Ein Spiel mit hohen Einsätzen

Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland verspricht, ein Ereignis voller Begeisterung für Fußballfans zu werden. Doch hinter der glänzenden Fassade verbirgt sich eine düstere Schattenseite, die der Gesellschaft und dem Staat teuer zu stehen kommen könnte. Gleichzeitig schwärmt die UEFA von Rekordeinnahmen.

Ein Mensch im Fußballoutfit schießt Euro-Zeichen, statt eines Fußballs.
Bild: Pixabay/geralt

Um die Fußball-Europameisterschaft 2024 nach Deutschland zu holen, hat die Bundesregierung bereits 2018 weitreichende Zugeständnisse an die UEFA gemacht. Mit diesen Garantien wird sichergestellt, dass alle von der UEFA geforderten Bedingungen zur Ausrichtung des Turniers erfüllt werden. Insgesamt wurden 18 Garantie- und Unterstützungsschreiben ausgestellt, die unter anderem Aspekte wie Sicherheit, Rechtsschutz sowie Visa- und Arbeitserlaubnisse abdecken. Diese Zusagen wurden von den zuständigen Ministerien im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten formuliert. So sicherte sich Deutschland die Austragung einer der größten Sportveranstaltungen der Welt. Ein wichtiger Teil der Garantieerklärungen befasst sich auch mit dem Thema Steuererleichterungen.

Die UEFA, Deutschland und die Steuerzahlenden

Die UEFA rechnet mit einem Umsatz von 2,4 Milliarden Euro und einem Gewinn von 1,1 Milliarden Euro. Der Eindruck entsteht, dass der deutsche Staat erheblich von den Steuerzahlungen der UEFA profitieren würde. Doch diese Annahme täuscht. Die Bundesregierung hat der UEFA im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft 2024 umfangreiche, jedoch im Detail nicht öffentliche, Steuererleichterungen gewährt. Dadurch werden die Einnahmen aus Gewerbe- und Körperschaftssteuer für den deutschen Staat erheblich gemindert. Die der UEFA gewährten Steuererleichterungen sind im Detail nicht bekannt und fallen unter das Steuergeheimnis. Sicher ist allerdings, dass die UEFA massiv von diesen Erleichterungen profitieren wird.

Andre Nowak, Büroleiter für Abgeordnete der LINKEN im Bundestag, kritisiert die Intransparenz im Bezug auf die Steuererleichterungen scharf. Er betont, dass die Bevölkerung ein Anrecht darauf hat, zu wissen, wie viel Großunternehmen wie die UEFA tatsächlich an Steuern sparen. Nowak merkt an:

Es ist nicht akzeptabel, dass die Bürgerinnen und Bürger im Dunkeln gelassen werden, wenn es um die Nutzung ihrer Steuergelder geht.

Zusätzlich sind die finanziellen Belastungen für die Austragungsorte enorm. Die Kosten umfassen die Renovierung von Stadien, die Verbesserung der Infrastruktur, Sicherheitsmaßnahmen und die von der UEFA geforderten Fanmeilen in den Städten. Gerade für besonders strukturschwache Städte wie Dortmund oder Gelsenkirchen, sind diese Kosten nur schwer zu stemmen, besonders wenn man die fehlenden Geldreserven für soziale Strukturen betrachtet. Warum also gehen diese Städte dieses Minusgeschäft ein? Die Hoffnung auf wirtschaftliche Impulse durch mehr Tourismus während der EM mag verlockend sein, doch wie realistisch sind diese Versprechen? Die Gesamtkosten für die EM belaufen sich auf schätzungsweise mindestens 650 Millionen Euro, während die Einnahmen lediglich auf 250 Millionen Euro geschätzt werden.

Keine langfristiger Effekt

Sportfunktionäre und Politikerinnen erwähnten in der Vergangenheit immer wieder die zu erwartende wirtschaftliche Gewinne für die Austragungsstädte und eine Verbesserung der Wirtschaftslage. Aber entspricht das der Realität? Denn auf der anderen Seite, stehen Kritiker dieser Vermutung, wie der Makroökonom Professor Oliver Holtemöller. Dieser beschäftigt sich gerade mit den Zusammenhängen zwischen Sport-Großereignissen und ihren volkswirtschaftlichen Effekten. Er ist der Meinung, dass ein solches Sportevent die Wirtschaft nicht dauerhaft stärkt. Es kann zu kurzem branchenbezogenem Wachstum kommen, von einem langfristigen Effekt ist laut dem Professor der Makroökonomie jedoch nicht auszugehen.

Die Bundesregierung steht vor der Aufgabe, erhebliche Sparmaßnahmen zu ergreifen, um die Staatsausgaben zu senken und die Haushaltsdisziplin zu wahren. Ist es also vertretbar, eine solche Summe für ein Sportevent auszugeben, während gleichzeitig erhebliche Kürzungen im Bundeshaushalt besprochen werden? Der Sporthaushalt soll im kommenden Jahr um 10% gekürzt werden, und es fehlt dringend an Mitteln zur Erhaltung von Schwimmbädern und Sporthallen. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, dieses Geld in den Breitensport und die Jugendförderung zu investieren? Der Fokus auf den Fußball führt letztlich dazu, dass andere Sportarten unter den enormen staatlichen Ausgaben leiden. Auch Andre Hahn, Bundestagsabgeordneter für die Linkspartei bezieht hierzu Stellung:

Während im Profifußball und einigen wenigen anderen Sportarten völlig absurde Geldsummen im Spiel sind, fehlen anderswo die Sportstätten, Trainerinnen und Trainer sowie eine angemessene Förderung für das in Sonntagsreden so viel gepriesene Ehrenamt.

Exklusives Großevent

Großveranstaltungen wie die EM schließen marginalisierte Gruppen nachweisbar zu einem Großteil aus. Sie werden durch hohe Eintrittspreise, mangelnde Barrierefreiheit, fehlende inklusive Angebote und Sicherheitsmaßnahmen, die bestimmten Bevölkerungsgruppen übermäßig kontrollieren oder abschrecken, ausgegrenzt. Marginalisierte Gruppen sind Bevölkerungsgruppen, die aufgrund von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Faktoren an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden und dadurch eingeschränkten Zugang zu Ressourcen, Rechten oder Einflussmöglichkeiten haben. Sie werden in vielen Lebensbereichen benachteiligt, wie auch bei großen Sportveranstaltungen. Es ist keine Seltenheit, dass Obdachlose und Drogenkonsumentinnen aus den Stadtbildern verdrängt werden, um eine vermeintlich saubere Umgebung zu schaffen. So wird also befürchtet, das Obdachlose gezielt aus den Innenstädten verdrängt werden und für diese Bereiche Platzverweise erhalten, um dem internationalen Publikum eine Szenerie von Ordnung und Sauberkeit zu präsentieren. Barrierefreiheit bleibt ebenfalls häufig auf der Strecke. Nach einer Anfrage von Andre Hahn stellte sich raus, dass kein Stadion die Mindestanzahl an barrierefreien Plätzen besitz. Diese müssten nach der sogenannten Musterversammlungsstättenverordnung klar geregelt sein. Zudem ist die Anzahl der für sozial benachteiligte Gruppen verfügbaren Tickets beschämend gering. Lediglich 2% der insgesamt 2,5 Millionen Tickets sind für diese Gruppen vorgesehen. Diesen Menschen wird also ein Zugang zu solchen Sportveranstaltungen durch überteuerte Tickets zumindest extrem erschwert.

Welche Verantwortung trägt die UEFA dafür, dass die EM soziale Gerechtigkeit fördert? Die UEFA sollte Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Großveranstaltungen keine negativen sozialen Auswirkungen haben.

Wie weiter?

Meiner Meinung nach müssen wir uns als Gesellschaft fragen, welche politischen Maßnahmen helfen könnten, die negativen finanziellen und sozialen Auswirkungen von Großveranstaltungen wie der EM zu verringern. Eine faire Kostenverteilung zwischen der UEFA und den austragenden Städten wäre ein Anfang. Die Bevölkerung sollte besser in die Planung und Durchführung solcher Großereignisse einbezogen werden, damit ihre Interessen berücksichtigt werden. Transparenz und Gerechtigkeit müssen im Vordergrund stehen. Zudem fordert André Hahn, dass der Sport ins Grundgesetz aufgenommen wird, um seine Bedeutung für die Gesellschaft zu unterstreichen und die staatliche Verantwortung zu verankern. Dies soll sicherstellen, dass der Zugang zu Sportmöglichkeiten und die Unterstützung des Breitensports, des Schulsports und des Vereinssport als Grundrecht anerkannt wird. Ein solcher Schritt könnte dazu beitragen, soziale und integrative Effekte des Sports zu stärken und Ungleichheiten zu verringern.

Die EM ist mehr als nur ein Spiel – sie ist ein Event mit hohen Einsätzen, dessen Schattenseiten nicht übersehen werden dürfen. Es liegt in der Verantwortung der Politik, der UEFA und der Gesellschaft, sicherzustellen, dass die Begeisterung für den Sport nicht auf Kosten der sozialen Gerechtigkeit und wirtschaftlichen Vernunft geht.

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