Global Gender Backlash – Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sucht frau nach Lösungen

Politik

„I was labeled a woman as if it was criminal to be a woman in politics​“, erzählt Natasha Akpoti-Uduaghan, Senatorin der Nationalversammlung Nigerias, auf dem Podium. Die Münchner Sicherheitskonferenz will inklusiver werden und Frauen aus aller Welt Gehör verschaffen.

Fördert Antifeminismus diktatorische Strukturen? Auf der MSC sprechen Politikerinnen über den Zusammenhang von Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit. Foto: v.l.n.r. Hadja Lahbib, Vjosa Osmani, Sanam Naraghi Anderlini, Natasha Akpoti-Uduaghan, Sanna Marin. MSC/Reinhardt

Unterdrückung und Ungleichbehandlung sind Mechanismen in autoritären Regimen, unter denen vor allem Frauen leiden. Die MSC beschäftigt sich mit dem so genannten „Global Gender Backlash“ – der globalen Reaktion auf Geschlechtergerechtigkeit durch antifeministische und antidemokratische Bewegungen – mit globalen Perspektiven verschiedener Politiker*innen auf Frauenrollen in Gesellschaft und ihrer Wichtigkeit, wenn es um Krieg und Frieden geht.

Welche Stellschrauben gibt es, an denen gedreht werden muss, um global einem „Backlash“ entgegenzuwirken? Und wie erfolgreich ist das Women Parliamentarians Program 2025?

Die Moderatorin Sanam Naraghi Anderlini, die selbst Gründerin und Geschäftsführerin des „International Civil Society Action Network“ ist, diskutiert mit Akpoti-Uduaghan die Bedeutung von Ungleichbehandlung in Nigeria für internationale Politik und Frieden. ​​Sanna Marin, die ehemalige Ministerpräsidentin Finnlands, Vijosa Osmani, Präsidentin des Kosovo und Hadja Lahbib, die ehemalige Außenministerin Belgiens, sind weitere Gästinnen auf dem Panel. Ihr Thema: „Nevertheless, She Persisted: Facing the Global Gender Backlash.“

Was tun, ohne etwas angetan zu bekommen?

Anderlini wird im Laufe des Gesprächs mit Blick auf ihr Heimatland Syrien, aber auch mit Blick auf die Welt sagen: „If suppression on women didn’t exist it would just be a normal dictatorship.“ Mit anderen Worten: In autoritären und diktatorischen Strukturen wird die Aufmerksamkeit hin zu Nebenschauplätzen gelenkt. Autoritäre Bewegungen würden sich, so Anderlini, beispielsweise nicht auf große Sicherheitsangelegenheiten konzentrieren, dafür aber Menschen einschränken und ihren Fokus darauf legen, was Frauen tragen und wie sie sich verhalten dürfen. Männer würden die Mechanismen oft nicht erkennen.

Es brauche Courage, doch diese können auch mit Gewalterfahrung und Unterdrückung einhergehen. Ein Teufelskreis entsteht: Aufstehen gegen die Unterdrückung und Gewalt, die man oder in diesem Fall frau dadurch aber wieder in Kauf nimmt. Wie für Veränderung und mehr Menschenwürde sorgen, ohne dabei unsere Kämpfer*innen im Stich zu lassen?

Eine wirkliche Lösung gibt das Panel nicht her. Vielleicht sollte das aber auch nicht der Anspruch sein, den wir an ein einziges Gespräch, eine Fünferrunde auf der Münchner Sicherheitskonferenz, haben sollten. Denn die Zeit und Ressourcen müssen ausgebaut werden, um systematische Erfolge in diesem Kampf zu erzielen.

Gesprächszeit begrenzt

Einen ersten Schritt zu mehr Courage geht die MSC mit dem Womens Parlamentarian Program, dank dem jüngere oder weniger prominente Politikerinnen aus verschiedensten Ländern an Panels teilnehmen können. Das ist eine schöne Geste und sicher hilft es, mitreden zu können. Aber wirkliche politische Macht muss auch langfristig etabliert werden. In einem Panel zur Polarisierung der heutigen Welt waren zwei Gästinnen des Women of Parliament Programs anwesend, beide Mitglieder in Gremien des eigenen Landes. Die dritte Gästin war teil des Munich Young Leaders Program, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, gerade aus globalem Süden und unterrepräsentierten Ländern Vertreter*innen zu fördern und ihnen eine Stimme zu verleihen. Zuletzt nahm auch die belarussische Oppositionelle Sviatlana Tsikhanouskaya teil. Alle vier hatten existentielle Anliegen, für die kaum genug Raum war.

Gekommen, um zu diskutieren, sollen die Rednerinnen „New Solutions in a Polarized Century“ finden, werden aber vorrangig nach Lob gefragt. Foto: v.l.n.r. Elena Motta, Ultaara Mootu, Aleksandra Uznańska-Wiśniewska, Sviatlana Tsikhanouskaya und Benedikt Franke. MSC/Berchtold

Es hat einen Beigeschmack als der Moderator und stellvertretender Vorsitzender der MSC Benedikt Franke als einziger Mann in der Talkrunde „New Solutions in a Polarized Century“ das Gespräch damit beginnt, dass er die Gäst*innen vier „ganz wundervolle Frauen“ nennt und ankündigt, mit ihnen über Krisen zu sprechen, über die sie reden wollen. Denn abgesehen davon, dass eine Moderatorin ihre Gäste vermutlich nicht als „vier wundervolle Männer“ begrüßt, sondern ihre Tätigkeit oder Rolle beschrieben hätte, kommt Zweifel auf, ob die Themen wirklich Gehör fanden.

So sprach Ultaara Mootu als Mitglied des Namibischen Parlaments über Ungleichheit, auch Entwicklungsländer betreffend und wie diese durch den Klimawandel massiv beschleunigt und verstärkt würde. Sie verlangte mehr junge und diversere Stimmen in der internationalen Politik. Elena Motta, Teil des Kongresses von Guatemala, warnt davor, vergangene Fehler des zwanzigsten Jahrhunderts zu wiederholen und bewertet die aktuelle Weltlage als Ausdruck einer intergenerationalen Krise, in der die Generationen einander aus den Augen verlieren und so nicht voneinander lernen.

Ideen zum Weiterdenken oder Liegenlassen?

Substanzielle Probleme, die in vier verschiedenen Ländern unterschiedlicher nicht sein könnten, werden in einen einzigen Gesprächskreis gezwängt und danach, so scheint es, unbearbeitet liegen gelassen. Zichanouskaja bittet um eine Hilfe, Belarus an Europa zu orientieren und zu integrieren, damit es unabhängig vom Kreml Demokratie zurückgewinnen kann. Mootu weist auf die Arbeitslosigkeit in ihrem Land hin und auf ineffiziente oder unzulässige Hilfen von beispielsweise der EU. Gleichzeitig wurden aber die Vorteile der unterschiedlichen Programme für weibliche und junge internationale Stimmen nie zu kurz erwähnt. Es kann gefährlich sein, sich für einen Erfolg auf dem Papier zu feiern, wenn dieser nur eine Stellschraube ist und für den Erfolg noch der Rest fehlt.

Dabei sind die Vorschläge und Ansätze der Redenden in jedem Fall eine Notiz wert. Aleksandra Uznańska-Wiśniewska, Mitglied des polnischen Sejm-Parlaments, identifiziert eines unserer Probleme mit dem weltweiten Extremismus und dem Wachstum extremer politischer Kräfte, indem sie sagt, Demokratie sei für junge Menschen mittlerweile einfach nicht mehr gleich attraktiv. Sie plädiert, diverse Bevölkerungsgruppen mit einzubeziehen, damit sich die Menschen wieder mit der Politik identifizieren können. Uznańska-Wiśniewska betont, dass ihre Hoffnung schlussendlich der politischen Hilfestellung gilt, die weniger privilegierte Akteur*innen genießen sollten​. Anderlini sagt, die syrischen Frauen hätten Antworten, hielten die Gesellschaft zusammen.

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Dass mächtige Frauen ihren Anteil dazu beitragen müssen, Anderen hochzuhelfen, steht außer Frage. Lahbib lobt Ursula von der Leyens Entscheidung, für eine paritätische Bewerbung auf Plätze in der Kommission zu werben. Die Kommissionspräsidentin hatte alle EU-Staaten gebeten, unter ihren vorgeschlagenen Kandidat*innen je einen Mann und eine Frau zu haben. Dass dieser Bitte dann jedoch kaum Folge geleistet wurde, ist die Kehrseite der Medaille. Vielleicht braucht es nicht unbedingt eine Frauenquote wie bei Spitzenämtern der Grünen in Deutschland, aber sich bei Gleichstellung auf Gefallen zu verlassen, lässt eine*n im Zweifel fallen. „It’s about having our merited position at the table, not a present someone is giving to us“ fasst Osmani, Präsidentin des Kosovo, es zusammen.

Wie wir alle profitieren würden

Osmani sieht diese Inklusion von Frauen als einen der mächtigsten Faktoren, um die Demokratie zu stärken. „It’s no woke agenda but geopolitics“, erläutert sie. Seien Frauen nicht an Entscheidungen beteiligt, verlöre auch die Wirtschaft, meint Osmani außerdem. 290 Milliarden würde Gewalt gegen Frauen laut Moderatorin Lahbib jährlich weltweit kosten. Recherchen des European Institute for Gender Equality (EIGE) bestätigen diese Zahl.

„It’s about having our place at the table, not about a present someone is giving to us“ fasst Vjosa Osmani ihre Forderung zusammen. Foto: MSC/Reinhardt

Ungenutztes „weibliches Potenzial“, so Lahbib, würde den Arbeitsmarkt jährlich 370 Milliarden kosten. Diese Berechnungen stammen aus Kalkulationen des Weltwirtschaftsforums von 2016. Mit Hinblick auf Nigeria sagt die Senatorin Natasha, es sei „nicht die beste Situation dort“ und bittet: „Let us ensure accountability“. Ihr ist wichtig, zu zeigen, dass alle von einem Wandel profitieren. „We need men to understand, its everyone together“ sind ihre Worte. Denn eine der bis heute elementarsten Bremsen der Gleichstellung der Geschlechter ist die Gegenüberstellung und das Narrativ, entweder Männer oder Frauen würden verlieren.


Dieser Artikel ist im Rahmen der offenen Redaktion entstanden. Bei Fragen, Anregungen, Kritik und wenn ihr selbst mitmachen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@jugendpresse.de 

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