Knutsch-Eskapaden, Beziehungsstreit oder Familiendrama: Reality-TV, in verschiedensten Formaten, hält in Deutschland bisweilen Millionen von Zuschauer*innen in Atem. Was hat es mit dem Dschungelcamp, Bachelor & Co. auf sich? Das Redaktionsteam von politikorange hat sich ein Wochenende lang in Berlin auf die Suche nach den Antworten gemacht.
In unserer Redaktion zum Thema „Trash-TV – Geschäftsmodell, Guilty Pleasure, Gesellschaftsspiegel“ war sich das zehnköpfige Team in einer Sache einig: Keine*r ist ganz an Reality-TV vorbeigekommen. Memes aus den Formaten der letzten Jahrzehnte zirkulieren noch immer auf den sozialen Medien, die Gewinner*innen von DSDS oder GNTM flanieren in prominenten Kreisen, die Stimmen und Ausrufe von Carmen Geiss oder Heidi Klum sind allen präsent.
Die Attraktivität von Formaten wie GNTM und deren emotionale Wirkung erläuterte uns Dr. Laura Sūna, Medienwissenschaftlerin an der Universität Siegen, am ersten Tag unserer Redaktion. Durch rituelles, gemeinsames Ansehen der Formate, durch das Lästern über bestimmte Charaktere und durch die allgemeine Schambehaftung werden soziale Bindungen und Gemeinschaften erschlossen. Dass diese Gemeinschaften aber auch auf Überheblichkeit und Abwertung der Teilnehmenden beruhen können, zeigt unsere Redakteurin Luzie in ihrem Beitrag „Ego-Boost Reality-TV“. Und unser Redakteur Dennis zeigt auf, dass die Kandidat*innen gute Gründe haben, bei diesen Formaten mitzumachen und dass deren Wahrnehmung vielleicht mehr über uns als Gesellschaft aussagt, als wir glauben.
Sexismus, Mobbing, Rassismus und immer weitere Eskalationsstufen: Das alles findet man in diversen Reality-TV-Formaten. Immer wieder haben wir uns gefragt: Muss das sein? Geht Reality-TV auch ohne all das? Zu Gast war deshalb Monika Freinberger von TVWOW, einer queeren und antikapitalistischen Streaming Plattform für Reality-TV. Freinberger, selbst leidenschaftliche Reality-TV-Konsumentin, schaffte zuallererst den Begriff „Trash-TV“ ab, der in unserer Redaktion umherging. Zum einen gäbe es den unangenehmen Anklang zu „white trash“, einer klassistischen Diskriminierung einer Personengruppe in den US-Südstaaten, zum anderen wäre es doch komisch, etwas als „Müll“ zu bezeichnen und es gleichzeitig intensiv zu konsumieren.
Trotzdem wünscht sich Monika Freinberger den gleichen Unterhaltungswert ohne Drama, Diskriminierung und Heteronormativität. Mit dem Projekt TVWOW bringt die Schauspielerin ein Gegenstück in die Medienlandschaft: sexpositiv, mit viel Queerness und ohne schlechtes Gewissen anschaubar. Aber kann es überhaupt ethisches Reality-TV geben? Dieser Frage geht unser Redakteur Niklas in seinem Artikel auf den Grund.
Reality-TV hat ein Image, das von Sensationssucht und Geschmacklosigkeit gekennzeichnet ist. Aber wie ist es so weit gekommen? Unsere Redakteurin Sophie zeigt in ihrem Artikel die Entwicklung des Reality-Urgesteins „Big Brother“ auf und öffnet kritische Perspektiven auf die Zukunft. Auch Formate wie GNTM haben sich in fast zwei Jahrzehnten Laufzeit verändert und schreiben sich nun Schlagwörter wie „divers“ und „progressiv“ zu. Was dahinter steckt, könnt ihr in dem Beitrag unseres Redakteurs Jona nachlesen.
Unsere Redakteurin Henriette wagt sich an die Substanz. Sie fragt: Was bedeutet Reality-TV für Gehirn und Gesellschaft? Dabei ergründet sie die Motive der Produzent*innen und unsere Verantwortung als Konsument*innen. Warum Redakteur Martin sich trotz dieser Erkenntnisse nicht davon abbringen lässt, Reality-TV, insbesondere „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“, zu schauen, erläutert er in seinem Kommentar.
Einen besonderen Blick hinter die Kulissen gibt uns unsere Redakteurin Paula in ihrem Interview mit Nina Burkhardt. Nach dem Input-Gespräch mit der gesamten Redaktion hat die „Princess Charming“-Finalistin sich weiteren Fragen gestellt. Besonders im Fokus stand dabei das Thema Alkohol: Wird in den Formaten wirklich so oft und so viel getrunken, wie es manchmal scheint? Die Antwort könnt ihr hier lesen.
Nach tollen Inputs, intensiven Recherchen und neuen Reality-TV Empfehlungen verabschiedet sich die Redaktion und wünscht viel Spaß beim Lesen der Beiträge. Wir sind dann wieder mal vor dem Fernseher anzufinden.