Wenn Energiepreise nicht mehr bezahlt werden können, müssen viele Menschen ihre Heizung runterdrehen. Was das zuständige Ministerium zu Energiearmut sagt, und wie sich Frieren in den eigenen vier Wänden anfühlt.
Die Energiewende ist in vollem Gange. Was kommt da auf Verbraucher*innen zu? Elisabeth Fleschutz hat sich beim Kongress des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft umgehört.
Als ‘Klimaregierung’ traten SPD, Grüne und FDP das Erbe der Großen Koalition an. Auch die Energiewirtschaft gibt sich krisenbewusst. Warum Habecks Politik gut ankommt und wie weit der propagierte Klima-Konsens reicht, analysiert Tobias Alsleben.
Auf dem diesjährigen BDEW-Kongress wurden klima- und energiepolitische Entscheidungen diskutiert. Wie sollte die Energielobby ihren Einfluss auf die Politik nutzen und werden dabei auch junge Stimmen gehört? politikorange war auf Stimmenfang.
Die Sprecherin für Energiepolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Julia Verlinden diskutiert mit politikorange über Lobbyismus und dessen Bedeutung für die Demokratie.
Unser Leben wird durch hochentwickelte Technologie, Produkte und Dienstleistungen bestimmt. Der moderne Mensch setzt dadurch große Mengen an Energie um.
Für lange Zeit wurde diese Energie einfach durch die Verbrennung von Kohle und Gas erzeugt. Allerdings werden dabei Treibhausgasse ausgestoßen, die sich in der Erdatmosphäre sammeln. Eine globale Erwärmung ist die Folge. Der menschengemachte Klimawandel ist inzwischen allgemein anerkannt. Nur die neue Partei AfD glaubt nicht daran – sie ist aber (noch) nicht im Bundestag vertreten.
Dort haben sich die Parteien zumindest theoretisch dem Klimaschutz verschrieben – und Deutschland zuletzt auch das internationale Klimaschutzabkommen von Paris unterzeichnet. Das sieht vor, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Konkret will die Bundesregierung bis zum Jahr 2020 die Treibhausgas-Emissionen, die für die Aufheizung der Atmosphäre verantwortlich sind, um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Bis 2050 sollen es sogar 85 bis zu 90 Prozent weniger sein.
Aber wie soll das gelingen?
Nun, der zentrale Plan ist es, Strom ohne Verbrennung fossiler Energieträger zu erzeugen. In der Praxis heißt das: Wind- und Wasserkraft sowie Photovoltaik statt Kohle- und Gaskraftwerke. Wobei ein völliger Ausstieg aus der Kohle, wie bei der Atomkraft, bisher nicht beschlossen wurde.
Reihen von Windrädern in der Landschaft, Solarpanels auf Hausdächern, Staudämme an den Flüssen – das sind die sichtbaren Zeichen der Energiewende. Zu den erneuerbaren Energien wird im Übrigen auch noch die Verbrennung von Biomasse gezählt, deren Umweltbilanz allerdings zweifelhaft ist.
Die Bundesregierung will bis 2035 den Anteil von so produziertem „Ökostrom“ auf bis zu 60 Prozent steigern. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der Erneuerbaren am Strommarkt bei 33 Prozent. Damit liegt man aktuell sogar über dem Zeitplan.
Zukunft des Ausbaus unsicher
Diese eigentlich doch gute Nachricht führt aber zu einer bemerkenswerten Reaktion: In der aktuellen Neufassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das den Ausbau der erneuerbaren Energien regelt, wird insbesondere die Windkraft ausgebremst – eben jener Sektor, der in der Vergangenheit für das Wachstum beim Ökostrom gesorgt hat. Der Ausbau der Solarenergie hingegen stockte – obwohl die Herstellung einer Solarzelle mit der Zeit immer billiger geworden ist. Grund dafür sind ebenfalls entsprechende Beschränkungen im EEG, die schon vor einigen Jahren eingeführt wurden.
Deswegen läuft die Erneuerbaren-Branche gerade Sturm gegen die neuesten politischen Planungen und warnt nun vor einem völligen Stillstand beim Ökostrom.
Aus dem SPD-geführten Bundeswirtschaftsministerium und aus dem CDU-Wirtschaftsflügel wird das „Abbremsen“ dagegen vor allem mit zwei Argumenten begründet: Die Stromkunden würden durch zu hohe Strompreise belastet. Erneuerbare Energien werden mit Steuergeld gefördert (EEG-Umlage). Außerdem drohten massive Überkapazitäten im Stromnetz, wenn bei Sonnenschein sich auch zu viele Windräder gleichzeitig drehen. Dem ließe sich entgegnen, dass der Strompreis von vielen verschiedenen Faktoren bestimmt wird. Und um zu vermeiden, dass viel mehr Strom produziert als überhaupt gebraucht wird, könnte man noch in viel größerem Umfang Kohlekraftwerke stilllegen.
Erneuerbare gegen Konventionelle
Allerdings verdienen die großen Stromkonzerne an „zu viel Strom“. Sie können ihn dann in Nachbarländer, wie Tschechien oder Frankreich, exportieren. Das ist kein neues Phänomen: Seit 2003 produziert Deutschland jedes Jahr mehr Strom als es verbraucht. Selbst als 2011 nach dem Reaktor-Unglück in Fukushima acht deutsche Atommeiler zeitweise vom Netz abgetrennt waren, verkaufte Deutschland weiter Strom ans Ausland. Das Warnen der Konzerne vor einem „Blackout“, wenn ihre Großkraftwerke abgeschaltet werden, hat also eher andere Motive.
Es gab bereits windige Tage, an denen die erneuerbaren Energien den aktuellen Strombedarf vollständig decken konnten. Da sich Braunkohlekraftwerke aber nicht so schnell und flexibel herunterfahren lässt, laufen diese dann trotzdem weiter und stoßen Treibhausgase aus. Doch selbst wenn eines fernen Tages der Strom vollständig aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, ist das Klima damit nicht gerettet. Denn Strom macht nur ungefähr 20 Prozent aller Energie aus, die wir nutzen – und somit ist die Stromproduktion auch nur für einen Teil aller treibhausschädigenden Emissionen verantwortlich.
Welche anderen Bereiche unseres Lebens dem Klima schaden und wie schwierig es ist, diese „öko“ zu machen, dazu mehr im zweiten Teil.
Energie ist ein Teil unseres täglichen Lebens: Sie hilft uns beim Heizen und Kühlen, bringt unsere Autos zum Fahren und sorgt dafür, dass wir Licht in die Dunkelheit bringen. Doch was bedeutet das genau? Fünf Definitionen, die man kennen sollte.
Bundeswirtschaftsminister Gabriel redet auf dem BDEW-Kongress Foto: Julian Kugoth
Die Rede von Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und Energie, war einer der Top-Acts auf dem BDEW Kongress. Vor einem mehr als bis auf den letzten Platz besetzten Saal sprach er über die Zusammenarbeit mit dem BDEW und über die aktuellen Geschehnisse in der Energiepolitik und -wirtschaft.
Skeptische Nachbarländer
„Investieren und vergessen“; dies sei teilweise das Motto gewesen, nach dem die vorherige Regierung mit der Energiewende umgegangen sei. Er fordert einen planvollen und durchdachten Wandel. Nur so könne die „Standortgefahr“ in Deutschland gebannt werden und die Energiewende mit „ökonomischen Erfolg“ gelingen. Damit erntet er von vielen der Anwesenden – überwiegend das „who is who“ der großen Energiekonzerne – Zustimmung.
Dann kommt der Wirtschaftsminister auf die Meinung einiger Nachbarländer zum Projekt deutsche Energiewende zu sprechen. „Manche halten uns für komplett verrückt“, sagt er. Ganz besonders bei der Frage natürlich, wie die Bundesrepublik das eigentlich finanziell stemmen wolle.
Komplexes EE-Gesetz
Das EEG, hier auf unserem Blog erklärt, ist auch Thema bei Sigmar Gabriel. Er kritisiert die EU und deren späte Kritik an dem gerade überarbeiteten Gesetz. Die Bundesregierung steht unter Druck: Bis Freitag muss ein abschließender Entwurf fertig sein.
Das reformierte EEG unterscheidet sich grundsätzlich in einem Punkt von dem Ursprünglichen: Besitzer von regenerativen Anlagen müssen auch einen Teil der EEG-Umlage zahlen. Es ist aber noch nicht klar, ob Bestandsanlagen ebenfalls mit der EEG Umlage belastet werden. Die nun beschlossenen Änderungen siehe Gabriel als Notlösung, die er aber schon in einem Jahr korrigieren wolle. Näheres dazu können Sie auch hier lesen.
Gabriel macht zudem deutlich, dass er an der Ausnahmeregelung für Industrieunternehmen festhalten wolle. Denn bei einer Gesetztesänderung würde die Industrie mit mindestens 7,4 Milliarden und die Haushalte mit 12 Milliarden Euro mehr belastet, die sie nicht tragen könnten. Die umstrittene Belastung von Neuanlagen und Eigenstromversorger (Ausgenommen sind Kleinerzeuger) erklärt Gabriel den Teilnehmern des Kongresses gleich mit: 2015 müssen diese 30Prozent, und jährlich dann fünf Prozent mehr dazu. Generell hält er fest: „Das EEG hat inzwischen die Komplexität des Gesundheitswesens.“
Sigmar Gabriel nach seiner Rede im Dialog mit Hildegard Müller Foto: Julian Kugoth
Zukunftsvisionen im Schnelldurchlauf
Dann enwirft er Vision einer Energieagenda 2030 und 2040. Er schlägt Reservekraftwerke zusammen mit anderen europäischen Ländern vor. Auf seiner unmittelbaren To-do-Liste stehen: Der Netzausbau, Verbesserungen im Bereich Energieeffizienz und die Reformation des Emissionshandels. Trotz Ausgaben in Milliardenhöhe für den Ausbau der Erneuerbaren nämlich steige der CO2-Ausstoß weiter.
Kein Hartz IV für Kraftwerke
Zum Abschluss seiner Rede tritt er dann doch noch den anwesenden Konzernchefs auf die Füße. „Es wird kein Harz IV für Kraftwerke geben“, sagt er. Es sei nicht möglich, dass „Kraftwerke nicht arbeiteten, aber trotzdem Geld verdienten“. Sich der Angreifbarkeit dieses Vergleichs bewusst, schiebt der Wirtschaftsminister schnell nach: Viele Arbeitslosen wollten natürlich arbeiten, bekämen nur keine Aufträge.
Als Hildegard Müller, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, dann Gabriel vom Podium verabschiedet, greift sie den Vergleich noch einmal auf. Die Kraftwerke hätten ja „kräftig gearbeitet, aber kein Geld verdient.“ seine Antwort darauf: „Wie Ein-Euro-Jobber“. Diese Aussage kann so interpretiert werden, dass er die Aussage Müllers nicht so ganz ernst nehmen kann.
Mittwoch, 25.6.2014, 15.30 Uhr MEZ. Das Telefon klingelt im Redaktionsraum. Am anderen Ende der Leitung Günther Oettinger, EU-Kommissar für Energie und damit am Schalthebel für die Energiewende. politikorange gewährt er ein kurzes Interview bevor er ins Flugzeug nach Berlin steigt.
Credit: Copyright European Commission
Herr Oettinger, Energie, Energiewende, Europa – das sind für viele junge Leute abstrakte Themen, die weit weg sind. Wie versuchen Sie als EU-Kommissar, junge Menschen dafür zu begeistern?
Energie ist die Grundlage für das tägliche Leben: Keine Kälte, keine Wärme, keine Sicherheit, keine Industrie, keine Maschinen, keine Haushaltsgeräte, keine Mobilität, keine Gesundheit ohne Energie. Deswegen geht es darum, durch eine kluge Energiestrategie drei zentrale Ziele zu erreichen: Versorgungssicherheit, Umweltfreundlichkeit und Bezahlbarkeit. Die europäische Energiestrategie, die wir verfolgen, zieht natürlich die unterschiedlichen Potenziale unserer Mitgliedsstaaten in Betracht.
Sie waren nun eine Legislaturperiode lang EU-Kommissar für Energie. Wenn sie zurückblicken: Was war Ihr größter Erfolg, von dem speziell die junge Generation profitieren kann?
Wir haben erstmals die europäische Landkarte mit einem europäischen Energienetz und konkreten Projekten geplant: Dabei geht es zum Beispiel um grenzüberschreitende Strom- und Gasnetze, gemeinsame Gasspeicher und Terminals für Flüssiggas. Wir arbeiten an einem europäischen Energienetz, das in den nächsten Jahren verwirklicht werden soll, um hohe Qualität und ausreichend Kapazität bereitzustellen. Das Ziel ist es, dass für Energie hinsichtlich der Mobilität die gleichen Möglichkeiten entstehen sollen wie für Autos, Lastkraftwagen, Schiffe oder Schienenfahrzeuge.
Europa ist wichtig, Energiethemen sind wichtig – Sie besetzten quasi die Schaltstelle der Zukunft. Wem fühlen Sie sich mehr verpflichtet: Der Wirtschaft von Heute oder der Generation von Morgen?
Wenn man Generationengerechtigkeit ernst meint, dann sollte man nicht eine Generation gegen die andere ausspielen. Wir brauchen eine starke Wirtschaft und kluge Energiestrategien für die Gegenwart. Umgekehrt brauchen wir Investitionen in die Zukunft, damit für die nächsten Generationen keine Nachteile entstehen.
Welche Folgen hat es für Europa, wenn Russland der Ukraine den Gashahn zudreht?
Die Ukraine ist unser Partnerland. Wir werden alles tun, um sie bei der Sicherstellung ihrer Energieversorgung zu unterstützen. Überdies ist die Ukraine ein Transitland: 50 Prozent der Gaslieferungen aus Russland kommen durch die Ukraine zu uns. Ein anhaltender Stopp der Lieferungen von Russland an die Ukraine könnte auch für uns nachteilige Folgen haben. Wir sind bemüht, weiter zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Heute waren der ukrainische Energieminister und der Naftogaz-Chef bei mir in Brüssel, um ein nächstes Treffen zwischen Russland, der Ukraine und der Europäischen Union vorzubereiten.