Für Carolin Renner ist Wahlkampfendspurt. Sie steht an ihrem Stand auf dem Demokratie- und Familienfest im oberlausitzischen Weißwasser und lächelt. Die Stimmung ist locker an diesem Samstag vor der Landtagswahl in Sachsen. Zwischen den Ständen des Nabu und einem lokalen Bauernhof findet sich der Stand der Grünen. Carolin Renner, 27 Jahre alt, ist Direktkandidatin für Bündnis 90/Die Grünen in der Lausitz- und eine der jüngsten Kandidatinnen in diesem Wahlkampf.
Sie läuft über das Fest, um Tüten mit Flyern, aber auch Müsliriegel zu verteilen. Dabei ist ihre Mutter Isabell Hiekel, die selbst Landtagsabgeordnete den Grünen in Brandenburg ist und mitten im Wahlkampf steckt. Sie kommen an einem Stand vorbei, an dem zwei Frauen Handarbeitsprodukte verkaufen, darunter ein Fuchs aus Stoff, der Carolin sehr gefällt. Ihre Mutter kauft ihn ihr als vorzeitiges Geburtstagsgeschenk.
politikorange: Carolin, warum willst du deine nächsten fünf Geburtstage im Landtag arbeiten müssen?
Carolin Renner: Im Film Guardians of the Galaxy wurde eine Figur gefragt: „Was hat die Galaxie je für dich getan? Wieso willst du sie unbedingt retten?“ Die Antwort darauf war: „Ich bin einer der Idioten, die darin leben.“ Ich habe schon als Kind einen Kohletagebau gesehen und fand das schrecklich. Mir ist wichtig, dass junge Menschen gerne hier leben. Auch ich möchte hier leben können und nicht wegziehen müssen.
politikorange: Gibt es ein bestimmtes Ereignis, das dich politisiert hat?
Carolin Renner: Ganz stark politisiert hat mich die Lage in Görlitz um 2016. Ich bin in dem Jahr nach Görlitz gezogen, und die AfD wurde dort immer stärker. Rassismus ist in dieser Zeit immer salonfähiger geworden. Ich habe dann angefangen, Demos zu organisieren, denn ich bin vom Herzen absolute Antifaschistin. Aber auch die Umwelt liegt mir sehr am Herzen. Ich möchte, dass es hier in der Lausitz besser wird, als es jetzt gerade ist und als es die letzten 30 Jahre war.
politikorange: Welche politischen Ziele hast du?
Carolin Renner: Ich würde mich gerne noch mal auf ein Mandat bewerben, wie etwa ein Direktmandat für den Landtag. Aber auch auf kommunaler Ebene. Denn ich möchte mich hier weiter für die Region einsetzen. In den letzten Wochen hat es mir großen Spaß gemacht, mit den Menschen zu reden. Auch mit denen, die eine andere Meinung haben. Denn dann kann man anfangen, konstruktiv zu arbeiten.
politikorange: Welchen Schwierigkeiten begegnest du als junge Politikerin?
Carolin Renner: Oft höre ich, egal, ob an Wahlkampfständen oder im Internet: „Du bist ja noch so jung. Du hast keine Lebenserfahrung, und du hast ja noch nie richtig gearbeitet.“ Was nicht stimmt!
politikorange: Wie gehst du damit um?
Carolin Renner: Es ist keine große Schwierigkeit, sondern eher nervig. Nur weil ich noch keine 30 Jahre Berufserfahrung habe, heißt das nicht, dass ich keine Haltung habe. Und ich glaube, die Haltung ist das Wichtige in der Politik. Dass man eine gewisse Durchsetzungskraft und Kompromissbereitschaft hat.
Nach dem Vormittag in Weißwasser geht es weiter nach Görlitz, wo die Görlitzer Vielfalt stattfindet. Carolin fährt einen Mietwagen, der Kofferraum ist voll mit Flyern, Windrädchen und anderem Wahlkampfmaterial. Es ist zu viel, um mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Und ein eigenes Auto hat sie nicht.
Angekommen auf dem Görlitzer Obermarkt, bereitet Carolin sich einen Biertisch in der Mitte des Platzes vor. Mit Flyern, um Kurzentschlossene noch zu überzeugen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist anwesend, aber auch die Linke und die Omas gegen Rechts. Die Stimmung ist gut.
politikorange: Wer, glaubst du, gewinnt das Direktmandat in deinem Wahlkreis?
Carolin Renner: Ich glaube tatsächlich, dass Tillmann Havenstein von der CDU den Wahlkreis gewinnt. Er ist heute auch hier, und wir haben einen guten Kontakt. Vermutlich werden sich der AfD-Kandidat Roberto Kuhnert und der parteiunabhängige Kandidat Sylvio Arndt gegenseitig Stimmen wegnehmen.
politikorange: Wie schätzt du dein Ergebnis ein?
Carolin Renner: Bei der letzten Wahl hatten die Grünen 3,2 Prozent. Ich denke, dass ich Stimmen verlieren werde. Wenn ich zwei Prozent bekomme, bin ich zufrieden.
politikorange: Was wünscht du dir für Sachsen in den nächsten fünf oder zehn Jahren?
Carolin Renner: Ich wünsche mir, dass Michael Kretschmer merkt, wer wirklich das Problem ist. Nämlich, dass in seiner eigenen Partei manche kein Problem haben, mit Rechtsextremisten zusammenzuarbeiten. Auch wünsche ich mir, dass die demokratischen Parteien zusammenarbeiten und die AfD in den nächsten fünf Jahren unter die Fünfprozenthürde fällt. Die Menschen sollen sich in Sachsen wohlfühlen und hier gerne leben.
Am Rande des Festes auf dem Görlitzer Obermarkt sieht Carolin Renner über die Menge aus. Sie sieht glücklich aus über die vielen Menschen, die gekommen sind. Glücklich darüber, dass es in Görlitz so viele Menschen gibt, die für die Demokratie einstehen.