Kann Feminismus selbst diskriminierend sein? Menina Ugwuoke findet schon. Im Interview spricht die Wissenschaftlerin über die Grenzen von Mainstream-Feminimus und bessere Alternativen.

Referentin Menina Ugwuoke (Foto: Jugendpresse Deutschland/Katja Sivacheva)
Menina Ugwuoke verteilt Postkarten auf einem Tisch. Die braucht sie später für ihren Workshop, den sie dieses Jahr bei den JugendPolitikTagen hält. Ugwuoke ist Doktorandin an der Universität Münster und arbeitet für verschiedene Organisationen zu den Themen Rassismus, Feminismus und Intersektionalität. In dem Workshop, den sie leitet, wird es um intersektionalen Feminismus gehen. Für politikorange hat sie sich kurz Zeit genommen, um über das Thema zu sprechen.
politikorange: Frau Ugwuoke, was ist überhaupt intersektionaler Feminismus?
Menina Ugwuoke: Intersektionaler Feminismus versucht, alle Diskriminierungserfahrungen mitzudenken, nicht nur die von weißen Mittelklassefrauen. Ich kämpfe also dafür, dass alle Menschen frei sind und nicht nur eine einzelne Gruppe.
Neben dem intersektionalen wird in diesem Zusammenhang oft von „weißem Feminismus“ gesprochen.
Weißer Feminismus ist für mich nicht nur auf Weißsein beschränkt, er ist für mich vor allem Sinnbild für einen beschränkenden Feminismus. Damit ist ein Feminismus von weißen Frauen für weiße Frauen gemeint, in dem Themen wie Migration, Klassismus oder Ableismus vernachlässigt werden. Intersektionaler Feminismus ist einfach eine bessere, korrektere Form von Feminismus. Weißer Feminismus ist für mich eigentlich gar kein Feminismus.
Welche Perspektiven werden denn im weißen Feminismus vergessen?
Als Juristin denke ich da zuerst an Sexualstrafrecht. Weiße Feministinnen fordern oft, dass alle Sexualstraftaten härtere Strafen nach sich ziehen und konsequenter verfolgt werden müssen. Grundsätzlich bin ich natürlich auch dafür, dass Sexualstraftaten konsequent verfolgt und überhaupt als Straftaten wahrgenommen werden. Aber dabei werden oft die negativen Folgen für migrantisierte und prekär lebende Personen ausgeblendet.
Die wären?
Das Sexualstrafrecht ist eng mit dem Aufenthaltsrecht verknüpft. Das kann für Menschen, die keinen sicheren Aufenthaltsstatus haben, bedeuten, dass höhere Strafen gefordert werden, weil die Person dann leichter abgeschoben werden kann. Migrantisierte Personen trauen sich wiederum oft nicht, Anzeige zu erstatten, weil sie nicht wollen, dass der Täter abgeschoben wird. Solche Verknüpfungen werden oft nicht erkannt oder missachtet.
Welche Reaktionen begegnen Ihnen, wenn Sie Rassismus in feministischen Räumen ansprechen?
Die prägendste Erinnerung war, als ich auf einer Konferenz das Thema Intersektionalität eingebracht habe und dann von einer weißen Frau gesagt wurde, ich würde nur für den Feminismus kämpfen, der mich etwas angeht. Das war wohl das deutlichste und problematischste Statement dazu. Oft wird Intersektionalität außerdem als Identitätspolitik und als zu wenig radikal abgetan. Nach dem Motto, das ist nicht genug Kapitalismuskritik, ihr macht alles nur für Schwarze Frauen.
Wir haben viel über den Mangel an Intersektionalität gesprochen. Aber Diversity und auch Intersektionalität sind mittlerweile durchaus im Mainstream-Feminismus angekommen. Werbekampagnen werden immer vielfältiger, Unternehmen auch. Ist das nicht gut?
Ja, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Ich glaube, Repräsentation und Auseinandersetzung ist grundsätzlich wichtig. Aber wenn etwas im Mainstream ankommt, ist das oft ein Zeichen dafür, dass es entpolitisiert wurde und nicht mehr so radikal ist. Deshalb würde ich sagen, eine verkürzte Version von diesen Theorien kann teilweise sogar schädlich sein. Es wird dann gesagt, wir sind divers aufgestellt, wir haben hier eine Schwarze Frau an der Macht, wir haben hier eine trans Frau. Aber wenn das selbst Personen sind, die konservative Werte weiter vermitteln, dann kommen wir auch nicht weiter.