Jugendliche können Wahlkampf gestalten, mit 16 Parteimitglied werden, doch wählen dürfen sie noch nicht überall. In ihrem Kommentar erklärt politikorange-Redakteurin Sabrina Wagner, warum sie das unfair findet.
Den Mopedführerschein machen, bis 24 Uhr einen Club besuchen oder heiraten: Das alles ist möglich, sofern man das 16. Lebensjahr vollendet hat. Und auch in politischer Hinsicht haben 16-Jährige teilweise das Wahlrecht. In Baden-Württemberg dürfen sie die*den Bürgermeister*in wählen und bei den Kommunalwahlen ihr Kreuz machen. In Brandenburg, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein gilt das auch für Wahlen zum Landesparlament. Und siehe da – wo 16- und 17-Jährige mitwählen, ist die Welt nicht untergegangen. Deswegen sollen auch Jugendliche im Süden mehr mitbestimmen dürfen.
Jugend engagiert sich, darf aber nicht wählen?
Soziale Bewegungen wie etwa Fridays for Future zeigen, dass sich viele Jugendliche nicht nur für Politik interessieren, sondern auch engagieren. Der demografische Wandel führt dazu, dass ältere Generationen der Wahlberechtigten jüngere leicht überstimmen können. Das Statistische Landesamt geht von 500.000 Erstwähler*innen unter den 7,7 Millionen Wahlberechtigten in Baden-Württemberg aus. Entscheidungen, die heute getroffen werden, wirken sich auf die Zukunft aus und betreffen die nicht wahlberechtigten Jugendlichen langfristig. Darum sollten wir Jugendliche mitbestimmen und Verantwortung übernehmen dürfen.
Der Blick in die gegenwärtige Realität zeigt: Eine Absenkung des Wahlalters würde nicht vorrangig dafür sorgen, dass mehrheitlich 16-Jährige ihre Stimme abgeben dürfen, sondern dafür, dass mehr Jungwähler*innen bei ihrer ersten Wahl unter 20 Jahre alt sind. Wer gerade 17 Jahre alt ist und damit die Wahl in diesem Jahr knapp verpasst hat, wird bei der Landtagswahl 2026 schon 22 sein. Doch mit steigendem Alter steigt auch die Scham, zuzugeben, wenn man noch keine Ahnung von den verschiedenen Parteien und Inhalten hat. Das kann dazu führen, dass schließlich gar nicht gewählt wird.
Ein früheres Wahlrecht würde ermöglichen, dass die erste Landtagswahl häufiger parallel zum Schulbesuch stattfindet. Dort könnten Erstwähler*innen durch passende Unterrichtseinheiten auf ihre erste Landtagswahl vorbereitet werden. Auf dieser Grundlage können Jugendliche gut informiert ihr erstes Kreuz machen.
Steuern sind kein Argument
Sicher, auch Kritiker*innen haben Argumente. Doch viele berufen sich auf Aspekte, die auch Volljährige betreffen. So wird häufig angeführt, dass Jugendliche leicht zu beeinflussen seien. Einige bereits seit Jahren berufstätige Menschen finden auch, dass Jugendliche noch nicht wählen sollten, weil sie noch keine Steuern zahlen. Das machen jedoch auch geringverdienende Volljährige und Studierende nicht. Auf der anderen Seite können Jugendliche in diesem Alter bereits eine Ausbildung machen, Geld verdienen und Abgaben leisten. Das Argument „nur wer steuerpflichtig ist, darf wählen“ gilt also nicht.
In keinem Fall darf die angenommene Wahlentscheidung der Jugendlichen ein Argument gegen die Herabsetzung des Wahlalters sein. Wer fürchtet, dass Jugendliche eine zu linke Mehrheit wählen würden und ihnen deshalb das Wahlrecht vorenthalten will, hat Demokratie nicht verstanden. Außerdem könnten die Jugendlichen alleine sowieso nicht die Mehrheit verändern. Das Ergebnis der diesjährigen Jugendwahl in Baden-Württemberg, bei der alle Kinder und Jugendliche unter 18 ihre Stimme abgeben durften, zeigt übrigens, dass neben 33,09 Prozent für die Grünen auch 26,05 Prozent an die CDU gingen. Das sind 2,04 Prozent mehr als ihr Ergebnis bei der regulären Landtagswahl. Eine Mehrheit für die Linken stelle ich mir anders vor.
Hoffen auf die nächste Legislaturperiode?
Nun ist im Ländle gerade eine Wahlentscheidung gefallen. In den kommenden Koalitionsvertrag könnten die Forderungen nach dem Wählen ab 16 aufgenommen und die Forderung bei der Landtagswahl 2026 Realität werden. Die Parteien sollten ihren zukünftigen Wähler*innen ein Angebot machen und ihnen ein Mitspracherecht gewähren.