Lob und Protest prägen die Görlitzer AfD-Wahlkampfveranstaltung. Während Kandidat*innen auf der Bühne ihre Anhänger*innen mobilisieren, reagieren Gegendemonstrant*innen mit Widerstand.
Die Menge jubelt. „Wir wollen nicht mit dem links-woke-kommunistischen Gendergaga zugemüllt werden!“, ruft AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel über den Görlitzer Marienplatz. In der Luft flattern die blau-weißen Fahnen der AfD, die von einer applaudierenden Menschenmenge hochgehalten werden. Ungefähr 300 Menschen haben sich versammelt. Auf der Bühne lächelt Weidel in die Menge. Vor sich hält sie ein T-Shirt mit der Abbildung einer Deutschlandkarte, die im Osten blau gefärbt und mit einem roten AfD-Pfeil markiert ist. Sie appelliert: „Macht uns zur stärksten Kraft!“ Die Menschen jubeln erneut, schwenken Fahnen, haben einen hoffnungsvollen Blick in den Augen. Man spürt die Emotionen und Euphorie der Teilnehmenden.
Die Bühne ist simpel. Ein schmales Banner mit dem Logo der AfD links und rechts und der Überschrift „Damit Sachsen Heimat bleibt!“ hängt über den Köpfen der Redner*innen. Im Hintergrund hängt ein großes blaues Banner, auf dem in weißer Schrift das Wort Machtwechsel steht. Auf der Bühne steht ein Podest mit Mikrofonen. Redner André Wendt, Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes Dresden, heizt das Publikum an: „Es steht schlecht um unser Land!“ Und: „Die derzeitige Regierung fährt unser Land an die Wand!“ Immer wieder wird er unterbrochen von Applaus und zustimmenden Rufen. Seine Message: Einzig und allein die AfD könne dem Untergang entgegenwirken. Nur durch den „Friedenskurs der AfD“ könne die „Kriegstreiberei“ ein Ende haben.
Seitenscheitel, Reichsadler, Vaterland
Die Menschen vor der Bühne sind eine eher weniger bunte Mischung aus Jung und Alt. Sie haben sich mit Plakaten und Fahnen ausgestattet und sind blau, weiß, rot gekleidet, teilweise T-Shirts mit dem Logo der AfD. Gerade junge Männer tragen zu ihrem strengen Seitenscheitel Thor Steinar, Lonsdale und Fred Perry. Ein Mann trägt ein großes Tuch, mit nationalsozialistischen Farben, Reichsadler, eisernem Kreuz und dem Spruch „Mein Vaterland“ drauf. Polizist*innen sind um den ganzen Platz verteilt und haben sich ebenso in den Nebengassen aufgestellt.
Zuversichtlich betritt dann auch Co-Chef Tino Chrupalla die Bühne, winkt dem Publikum zu, welches wieder laut applaudiert. Chrupalla trägt blaue Jeans und weißes Hemd. Er ruft: „Die Aufgabe eines Staates ist nicht, uns zu sagen, was wir zu essen haben, welches Auto wir zu fahren haben, was wir und mit welcher Heizung wir zu heizen haben!“ Stattdessen fordert er Kohle, Kernkraft und Gas aus Russland. Der Osten schmiere ab und benötige eine Sonderwirtschaftszone. Die Stimmung des Publikums fährt besonders auf, als Chrupalla zur Coronapandemie kommt. Er spricht von einer notwendigen Aufarbeitung und der Aussetzung der Grundrechte und Freiheit der Pandemie. Mit lautem Beifall fordert er: „Ohne die AfD darf es keine Politik in Sachsen mehr geben!“
Dann setzt Weidel fort, was Chrupalla bereits angestoßen hat. „Wer übernimmt die Verantwortung für die Lügen, die man uns aufgetischt hat? Wer übernimmt die Verantwortung für die Lügen?“ Sie bezieht sich auf die Coronapandemie. Mit fester Stimme fordert sie eine Entschädigung für die Coronamaßnahmen. Sie spricht von einer „unmenschlichen Politik“, durch die Kinder und Rentner vereinsamten. Groß gestikulierend schneidet sie das nächste Thema an. Sie malt das Bild einer deutschen „Afghanistanregierung“, welche „Tausende von Einzelfällen“ relativiere, und fordert die Schließung der Grenzen, Migrationsstopp und die „Beendung der Zustände“. Sie skizziert den „Niedergang unserer Kultur“ und spricht von einer „Verblödung unserer Kultur und unserer Religion“. Die Versammlung endet mit der deutschen Nationalhymne.
Gegendemonstration auf der anderen Seite
Währenddessen versammelt sich eine Gegendemonstration rund 30 Meter entfernt. Zwei Organisationen der Zivilgesellschaft, die Klare Kante und die Engagierten Bürger:innen, stehen hinter einem großen Banner mit dem Aufdruck „Wenn Nazis Angreifen, ist Antifaschismus die richtige Antwort“. Es sind um die 50 Menschen, unterwegs mit Plakaten, Regenbogenflaggen und bunter Kleidung. Sie rufen „Nazis raus!“, „kein Recht auf Nazipropaganda!“ und „Ihr seid nicht der Widerstand!“. AfD-Anhänger*innen bewegen sich in Richtung der Gegendemonstration. Polizist*innen rennen zum Platz, mehrere Polizeiautos fahren mit Blaulicht zu der Menge. Sie stellen sich Rücken an Rücken zwischen die Gegendemonstrant*innen und AfD Anhänger*innen. Männer stellen sich mit einer AfD-Fahne vor die Gegendemonstration. Alle Rufe werden lauter. AfD-Anhänger*innen brüllen: „Fickt euch doch!“ Und: „Deine Eltern sind Geschwister!“
Die Polizist*innen blicken kritisch über die Masse. Die Gegendemonstrant*innen starten ihre Laufstrecke. Mit Blaulicht eskortiert, schreitet die Menge durch die Görlitzer Stadt. Begleitet werden sie von den letzten AfD-Sympathisant*innen. Diese strecken ihnen den Mittelfinger entgegen.