Das Demokratiemobil war unter dem Titel „Demokratie im Einsatz“ rund um die bayerischen Landtagswahlen in München unterwegs. Neben niedrigschwelligen Bildungsangeboten bietet dieses Mobil vor allem die Möglichkeit miteinander ins Gespräch zu kommen, über politische Teilhabe, Demokratie und natürlich Wahlen.
Ein angerostetes rotes Feuerwehrauto aus den 60er-Jahren mitten auf dem Vorplatz eines Münchner Einkaufszentrums. Vor der “Meile“ in Moosach, dem ältesten Viertel der bayrischen Landeshauptstadt, herrscht reges Treiben. Menschen wollen ihre Wochenendeinkäufe erledigen, doch immer wieder bleiben die Blicke an dem Wagen und den davor aufgebauten Attraktionen hängen. Vor dem altehrwürdigen Gefährt sind verschiedene Kuriositäten aufgebaut, man hört Kinderlachen und Gespräche, in denen immer wieder die Worte “Politik“ und “Demokratie“ fallen.
„Das Ziel ist, dass wir mit allen Leuten auf der Straße ins Gespräch kommen, auf Augenhöhe miteinander sprechen und möglichst niedrigschwellig politische Bildung anbieten – auch Menschen, die sich das nicht bewusst oder von sich aus aufsuchen würden. Vom grundlegenden Demokratieverständnis bis hin zu politischen Strukturen wollen wir über alles aufklären“, erklärt Ulrike Ahnert, die Fahrerin und Projektleiterin des “Demokratiemobils“.
Seit 2017 wird das Demokratiemobil eingesetzt, erstmals zur damaligen Bundestagswahl. “Die immer niedriger werdende Wahlbeteiligung in manchen Städten waren der Anlass zur Gründung des Demokratiemobils. Wir wollten mit den Menschen ins Gespräch kommen und erfahren, was sie wirklich umtreibt“, schildert Sylvia Holhut, die in eine der Vorgänger*innen von Ahnert als Projektleiterin war und das Demokratiemobil an diesem Tag besucht.
Als Beispiel für das verbrauchte große Wahlpotenzial dient ein Blick auf die Ergebnisse der Landtagswahl in Bayern 2018: mit insgesamt 28% wäre eine fiktive Partei der Nichtwähler*innen die stärkste Kraft im Landtag. Als mögliche Erklärung für die hohe Zahl dienen Erkenntnisse eine Studie von infratest dimap unter jungen Nichtwähler*innen: jede dritte befragte Person gab an, kein Interesse an Politik zu haben bzw. generell nicht wählen zu gehen.
Menschen aus allen Altersklassen und Schichten kommen
Ein Demokratie-Rad, eine Wahlkabine zum Üben und die Wertewaage – das sind nur ein paar der Spiele, die vor dem Wagen aufgebaut sind, um dem Phänomen des fehlenden Kontakts zur Demokratie entgegenzuwirken. Alle Spielformen sind so gedacht, dass sie zum Mitmachen anregen und anschließend Gesprächsstoff bieten. Das Wichtigste sei, dass die Spiele niedrigschwellig sind, betont Ahnert. „Wo kommt die Skepsis her? Kennen Sie Möglichkeiten, um etwas daran zu ändern? Das sind typische Fragen, die wir den Teilnehmenden danach stellen und kommen dann ins Gespräch.“ Ahnert schildert, dass das Angebot sehr gut funktioniere und auch die ehrenamtliche Helferin Julia hat positive Erfahrungen gemacht: „Ich finde es cool, dass man mit Leuten spricht, mit denen man sonst nie reden würde. Die Menschen kommen aus allen Altersklassen und sozialen Schichten.“ Das erkennt man auch an diesem Nachmittag: alle Helfer*innen sind wieder und wieder in Gespräche mit Passanten aus allen Altersstufen verwickelt. Viele bleiben stehen und nehmen an den Mitmachaktionen teil.
Bei einer Abstimmung per Tischtennis-Ball werfen ein Kind und seine Mutter orange oder weiße Bälle in eine transparente Vorrichtung und geben in dieser Form eine Stimme zu Aussagen wie „Ich werde gerecht behandelt“ ab. Informationsmaterialien kann sich jeder mitnehmen, vom Grundgesetz in mehreren Sprachen bis zu verschiedensten Ratgebern liegt alles aus. Dabei findet man keine Parteiwerbung: das Demokratiemobil arbeitet überparteilich, über einzelne Parteipositionen gibt es keine Auskunft. „Gegenüber ausgrenzendem, rassistischem und menschenfeindlichen Gedankengut“ bezieht man jedoch jederzeit Position, wie es auf der Homepage heißt.
Besonderer Beliebtheit erfreut sich das Wa(h)l-Lokal. Zwei Jugendliche stehen vor einem Planschbecken, mit einer Angel fischen sie verschiedenfarbige Wale heraus, auf deren Rückseite eine Nummer steht. Diese Nummer verweist auf ein Quiz, welches die beiden anschließend mit einer der Helfer*innen durchgehen und besprechen. „Durch die Mitmachaktionen können wir auf Augenhöhe mit den Menschen sprechen und gemeinsam über Politik nachdenken“, sagt Ahnert.
Gespräche auf Augenhöhe
Die Spiele haben sich Ahnert und ihr Team selbst überlegt und überarbeiten sie laufend. Als größte Herausforderung beschreibt die Projektleiterin dabei: „Es ist nicht einfach niedrigschwellig zu arbeiten, manchmal ist es trotzdem noch zu akademisiert. Wir wollen auch mehr Angebote für Nicht-Deutschsprachige anbieten.“
„Es ist schwierig zu merken, da es keine Messbarkeit gibt. Wir bekommen auf jeden Fall viel gutes Feedback von den Menschen und das ist der Impact und der Erfolg, den wir mit nach Hause nehmen“, antwortet Ulrike Ahnert auf die Frage, welche Erfolge sie mit dem Demokratiemobil erreicht hat. Ein Tag vor der bayrischen Landtagswahl zeugen die vielen Gespräche und Diskussionen davon, dass die Vermittlung von politischer Bildung auch vor einem knallroten angerosteten Feuerwehrwagen funktionieren kann.