Dürren, Starkregen, Ernteausfälle und steigende Lebensmittelpreise zeigen längst: Unser Ernährungssystem befeuert nicht nur die Klimakrise, sondern ist auch besonders stark von ihren Folgen betroffen.

Die Landwirtschaft und Klimawandel sind eng miteinander verflochten. Sophie Hamm geht in einem Workshop auf das Thema genauer ein. (Foto: Jugendpresse Deutschland/Caroline Sauter)
Sophie Hamm von der Agrar Koordination leitete bei den JugendPolitikTagen 2025 einen Workshop über den Zusammenhang zwischen Ernährung, Klima und globaler Ungleichheit. Sie diskutierte mit jungen Menschen über Handlungsmöglichkeiten und Konsequenzen für unsere Umwelt– und darüber, warum sich Engagement lohnt.
politikorange: Frau Hamm, wieso sind Ihnen die Themen Klimawandel und Landwirtschaft so wichtig?
Sophie Hamm: Ich liebe diese Themen, weil sie uns alle betreffen: Beides sind Dinge, die uns tagtäglich in irgendeiner Form beeinflussen. Wir leben in einer Welt, haben ein Klimasystem und brauchen nun mal Essen. Das sind zwei Systeme, die so wichtig sind, aber auch so schief liegen, dass ich mich dafür begeistere.
Schon jetzt ist die Landwirtschaft für 18,4 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wohin bringt uns die Art und Weise, wie wir im Moment Landwirtschaft betreiben?
Wir würden den Boden verlieren. Wir würden die Grundlage unseres Lebens verlieren und damit auch unser Leben selbst. Unser Boden ist eine wertvolle Ressource und die Grundlage von Landwirtschaft und Essensproduktion. Wir beuten diese auf vielerlei Ebenen aus.
Welche Folgen hat das für den Klimawandel?
Wir würden die Klimakrise weiter anheizen, weil wir hohe Treibhausgasemissionen ausstoßen. Auf globaler Ebene ist die Landwirtschaft einer der größten Emittenten. Wenn wir die Landwirtschaft in diesem Maße beibehalten und immer weiter ausbauen, dann würde der Anteil der Landwirtschaft an den gesamten Emissionen weit über 50 Prozent hinausgehen. Die Folgen wären Dürre, Extremwetterereignissen, Wasserknappheit und Überschwemmungen. Damit würden wir unsere Umwelt destabilisieren und nicht nur ihr in massivem Umfang schaden, sondern auch Kriege weiter anheizen.
Ausfälle in der Ernte und Versorgungsschwierigkeiten wirken als Katalysator für Kriege und Konflikte. Ein ganz prominentes Beispiel ist hier Syrien. Dort entfaltete sich die größte Dürre seit vielen Jahren, die Konflikte zwischen den Akteuren weiter provoziert hat. Diese Phänomene werden in Zukunft immer häufiger auftreten und uns auch hier in Europa und Deutschland erreichen.
Wie müssen wir die Landwirtschaft gestalten, um solche Szenarien zu verhindern?
Wir müssen wegkommen von konventioneller, hochindustrialisierter Landwirtschaft, die unsere Böden ausnutzt und nicht aufbaut, die klimaschädlich ist, unsere Umwelt und die Biodiversität zerstört. Dadurch entsteht vor allem Unsicherheit – und was wir jetzt brauchen, ist Sicherheit.
Wir müssen viel dezentraler werden und das Machtgefälle im globalen Norden hinterfragen. Wir müssen dezentrale und lokale Systeme installieren und aufhören, Neokolonialismus zu betreiben. Wir müssen regional anbauen und diese Güter dann umverteilen. Wir brauchen eine regenerative, vielfältige, kleinteiligere Landwirtschaft mit Bodenaufbau, weil das das Einzige ist, was zukunftsfähig ist.
Wieso gehen wir diesen Weg nicht schon?
Es ist ganz interessant, da wir ja aus evolutionärer Perspektive als die intelligentesten Wesen dieser Erde gelten. Wir sind auch sehr intelligent, aber wir sind nicht so klug. Klugheit ist etwas anderes als Intelligenz in dem Sinne, dass man auf Erfahrungen basierend, lebensnah und zukunftsorientiert handelt. Es gibt große, machtvolle Akteure, denen es nicht darum geht, lebensorientiert, solidarisch und zukunftsfähig zu handeln, sondern die ihren Profitsteigern wollen. Dieser Profit ist aber sehr kurz gedacht und endlich.
Die Problematik zeigt sich auch im kulturellen Diskurs. In Deutschland gibt es nun mal einen hohen Fleischkonsum und es gibt unglaublich viel Massentierhaltung, die verwerflich ist – nicht nur ethisch, sondern auch klimatologisch und ökologisch. Wir machen aber trotzdem weiter. Damit sich das ändert, müssen wir am gesellschaftlichen Diskurs arbeiten.
Welche Änderungen muss es auf internationaler Ebene geben?
Auf EU-Ebene muss die gemeinsame Agrarpolitik dringend reformiert werden. Es gibt so viele Verbände, die seit Jahrzehnten dafür kämpfen, dass auch nachhaltige landwirtschaftliche Ansätze durch europäische Mittel finanziert werden können. Global sehen wir die großen Global Player wie die Chemie- und Nahrungsmittelindustrien, die die Menschheit und die Natur durch ihr Handeln zerstören und zum eigenen kurzfristigen Profit wirtschaften. Diese müssten gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Es gibt auch bei Gesetzesverstößen kaum Konsequenzen.
Was können wir als Zivilgesellschaft und besonders wir als junge Menschen für eine Veränderung in der Landwirtschaft tun?
Ich möchte die Problematik ungern individualisieren, denn das ist auch, was die großen Konzerne machen, um sich selbst aus der Verantwortung zu ziehen. Den größten Einfluss haben die Industrie und die Politik. Die müssten sich ändern. Allerdings basiert dieses System auch auf uns. Ich bin hier, weil ich Menschen ermutigen will, sich einzumischen und zu hinterfragen. Sie sollten auch in kritischen und unbequemen Momenten Haltung zeigen. Unsere Macht ist gering, aber nicht null.