Viele junge Menschen mit Migrationsgeschichte fühlen sich unterrepräsentiert. Warum sie dies nicht akzeptieren wollen und was sie sich für die Zukunft wünschen, erfuhr ich auf den JugendPolitikTagen 2023 in Berlin.
Trotz einem Bevölkerungsanteil von über 27% haben nur unter 6% der Landtagsabgeordneten in Deutschland eine Migrationsgeschichte oder Eltern mit Migrationsgeschichte. Warum gibt es in Deutschland nur 4 Bürgermeister mit Migrationsgeschichte, einer davon aus Österreich? Weshalb dürfen Menschen, die seit über 40 Jahren in Deutschland leben und Großeltern von zwei Generationen deutscher Staatsbürger sind nicht wählen? Diese und viele weitere Fragen stellten sich die Teilnehmer*innen der AG „Almans made in Germany“ auf den JugendPolitikTagen vom 11.-14. Mai in Berlin.
Die Teilnehmer*innen waren zwar aus den unterschiedlichsten Gründen auf den JugendPolitikTagen, aber waren sich in einer Sache einig: Sie wollten in einem Land leben, in dem sie mitbestimmen dürfen. Während Mohammad aus Memmingen noch um seine unbefristete Duldung kämpfen muss, kandidiert Atakan aus Braunschweig bereits für die SPD in seinem Landkreis. Sein eigener Großvater kann ihn allerdings nicht wählen.
Eines ist allerdings allen klar: „Oft fehlen uns die Räume, in denen wir mitteilen können, was uns auf dem Herzen liegt“, so Amina, die bereits Erfahrungen mit Diskriminierung machte: „Rassismuskritisches Denken und Kolonialgeschichte findet an deutschen Schulen nicht statt“.
Unter der Führung von AG-Leiterin Manal Laabich (@manalofbelair) erarbeiteten die Teilnehmer*innen zusammen das Konzept „Almanya 2050“, in dem sie Ideen für ein faireres Deutschland in der Zukunft sammelten. Ein wichtiger Punkt war hier ein Ansetzen an den Wurzeln der Probleme: Bildungsreformen, Jugendarbeit, ein wertungsfreies Miteinander und eine gerechte Verteilung von finanziellen Mitteln in der Bevölkerung. Es kamen aber auch Lösungsideen für Generationskonflikte oder die Pflegekrise auf den Tisch. Außerdem gab es konkrete Lösungsansätze, die man sofort implementieren könnte. Amina etwa hat eine Idee: „Ich fände es super, wenn es ab morgen Anlaufstellen oder Safe Spaces geben würde, wo man sich über Erfahrungen mit Diskriminierung oder Rassismus, etwa von einer Lehrkraft oder Trainer*in ausgehend, beschweren könnte.“
Weitere Impulse bekamen die Teilnehmenden von Dr. Deniz Nergiz, die mit ihrer Organisation „YoungUp!“ dabei hilft, junge Menschen mit Migrationsgeschichte politisch zu bilden und zu fördern. Sie zeigte der AG die Missstände und das Ausmaß der Unterrepräsentation auf. Nergiz weiß: „Der Anteil von Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte an der wählenden Bevölkerung wird nur wachsen, daher müssen sich die Parteien anpassen, wenn sie ihre Macht nicht verlieren wollen.“
Eins ist mir nach zwei Tagen klar: Die Teilnehmer*innen dieser AG werden auf keinen Fall aufgeben, bis sie sich in dem Land, in dem sie leben, gehört und ernstgenommen fühlen. Amina betont zum Ende unseres Gespräches: „Wir träumen alle von einer chancengerechteren Welt.“