Am 13.09.20 waren Kommunalwahlen in NRW. politikorange-Redakteurin Désirée Lengert findet, dass das Wahlrecht ab 16 auch bei Landtags-, Bundestags- und Europawahlen gelten sollte.
Die Reife der 16-Jährigen
Mit 16 sind junge Leute, die gerade ihren Realschulabschluss machen, laut der Gesellschaft in der Lage, zu entscheiden, was sie bis zu ihrer Rente machen wollen. Wollen sie eine Ausbildung machen? Wenn ja, welche? Oder wollen sie doch lieber noch ihr Abitur machen? Das sind Entscheidungen, die sie die nächsten 50 Jahre lang begleiten werden. Und dann dürfen sie meistens noch nicht einmal wählen gehen und entscheiden, wie ihr Land in den nächsten vier Jahren aussehen wird? Unter welchen Bedingungen sie überhaupt leben und arbeiten wollen? Ob es für sie einen höheren Mindestlohn geben soll oder nicht? Das klingt meiner Meinung nach völlig absurd.
Doch auch einige Jugendorganisationen scheinen das so zu sehen. So fordert zum Beispiel die Junge Alternative Hessen in einem Instagram-Post, dass es kein Wahlrecht ab 16 geben sollte. Begründung: „Junge, politisch besonders interessierte Bürger können sich bereits engagieren, indem sie einer Partei und ihrer Jugendorganisation beitreten. Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass der Großteil der 16-Jährigen in der Lage ist, sich selbst eine politische Meinung anzueignen.“
Ja, ist klar, wenn ich als 16-jährige Person einer Partei beitrete, muss ich mich ja auch gar nicht mit ihren politischen Grundsätzen auseinandersetzen und identifizieren.
Doch, eigentlich muss ich das. Und muss ich das nicht auch, wenn ich zum Wahllokal gehe und dort einer Partei meine Stimme gebe? Demnach müssten wählen gehen und einer Partei beitreten in dieser Hinsicht gar nicht so unterschiedlich sein. Der Unterschied ist, dass man allen Parteien und ihren Jugendparteien (ja, auch der Jungen Alternative Hessen) mit 16 auf jeden Fall beitreten kann… wählen kann man sie allerdings noch nicht.
Das Politische in jeder Generation
Außerdem gibt es in jeder Generation Menschen, die nicht in der Lage sind, sich eine politische Meinung anzueignen oder sie sich nicht aneignen wollen. Und dann gibt es diese Leute, die eine Partei wählen, weil sie sie schon immer gewählt haben. Dabei achten sie gar nicht mehr richtig auf die Wahlprogramme. Die sind dann ja auch in Teilen uninformiert. Spricht man denen das Wahlrecht ab? Nein, weil sie ja über 18 sind. Die politische Reife ist also kein guter Grund, Menschen das Wahlrecht zu verwehren. Außerdem besteht die Chance, dass sich die Leute mehr über Politik informieren, wenn Wahlen anstehen. Das habe ich in meinem Freundeskreis zumindest mitbekommen. Menschen werden beim Shoppen in der Stadt auf die Infostände aufmerksam oder sehen die Werbung auf Social Media. Das alles kann ihr Interesse wecken und sie anregen, sich zu informieren.
Auch eine Studie des Otto-Suhr-Institutes für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin äußert sich positiv zum Wahlrecht ab 16. In dieser stellen die beiden Politikwissenschaftler Thorsten Faas und Arndt Leininger fest, dass es wenige Argumente gibt, die gegen eine Absenkung des Wahlalters auf 16 sprechen. Ein Beispiel dafür sind auch die Kommunalwahlen in 11 Bundesländern und die Landtagswahlen in 4 Bundesländern. Dort dürfen die Wähler*innen bereits mit 16 wählen – und die Welt ist davon auch noch nicht untergegangen.
Dieser Beitrag ist im Rahmen eines gemeinsamen Projekts von sagwas.net und politikorange.de entstanden.