Verlorenes Vertrauen: Warum junge Wähler*innen in Thüringen zur AfD abdriften

Immer mehr Jungwähler*innen in Thüringen kehren den demokratischen Parteien den Rücken und wenden sich der AfD zu. Wieso ist die junge Generation so unzufrieden mit der Landespolitik? 

Wahlkampfabschluss der AfD auf dem Domplatz in Erfurt, einen Tag vor der Landtagswahl. Die Stimmung ist aufgeheizt. Während auf der einen Seite Anhänger*innen der Partei Deutschlandfahnen schwingen und auf Alice Weidel warten, demonstrieren Tausende gegen die AfD und den Rechtsruck in Thüringen.

Protestierende auf der Demo gegen die AfD.
Protestierende auf der Demo gegen die AfD. Foto: Caroline Sauter

Die Sonne knallt auf den Platz, derweil verhindern vermummte Polizist:innen als schwarze Wand das direkte Aufeinandertreffen von Unterstützer*innen und Gegner*innen der AfD. Demonstrant*innen halten Plakate mit der Aufschrift „Höcke, halt dein dummes Wessimaul!“ oder „Nie wieder 1933“ in die Luft, Protestschreie erfüllen die Stadt.  

Junge, aufgebrachte Demonstrierende vor Ort finden:

Als Jugendlicher fühlst du dich schon irgendwo allein gelassen von der Politik

– die AfD zu wählen sei für sie aber keine Alternative. Doch Zahlen zeigen etwas anderes:  Laut der U18-Wahl des Kinder- und Jugendprojekts „Netzwerk U18“, welche jedes Mal kurz vor den Landtagswahlen durchgeführt wird, würden mehr als 37 Prozent der unter 18-jährigen die AfD wählen; im Vergleich zu den letzten Landtagswahlen 2019 knapp doppelt so viele. Den Grund für dieses Ergebnis sehen die Jugendlichen auf der Demonstration auch in der Politikunzufriedenheit. Die AfD hingegen würde mit ihren Wahlplakaten auch gezielt junge Menschen ansprechen – ein Plakat zeigt den Slogan „Ja! Zur Jugend!“ mit Björn Höcke im Hintergrund. 

Im Gespräch mit Christian Schaft.
Im Gespräch mit Christian Schaft. Foto: Caroline Sauter

Christian Schaft, Landesvorsitzender der Linkspartei, sei bei Diskussionen mit jungen Menschen in letzter Zeit besonders aufgefallen, dass diese sich oftmals nicht ernst genommen fühlen. Er glaubt, es brauche mehr Kontakt mit Jugendlichen auf Augenhöhe: „Dann schaffen wir es auch mehr Vertrauen der Jugendlichen in die demokratischen Parteien zu gewinnen“. In seinen Gesprächen sei für viele die größte Sorge:

Ist eigentlich die Zukunft, die mich erwartet, noch lebenswert und vor allem auch bezahlbar?

Auch Laura Wahl, bislang Abgeordnete der Grünen im Thüringer Landtag, beobachtet negative Zukunftsaussichten von Jugendlichen. Geringe Ausbildungslöhne und Kostensteigerungen, die besonders junge Menschen betreffen, erhöhen das Armutsrisiko unter Jugendlichen deutlich. Und eine neue Studie des ifo-Instituts zeigt: Je größer die Armutsgefahr, desto höher die Bereitschaft, rechts zu wählen – vor allem in ostdeutschen und strukturschwachen Regionen, wo sich ein Vertrauensverlust in die demokratischen, etablierten Parteien durch den Aufstieg der AfD bemerkbar macht. Die Wahl der AfD wird somit immer mehr zum Standard in Thüringen. Eine andere Partei zu wählen, würde vor allem in ländlicheren Regionen als seltsam angesehen, meint Henry Bernhard, thüringischer Landeskorrespondent des Deutschlandfunks. Das betreffe allerdings nicht nur junge Menschen, sondern alle Altersgruppen. Bernhard beschreibt, dass politische Bildung gar nicht, oder eben „am Abendbrottisch“ stattfinde. Davon profitiere vor allem die AfD. 

Am Wahltag meint eine junge AfD-Wählerin aus Suhl als Antwort auf die Frage, ob sie unzufrieden mit der aktuellen Politik sei, nur: „Also ehrlich gesagt beschäftige ich mich da nicht viel mit“. Sie kenne viele in ihrem Umfeld, die die AfD unterstützen. Wieso sie selbst sich entschieden hat, dieser Partei ihre Stimme zu geben, möchte sie aber nicht sagen.  

Die Wahlergebnisse zeigen letztendlich nochmal deutlich: Jungwähler*innen sind überzeugt von der AfD – 37 Prozent der 18 bis 24-Jährigen in Thüringen haben diese Partei gewählt. Die etablierte Politik steht nun vor der Herausforderung, das Vertrauen Jugendlicher zurückzugewinnen, um der zunehmenden Polarisierung entgegenzuwirken und die politische Landschaft nachhaltig zu verändern. Besonders auf dem Land muss es mehr Austausch zwischen Politik und Wähler*innen geben – damit diese Menschen sich auch gesehen fühlen und Jugendliche sich ihre eigene Meinung bilden, ohne die ihres Umfelds einfach zu übernehmen. 

 

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