Ein grelles Crescendo mit langem Nachhall

Der beispiellose Wahlkampf in Thüringen ist vorbei, die Stimmen abgegeben. Und am Himmel über Thüringen und Berlin brauen sich schon dunkle Wolken zusammen. Ein Kommentar.

Schriftzug des Thüringer Landtags auf der Mauer des Landtags.
Wer künftig mit wem im Thüringer Landtag, ist gegenwärtig völlig offen. Klar ist: Von Erfurt geht ein Beben aus. Foto: Christian Lütgens

In Thüringen und Sachsen – nach wie vor von vielen als „der Osten“ über einen Kamm geschert – waren von 5,3 Millionen zirka 4,9 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen und haben ein Paukenschlag erschallen lassen. Kein Unerwartetes – Hundertschaften an Journalistinnen und Journalisten haben sich lange im Voraus akkreditiert – aber Eines mit Ausrufezeichen. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass manche Koalitionsoption aus Blau-Schwarz-Weinrot besteht und Grün, Rot, Gelb, Pink kaum oder gar nicht mehr auftauchen? Gleichwohl wäre es verkehrt zu behaupten, „der Osten“ wähle Blau, also eine in Teilen extremistische Partei. Tut er zu knapp 70 Prozent nicht, womit ein beliebtes Narrativ der AfD schnell widerlegt wäre. 

Wahlplakate in Thüringen an einer Laterne
Der Wahlkampf ist vorbei, die richtige Arbeit beginnt nun aber erst. Zumindest für diejenigen, die den Einzug in den Landtag geschafft haben. Foto: Christian Lue

Komplexer wird es bei der Frage, ob sich die Alternative oder das Bündnis bei einer möglichen Regierungsbeteiligung entzaubern oder etablieren würden, zumal landespolitische Themen kaum eine Rolle gespielt haben in diesem Wahlkampf. Klar dürfte indes sein: Von Figuren wie der russlandfreundlichen Solisten Sarah Wagenknecht oder dem führungsambivalenten Faschisten Björn Höcke ist – unabhängig von der jeweiligen Sache – kaum Geräuschlosigkeit zu erwarten. Das Crescendo muss mit dem Wahlsonntag um 18 Uhr nicht seinen Höhepunkt erreicht haben. Apropos: Laut echot hoffentlich aber der Vorwurf vieler Ostdeutscher, nicht richtig verstanden und ausreichend repräsentiert zu werden. Das muss im Bund und in Berlin endlich ernst genommen werden. Ernst nehmen heißt aber nicht die Aufgabe der eigenen Werte und Vorstellungen weiterhin unterstützt werden, die Erinnerungskultur darf nicht vernachlässigt, sondern muss gestärkt werden.

Wer spielt abseits von BSW und AfD noch eine nennenswerte Rolle in Thüringen? Die Parteien der selbsternannten Übergangskoalition nicht. Die Linke mit ihrer elendigen Zerstrittenheit und mehrheitsunfähigen Identitätspolitik ist auf dem sicheren Weg in die absolute Bedeutungslosigkeit. Und auch, wenn die CDU um Mario Voigt sich als einer der Wahlsieger der politischen Mitte feiern lässt: Der Partei mit ihrem Bundesvorsitzenden gelingt es nach wie vor nicht, die Stimmen der Unzufriedenen für sich zu gewinnen. Das kühne Versprechen Merz’, er werde die Werte der AfD halbieren, hat sich zu einer dunklen Wolke verwandelt, die auch noch bis ins nächste Jahr über ihm und im Übrigen auch über den Ampelparteien schweben wird. Denn schon Ende September sind Wahlen in Brandenburg und 2025 ist Bundestagswahl. Der Nachhall der Wahlergebnisse in Sachsen und Thüringen könnte lang werden. 

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