Die Münchner Sicherheitskonferenz – Eine Bühne für globale Herausforderungen?

Politik

In einer Welt voller Unsicherheiten und Konflikte wird der Bayerische Hof zum Schauplatz, an dem sich Machteliten und Vordenker versammeln. Hier wird nicht nur über Strategien verhandelt, sondern auch über die Zukunft der globalen Zusammenarbeit. politikorange-Reporterin Nelly war vor Ort.

Vizepräsident JD Vance spricht auf der Main Stage im Hotel Bayerischer Hof. Foto: Marc Conzelmann/MSC

München – Vor dem eigentlichen Gelände der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) reihen sich die Polizeiautos am Straßenrand meilenweit hintereinander. Sie lassen nur diejenigen aufs Gelände, die einen Konferenzausweis bei sich tragen, und müssen den neugierigen Umstehenden, die sich zuhauf hinter der Absperrung tummeln, erklären, dass sie wirklich nicht daran vorbeikommen. Es folgen Sicherheitschecks. Sie inspizieren meine Handtasche gründlich und scannen mich mit einem Metalldetektor von oben bis unten ab.

Diese Checks wiederholen sich jedes Mal, wenn ich den abgesperrten Bereich um den Konferenzort des Hotels Bayerischer Hof verlasse. Und das kommt häufig vor, da das Areal groß ist und das Pressezentrum nahe einer Einkaufsmeile liegt, die im Gegensatz zum Bayerischen Hof normal zugänglich ist. Um dann jedoch ins Pressezentrum hinein zu kommen, durchlaufe ich eine Sicherheitskontrolle wie am Flughafen. Das Handgepäck geht über ein Laufband und wird gescannt. Ich muss durch einen Metalldetektor laufen und werde zusätzlich noch vom Sicherheitspersonal manuell abgetastet.

Das Pressezentrum wurde für nur drei Tage mitten in der Münchner Innenstadt aus dem Boden gestampft für über 12.000 Medienschaffende aus mehr als 60 Ländern. Hier werden die Podiumsdiskussionen aus den Konferenzhallen im Bayerischen Hof live übertragen. In den Bayerischen Hof komme ich nicht selbstständig. Begleiter des „Media Operation Teams“ der Konferenz führen eine begrenzte Anzahl von Journalist*innen und Fotograf*innen zum Ort der Veranstaltung, bleiben die ganze Zeit bei ihnen und begleiten sie anschließend wieder aus dem Hotel. Wir können uns nicht frei bewegen, sind aber trotzdem hautnah dran.

Ins Pressezentrum und auf das Gelände kommt man nur mit Konferenzausweis. Foto: Nelly Sachs/Jugendpresse Deutschland e.V.

Es herrscht geschäftiges Treiben auf der Konferenz. Es ist so voll. Jeder will irgendwo hin. Es ist schier unmöglich, niemandem Berühmtem über den Weg zu laufen. Am Tag seiner Rede geht Wolodymyr Selenskyj – Präsident der Ukraine – ungefähr einen Meter entfernt von mir, begleitet von seiner Entourage, zur Großen Bühne. Julija Nawalnaja – russische Menschenrechtsaktivistin und Ehefrau des verstorbenen Oppositionsführers Alexei Nawalny – eilt auf der Straße an mir vorbei. Am Sonntag sehe ich Außenministerin Annalena Baerbock, gefolgt von zwei Sicherheitsleuten am Münchner Hof vorbei joggen. Vor dem Hotel fahren die Delegierten vor. Die Chinesischen mit 15 Konvois.

Globale Sicherheit auf der Kippe

Die Top Themen der drei Tage: Ukraine-Krieg, Krisen im Nahen Osten, Technologie und Demokratie. Klima kommt nur selten vor. Die Zukunft der Ukraine steht sehr im Fokus.

Ich sitze bei dem Gespräch mit Palästinas Premierminister Mohammad Moustafa. Er blickt optimistisch in die Zukunft und spricht von Plänen, Gaza in nur 3 Jahren wieder aufzubauen. (Die UN peile dafür 15 Jahre an, so Moderatorin Christiane Amanpour.) Es würde viel Hilfe, vor allem Zelte gebraucht, aber die Bevölkerung hätte nicht ihr Zuhause, sondern geliebte Menschen verloren. Jeder habe Angst vor Kriegen, so Moustafa, aber von Gaza könne man lernen. Es gäbe Möglichkeiten, das Richtige zu tun und den Frieden wiederherzustellen.

Metas Politikchef Joel Kaplan spricht derweil davon, dass die Regulierung von Technologien zu einem großen Nachteil für Europa geführt hätte und dass Europa seine Chance nicht nutzen würde. Er sieht die Strafen, die von der EU verhängt worden, als unfaire Handelsdiskriminierung. Als Lobbyist kann er wahrscheinlich auch nichts anderes sagen. Ob bei Social Media oder KI, die europäischen Teilnehmer*innen der Diskussion – Manfred Weber, Luc Frieden und Franziska Brandner – sind sich einig, dass es Regelungen und Kontrollmechanismen brauche. Luc Frieden, Luxemburgs Premierminister, betont, Europäer müssten bei den Prinzipien bleiben, an die sie glauben. Europa soll aber auch wettbewerbsfähig bleiben. Dazu sei es wichtig, dass Europäer auf ihre Stärken setzen und grenzübergreifend zusammenarbeiten. „Die Herausforderung werde darin bestehen, so schnell zu sein wie andere Länder, die andere Strukturen haben, wie die USA oder China“, so Frieden.

Demokratie in der Krise

Vier starke Frauen setzen auf dem letzten Panel der Demokratie ein Denkmal. Die Diskussion bildet gewissermaßen das Gegenstück zum Beginn der Konferenz, wo JD Vance, Vizepräsident der USA, mit seiner Rede rechte Positionen normalisiert und für den Fall der Brandmauer plädiert. Er zog Parallelen zwischen Greta Thunberg und Elon Musk – habe sie Greta Thunbergs Äußerungen überlebt, würde die deutsche Demokratie auch Musk überleben. Amerika könne keinem Land helfen, das Angst vor den eigenen Wählern habe. Er spricht von schlimmen Zuständen in Europa und Zensierung, im Gegensatz zur Trump-Regierung, wo man frei seine Meinung äußern könne.

Abschlusspodium „Never Waste a Quarter-Life Crisis:New Solutions in a Polarized Century“. Foto: Dominik Berchthold/MSC

Sviatlana Tsikhanouskaya, Bürgerrechtlerin und Präsidentschaftskandidatin von Belarus; Utaara Mootu, Parlamentarierin aus Namibia; Aleksandra Uznańska-Wiśniewska, Polnische Parlamentarierin und Elena Motta, Kongressabgeordnete aus Guatemala sprechen über Lösungen für die Krisen unseres polarisierten Jahrhunderts. Svetlana Tichounovskaya appelliert an unsere Verantwortung, Werte wie Menschlichkeit zu schützen. „Menschen verbluteten für Freiheit“, so Tichounovskaya. Es ginge aber nicht nur um Menschen, die gegen autokratische, totalitäre Regime kämpfen. In allen Ländern sei die Demokratie bedroht. Jeder sei verantwortlich, dass diese demokratischen Werte gerettet würden. Dazu müsse man aber wissen, was Demokratie sei. Viele junge Menschen könnten das nicht einmal definieren, da sie es jeden Tag erleben und als Selbstverständlichkeit ansehen würden.

Mootu treibe die Krise der Ungleichheit um, die insbesondere Menschen im Globalen Süden beträfe. Motta sieht eine Krise der Generationen. Man müsse aus den Fehlern des vergangenen Jahrhunderts lernen, um sie nicht zu wiederholen, sagt sie.

Uznańska-Wiśniewska spricht von der Krise der Demokratie mit Blick auf den um sich greifenden Populismus. Wie man junge Menschen abholen könne, fragt jemand aus dem Publikum. Die Parlamentarierin antwortet, man müsse direkter und klarer sprechen als Populisten rechter Parteien. Egal ob AfD oder Le Pen in Frankreich, sie alle hätten das sogenannte “Demoralisierungs-Narrativ” gemeinsam, das auf einem Feindbild (i.d.R. Migrant*innen) basiere. Es müsse gezeigt werden, wie gefährlich das sei, da junge Menschen sich beispielsweise oft von Radikalen angesprochen fühlen würden. Es bräuchte einen Narrativwechsel. Durch Zwang kriege man die Jungen nicht dazu, Wählen zu gehen. Was helfe, sei zu reden, ihnen zu sagen: “Wir brauchen euch.” Denn die Alternative, engagierte man sich nicht, würde eine schlechtere, ungerechtere Welt sein.

Alter und neuer Konferenzleiter zum Abschluss auf der Bühne Christoph Heusgen (rechts) und Jens Stoltenberg (links). Foto: David Hecker/MSC

Zum Abschluss der Konferenz wird es noch einmal sehr emotional und bewegend. Christoph Heusgen spricht von der 61. Sicherheitskonferenz als einer der bedeutendsten. Europe sei kein „nice to have“, sondern ein „must have“. Mit dem Ende der Konferenz legt er sein dreijähriges Amt als Leiter nieder. Im Verlauf der Rede bricht er in Tränen aus. Ihm fehlen die Worte, er kann nicht zu Ende sprechen. Neuer Leiter, Jens Stoltenberg, schließt: „Die Konferenz war schon immer wichtig, aber in Zeiten des Umbruchs ist sie noch wichtiger.“


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