Freie Fahrt für alle? Warum wir mehr kostenlose Fahrkarten brauchen

Busse und Bahnen sollen Menschen bewegen, doch für viele ist der Zugang eine Hürde. Senior*innen und Menschen mit Unterstützungsbedarf stehen oft vor Schwierigkeiten, wenn es um Mobilität geht. Eine einfache, kostenfreie Fahrkarte für diese Gruppen wäre ein Schritt in Richtung sozialer Gerechtigkeit.

Mit Bargeld können Fahrgäst:innen in Hamburger Bussen kein Ticket mehr kaufen.
©️ Alina Henning / Jugendpresse Deutschland e.V.

„Ältere Menschen und Menschen mit Unterstützungsbedarf werden stark abgehängt“, kritisiert Martina B. Sie betreut eine Wohngruppe für psychisch kranke Menschen und sieht im bargeldlosen System ein Problem. Seit Anfang 2024 kann in Bussen des Hamburger Verkehrsverbunds (HVV) nicht mehr mit Bargeld bezahlt werden.

„Ich würde sagen, die meisten meiner Klient[*innen] fahren schwarz – nicht, weil sie es wollen, sondern weil sie es müssen, indem ihnen der Zugang zu einer regulären Fahrkarte nicht ermöglicht wird.“ Eine Prepaidkarte sei oft die einzige Option. Das sei zu kompliziert und schrecke viele ab. Zwar existieren Sozialrabatte für das Deutschlandticket, aber um davon zu profitieren, wäre ein Konto erforderlich, da der Betrag monatlich abgebucht wird. 

Genau hier liegt eine Schwierigkeit, erklärt Martina B. weiter. Die Mehrheit ihrer Klient*innen erhalte Geld nur in bar. Etwa 70 bis 80 Prozent hätten kein eigenes Konto. Hinzu komme, dass viele nicht über ein eigenes Handy verfügten oder keinen Zugriff darauf hätten. „Das wird zum Problem, wenn sie den HVV nutzen möchten. Früher konnte einfach ein Ticket in bar bezahlt werden. Man stieg in den Bus und zahlte beim Fahrer. Doch jetzt läuft alles bargeldlos – und das schließt viele aus.“

Mobilität ist Teilhabe

Viele Haltestellen haben keine Fahrkartenautomaten mehr, an denen mit Bargeld gezahlt werden kann. Auch Ursula H. wird davon eingeschränkt: „Ich kann nur in den Bus steigen, wenn ein Automat an der Bushaltestelle ist. Ansonsten bin ich gezwungen, mir ein Taxi zu rufen. Und ich habe nur ein normales Telefon, falls mal etwas ist.“ Gerade ältere Menschen, die nicht mit digitalen Systemen vertraut sind, haben oft Schwierigkeiten, sich im modernen Ticketsystem zurechtzufinden. Ein kostenloses Ticket begrüßt die Rentnerin: „Dann kann man mal zu Planten un Blomen fahren.“

In einer Gesellschaft, die auf Mobilität angewiesen ist, darf der Zugang zum öffentlichen Nahverkehr nicht von komplizierten Verfahren oder finanziellen Mitteln abhängen. Seit vergangenem Jahr sehen wir, dass eine solche Lösung sowohl möglich als auch sinnvoll ist: Im September 2024 wurde das kostenlose Deutschlandticket für Hamburgs Schüler*innen eingeführt. Laut dem Senat nutzen 94 Prozent aller Berechtigten das Angebot. Eine Schülerin aus Harburg berichtet: „Das Ticket hat mir ermöglicht, an eine Schule zu gehen, die weiter weg ist. Ohne das kostenlose Ticket hätte ich die Schule wechseln und meine Freunde verlassen müssen.“  

Mobilität ist keine individuelle Angelegenheit, sie ist eine gesellschaftliche. Wenn Menschen aus finanziellen oder organisatorischen Gründen von der Teilhabe ausgeschlossen werden, entstehen soziale und wirtschaftliche Nachteile, die weit über die Ticketpreise hinausgehen.

Weniger Bürokratie, mehr freie Fahrt

Eine einfache, kostenfreie Fahrkarte nicht nur für Schüler*innen, sondern auch für Rentner*innen und Menschen mit Unterstützungsbedarf wäre ein bedeutender Schritt hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Statt hoher Preise, komplizierter Antragsverfahren oder der Notwendigkeit, Karten regelmäßig aufzuladen, sollte ein Ticket automatisch zugeschickt werden. Das würde nicht nur den Alltag vieler Menschen spürbar erleichtern, sondern auch verhindern, dass finanzielle Hürden oder bürokratische Prozesse über ihre Mobilität entscheiden. Eine echte Entlastung für diejenigen, die sie am meisten brauchen.

Denn wer Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe ernst meint, muss Mobilität ermöglichen – einfach, direkt und ohne Barrieren.

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