E-Sports – Olympias Weg aus dem analogen Ende

Am 26. Juli starten die Olympischen Spiele in Paris und wieder sind E-Sports kein fester Teil davon. Doch der Gigant braucht E-Games, um eine Zukunft zu haben. Und auch sie brauchen Olympia, um wieder zu den sportlichen Werten zurückzufinden.

Neben der Live-Übertragung im Internet werden die größten E-Sport-Turniere von vielen tausend Zuschauer*innen in großen Stadien verfolgt. Hier zu sehen ist die internationale Meisterschaft in „Dota 2“ 2014 in Seattle, Washington. Foto: flickr/ Dota 2 The International

Ein weiteres Jahr ignoriert das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Chance, über 250 Millionen mehr Menschen für ihre Idee zu gewinnen. Diese Entscheidung ist mehr als fraglich, denn Olympia braucht E-Sports für seine Zukunft. E-Sports, also Spiele und Sportarten, die kompetitiv online auf einem Computer oder einem ähnlichen Spielgerät ausgetragen werden, gewinnen immer mehr an Beliebtheit. Sie sind laut dem Sportradar der am schnellsten wachsende Sport weltweit. E-Sport in die Disziplinen aufzunehmen, bietet den Olympischen Spielen die einmalige Chance, junge Menschen für Sport zu gewinnen und die olympische Idee weiterzuverbreiten. Doch bisher wehrt sich das Olympische Komitee dagegen, diese Chance zu ergreifen und E-Sports unter ihr Dach zu bringen.

E-Games sind keine Neuentwicklung. Sie entwickelten sich parallel zur Entwicklung der Computerspiele und erlebten in den 2000ern Jahren mit dem Internet ihren großen Aufschwung. Heute ist E-Sport ein Millionengeschäft. Große Konzerne ziehen Massen an jungen Zuschauer*innen an, Menschen, die man für den Sport begeistern kann. Laut ResearchGate sind über 60 Prozent der E-Sports Zuschauer*innen zwischen 13 und 24 Jahre alt. E-Sports wachsen immer weiter und immer schneller. Und der Markt ist riesig. Der Newzoo Global Games Market Report berichtet von weltweit 3,2 Milliarden Gamer*innen im Jahr 2022. All diese kann man leicht für den E-Sport gewinnen.

E-Sports brauchen scheinbar keine große Olympiade, um Millionen von Menschen zu erreichen. Ökonomisch sind sie gut aufgestellt. Das sagt auch E-Sports-Experte Jan-Hendrik Heuschkel gegenüber politikorange. „E-Sports sind, von deren Reichweite, von deren Beschaffenheiten und auch deren Ökosystem nicht auf die Olympischen Spiele angewiesen.“ Heuschkel ist seit über zwanzig Jahren im E-Sports tätig und heute Head of Agency bei Unlocked, einer E-Sports-Management-Agentur.

Untergang der Olympischen Spiele?

Während E-Sports immer weiter an Zuschauer*innen gewinnen, nehmen die Zuschauer*innenzahlen von Olympia stetig ab. Bei den Olympischen Sommerspielen 2014 in London waren es 3,6 Milliarden, 2021 in Tokio nur noch 3,0 Milliarden Menschen. Olympia verliert an Stellenwert, immer weniger Menschen interessieren sich dafür – ein sterbender Gigant. Langfristig braucht es E-Sports, um bei den jungen Menschen anzukommen. Olympia hat sich dies selbst auf die Fahnen geschrieben. „Ziel der Olympischen Bewegung ist es, zum Aufbau einer friedlichen und besseren Welt beizutragen und junge Menschen im Geiste von Freundschaft, Solidarität und Fair Play ohne jegliche Diskriminierung zu erziehen“, heißt es in der Olympischen Charta.

Sport lebt von Teamgeist, Solidarität und Gemeinschaft. Junge Menschen können diese Werte gut gebrauchen. Nach der Pandemie und in Zeiten von Krieg braucht es Hoffnung. Leider erreicht der konventionelle Sport immer weniger Jugendliche, auch Olympia hat damit zu kämpfen. Dies vermag der E-Sport zu verändern.

Aber der E-Sport braucht auch Olympia. Große Konzerne kontrollieren die E-Games oft alleine. Dieses Machtmonopol führt zu einem Image- und Narrativ-Problem. Statt die Geschichten und die Leistungen der Sportler*innen hervorzuheben, wird im E-Sport oft nur noch mit den möglichen Gewinnen geworben. Eine Millionen Euro, zehn, zwanzig Millionen Euro! Die Preisgelder schießen in die Höhe. Um die Sportler*innen kümmert sich niemand mehr.

Um wirklich etabliert und gesellschaftstauglich zu sein, muss der E-Sport da wieder herausfinden. Vereinsstrukturen wie das IOC sind die Chance, diesen Machtstrukturen zu entkommen und wieder die Leistung der Sportler*innen anzuerkennen. E-Sports sind auf Olympia angewiesen, zwar nicht ökonomisch, wie Heuschkel erklärt, trotzdem aber in dem Sportler*innengeist, der mit dem großen Aufschwung von E-Sports verloren gegangen ist.

Chancen für die Zukunft

Auch wenn viele Chancen ungenutzt blieben, ist dem IOC die Bedeutung von E-Sports bewusst. Bereits 2023 gab es die löbliche Initiative der „Olympic E-Sports Week“. Eine Woche, zehn Games. Nur leider waren bei den zehn Disziplinen keine der großen E-Sports vertreten, sondern nur Online-Äquivalente der „Echten Sportarten“ – statt Counter-Strike Bogenschießen und statt League of Legends Schach. Wegen der Spielauswahl gab es zurecht einen riesigen Shitstorm, doch dieser überschattete die positive Seite: Das IOC hat wohl die Chance des E-Sports erkannt und ist anscheinend gewillt, sie zu prüfen.

E-Sports gewinnen an Bekanntheit, an Rolle im Sport. Heute wird über E-Sport diskutiert, oft auch auf Augenhöhe mit den etablierten Sportarten. Und vielleicht wird es so doch noch was mit der Zukunft von Olympia. Allgemein können wir nur hoffen, dass die beiden Giganten sich einigen können. Für einen werteorientierten Sport, für das heilige Fair-Play.


Dieser Artikel ist im Rahmen der offenen Redaktion entstanden. Bei Fragen, Anregungen, Kritik und wenn ihr selbst mitmachen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@jugendpresse.de 

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