüstungsgüter zu betrachten.
Empfängerländer 1: Die Arabische Halbinsel – Energie als Druckmittel
Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate verfügen über den geographischen Vorteil eines hohen Öl- und Gasvorkommens. Im Frühjahr 2022 sorgte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für Schlagzeilen, als er sich nahezu unterwürfig vor dem katarischen Emir verneigte. Anlass hierfür war der deutsche Abkapselungsversuch von russischen Gasimporten als Antwort auf die Ausweitung des Krieges Russlands in der Ukraine. Deutschland begibt sich demnach in die Abhängigkeit des autokratisch diktierten Katar.
Der Reichtum an Öl- und Gasreserven gestaltet sich somit als wirksames Druckmittel und kann mit politischem Kalkül von den Staaten der arabischen Halbinsel entsprechend eingesetzt werden, um ihre nationalen Interessen in der Geopolitik durchzusetzen. (Voneinander abweichende nationale Interessen sind in einer zunehmend multipolaren Welt, in welcher der Westen nicht mehr allein die Spielregeln diktiert, sehr relevant.)
Die Konsequenz dieser prekären asymmetrischen Handelsbeziehung ist eine notwendige Kulanz, was die menschenrechtlichen Eskapaden der arabischen Staaten betrifft. Wie rasant und verheerend diese Beziehungen kippen können, verdeutlicht die durch das Aufkündigen der russisch-westlichen Beziehungen verursachte Energiekrise. Gute diplomatische Beziehungen zu den öl- und gasreichen arabischen Staaten stellen einen durch Abhängigkeiten im Energiesektor bedingten ökonomischen Zwang dar.
Empfängerländer 2: Die Türkei – NATO, Migration
Auch die Türkei bezog für den von Präsident Erdogan ausgefochtenen rassistischen Kampf gegen die kurdische Minderheit diverse Rüstungsgüter. Der seit 2002 zunehmende Einfluss des türkischen Staatsoberhaupts ebnet den Weg zu einem mehrheitlich diktatorischen Regime, welches sich seiner demokratischen Elemente entledigt. Trotzdem sind die Beziehungen zu NATO-Mitglied und Handelspartner Türkei nach wie vor intensiv.
Seiner geographische Lokalisation nach zählt der mediterrane Staat am Bosporus prinzipiell zum Nahen Osten. Religion und Kultur legen dies nahe. Jedoch orientiert sich die Türkei mehrheitlich an ihren westlichen Nachbarn, eine Tradition, die auf den Gründervater Mustafa Kemal „Atatürk“ zurückgeht. Diese identitäre Zugehörigkeit illustriert beispielhaft die bereits erwähnte Zugehörigkeit zum westlichen Verteidigungsbündnis NATO. Der Türkei kommt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle zu, da sie den strategisch relevanten Übergang zum Schwarzen Meer kontrolliert, was ihr ein gewisses politisches Privileg in Form eines Druckmittels auf diplomatische Beziehungen verleiht.
Auch hinsichtlich der schwelenden Migrationsfrage, welche sowohl die europäische Innen- als auch Außenpolitik massiv unter Druck setzt, übernimmt die Türkei eine zentrale Rolle. So erlaubte das Migrationsabkommen von 2016 zwischen Deutschland und der Türkei eine effektive Unterbindung der Einreise von Geflüchteten.