Der Beruf Journalist*in ist ein Traum vieler junger Menschen, der Einstieg in die Branche aber herausfordernd. Zwei junge Menschen erzählen, wie sie den Journalismus wahrnehmen und mit ihren eigenen Ideen aufmischen.
„Eigentlich rate ich jungen Menschen meistens, nicht Journalist*in zu werden.“ Vor der bodentiefen Fensterfront des Hamburger Spiegel-Gebäudes sitzt ein alteingesessener Journalist an der Stirnseite eines Konferenztisches. Ihm gegenüber gut ein Dutzend Jugendliche, die genau davon träumen. Es scheint, als wäre im etablierten Journalismus kein Platz mehr für junge Menschen, gleichzeitig will sich der Nachwuchs immer weniger auf vermeintlich überholte Medien einlassen. Kommen Journalismus und junge Menschen so überhaupt noch auf einen Nenner?
Trübe Aussichten?
Eine Studie des Reuters Institute for the Study of Journalism der Universität Oxford und des Journalistischen Seminars der Johannes Gutenberg-Universität zeigt, dass Nachwuchs im Journalismus durchaus gefragt, gleichzeitig aber schwer zu bekommen ist. Fast drei Viertel der befragten Redaktionen in Deutschland, Schweden und dem Vereinigten Königreich gaben an, dass die Suche nach talentiertem Personal zu ihren größten Herausforderungen zählt. Aber auch die Herausforderungen für Nachwuchs werden mit dem Abbau sicherer Arbeitsplätze durch den Wandel der Medienwelt, den zunehmenden Anfeindungen von Journalist*innen und einer aus dem Gleichgewicht geratenen Work-Life-Balance immer komplexer.
Trotzdem hält sich der Traumberuf Journalist*in hartnäckig. Von der Studie befragte Direktor*innen von Journalist*innenschulen gaben sogar an, dass junge Menschen weniger aufgrund vager Karrierevorstellungen in den Journalismus gespült werden, sondern sich mehr an gesellschaftlichen Idealen orientieren. Die meisten angehenden Journalist*innen wollen also nicht nur „irgendwas mit Medien” machen, sondern sind sich der gesellschaftlichen Verantwortung des Journalismus vollauf bewusst.
Motiviert sind auch die Teilnehmer*innen der Youth Media Convention 2022. Junge Medienschaffende und solche, die es werden wollen, trafen sich dafür vom 27.10. – 30.10. in Hamburg. Sie sind es auch, die andächtig jenem erfahrenen Spiegel–Journalisten zuhören und deren Blicke hin und wieder in Richtung der Fensterfront abschweifen, die die Aussicht auf die großen Hamburger Medienhäuser freigibt, die so weit entfernt scheinen. Ist der Traum vom Journalismus aussichtslos?
Zwei junge Stimmen
Dina Bogdanski und Hatice Kahraman sehen das nicht so. Sie sind Speakerinnen bei der Youth Media Convention (YouMeCon) und wollen junge Menschen zu jungem, frischem Journalismus ermutigen. „Ich mag die Energie, die hier rum läuft“, meint Dina. Sie ist 18 Jahre alt und arbeitet schon seit zwei Jahren als Jugendreporterin für Salon5, der Jugendredaktion des Investigativmediums CORRECTIV. Vor einem halben Jahr hat sie ihr Abitur gemacht und steht jetzt kurz vor ihrem ersten Praktikum, dem nächsten wichtigen Schritt in den Journalismus. Bei Salon5 recherchiert, schreibt und produziert sie Texte, Podcasts und Beiträge für Social Media. In der Auswahl der Themen ist sie dabei völlig frei. „Wir kommen mit den Themen. Wir machen das, was uns interessiert und so, wie wir das möchten.“ erzählt sie.
Unterstützung bei der Umsetzung bekommen die Jugendreporter*innen natürlich trotzdem, beispielsweise von Hatice. Die 28-Jährige ist Redaktionsleiterin von Salon5 und für die Koordination von Programm und Themen der Jugendredaktion zuständig. In den Journalismus führte sie der „klassische“ Weg: Zuerst arbeitete sie bei einer Lokalzeitung, nach dem Studium absolvierte sie ein Volontariat bei CORRECTIV. Seit Anfang des Jahres leitet sie Salon5. „Wirklich mein Traumjob“, sagt sie selbst.
Frischer Wind und solide Fundamente
Gemeinsam erklären Dina und Hatice den Teilnehmer*innen der YouMeCon, was jungen Journalismus auszeichnet. Dieser sei diverser, schneller und vor allem nicht mehr nur in herkömmlichen Formaten, wie Print, Hörfunk oder auch Fernsehen zu finden. Stattdessen bieten die sozialen Medien eine Vielzahl von neuen Kanälen, machen die journalistische Arbeit schnelllebiger und fordern vor allem junge Medienschaffende dazu heraus, sich ständig mit neuesten Entwicklungen auseinanderzusetzen. Und genau wie unzählige neue Medien verschiedenste Zielgruppen ansprechen, werden auch die Berufsbilder im Journalismus immer vielfältiger.
Mit Salon5 wollen Dina und Hatice diese Herausforderungen bewältigen und auch den Aufgaben der Zukunft standhalten. Dass dafür auch langfristig eine stabile Finanzierung vorhanden sein muss, ist Hatice, die unter anderem bereits für bento gearbeitet hat, besonders wichtig. Da die junge Zielgruppe überwiegend nicht in der Lage ist, selbst für journalistische Produkte zu zahlen, ist ein anderweitiges Finanzierungskonzept nötig. Im Fall von Salon5 übernimmt das CORRECTIV, die ihrer Jugendredaktion in erster Linie einen Bildungsauftrag anvertrauen und deren Projekte auch finanziell ermöglichen.
Ein Weg voller Hindernisse
Dass Dina und Hatice von ihrer Redaktion so viel Rückendeckung bekommen, ist für junge Menschen im Journalismus nicht selbstverständlich. Während Dina als eine von sieben Jugendreporter*innen von Salon5 bezahlt wird, schrieb Hatice zu Beginn ihrer Karriere bei der Lokalzeitung noch für 20 Cent pro Zeile. Dass jungen Journalist*innen so einige Hürden im Weg stehen können, beobachten die beiden ganz deutlich.
Sie wünschen sich im Journalismus fairere Arbeitsbedingungen, mehr Chancengleichheit und mehr Redaktionen wie CORRECTIV, die aktives Interesse daran zeigen, junge Menschen zu fördern. Dina stellt aber auch fest: „Sich Chancen bewusst zu sein, ist auf jeden Fall sehr wichtig.” Oft sei es für junge Menschen schwer, im Journalismus Fuß zu fassen, auch weil sie weniger ernst genommen würden. Hatice ist sich jedoch sicher: „Nur weil man jung ist, heißt das nicht, dass man keinen guten Journalismus machen kann.”
Von jungen Menschen, für junge Menschen
In der Redaktion von Salon5 kommen junge Menschen unterschiedlichen Alters und mit verschiedenen Vorkenntnissen zusammen, die ihre Begeisterung für journalistische Arbeit teilen. Bei ihren Konferenzen bespricht die Redaktion, welche Themen den Jugendlichen und jungen Erwachsenen wichtig sind und wie diese als Beiträge umgesetzt werden können. Dass diese dabei mal mehr und mal weniger Unterstützung benötigen, sei normal, erklärt Hatice. Viel Wert wird außerdem darauf gelegt, dass nicht nur die Themensetzung, sondern auch die Umsetzung, Sprache und Formate immer den Vorstellungen des jungen Teams entsprechen. Darin liegt das Erfolgskonzept von Salon5. „Wir arbeiten mit Mitteln, die junge Leute ansprechen, weil wir halt junge Leute sind”, sagt Dina.
Tatsächlich ist es eine der größten Herausforderungen für die gängigen Medienhäuser, junge Leute anzusprechen. Laut einer Studie des Leibnitz-Instituts für Medienforschung, hält es etwa die Hälfte der Jugendlichen nicht für wichtig, sich über Neuigkeiten und aktuelle Ereignisse zu informieren. Salon5 hingegen schafft es, junge Menschen nicht nur thematisch in ihrem alltäglichen Erfahrungsbereich abzuholen, sondern nutzt vor allem auch soziale Medien wie Instagram, wo etwa 3.600 Menschen die Inhalte der Redaktion verfolgen. Seine Reichweite verdankt das Format also nicht zuletzt einer Menge journalismusbegeisterter junger Leute.
Hartnäckig bleiben
Auch deshalb ermutigen Dina und Hatice junge Leute gern dazu, sich im Journalismus auszuprobieren, sich nicht unterkriegen zu lassen und aus Rückschlägen immer Positives zu ziehen. Nachwuchsjournalist*innen rät Hatice außerdem, auch mal Nein sagen zu können, wenn die Bedingungen ungerecht sind oder der Druck zu groß ist, und Kritik offen zur Sprache zu bringen.
Auch wenn noch viel getan werden muss, bis Redaktionen rundum jünger und diverser werden und leider bei weitem nicht jede*r mit so viel Unterstützung und so fairen Bedingungen rechnen kann, wie die Redakteur*innen bei Salon5, gibt es dennoch Fortschritte dabei, Journalismus und junge Menschen Schritt für Schritt aufeinander zuzuführen. Ein Licht am Horizont, das man vielleicht auch aus den Fenstern des Spiegel-Gebäudes sehen kann. „Ich kann mir persönlich keinen besseren Beruf vorstellen, als Journalistin zu sein.” bestätigt Dina abschließend. Viele der YouMeCon-Teilnehmer*innen würden ihr vermutlich zustimmen.