Es wird plakatiert, geflyert, mit Blumen und Ballons um sich geschmissen – in der Liebe und im Wahlkampf ist alles erlaubt. Die politikorange-Redaktion hat den Endspurt zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein hautnah miterlebt.
Große Überraschungen waren in den letzten Tagen vor der Wahl nicht mehr zu erwarten. Die Umfragen ließen einen klaren Sieg der CDU und ein Kopf-an-Kopf-Rennen der SPD und Grünen um den zweiten Platz vermuten. Daniel Günther, amtierender Ministerpräsident und Spitzenkandidat der Christdemokrat*innen, konnte es sich auf einem Polster aus komfortablen Beliebtheitswerten gemütlich machen.
Doch natürlich setzten seine Kontrahent*innen, Monika Heinold (Grüne) und Thomas Losse-Müller (SPD), zum Überholversuch an. Redakteurin Antonia Tönnies begleitete Losse-Müller die letzten 48 Stunden vor dem historisch schlechtesten Wahlergebnis der Sozialdemokraten. Lag es an den Inhalten?
Neben den Big Playern hat das nördlichste Bundesland auch eine Eigenheit in der politischen Landschaft zu bieten: Den Südschleswigschen Wählerverband. Doch die lütte Partei der dänischen Minderheit ist gar nicht mehr so klein. Bei dieser Wahl war sie nicht einmal mehr auf die Ausnahme von der Fünf-Prozent-Hürde angewiesen. Starke 5,7 Prozent errang der SSW. In ihrem Artikel spürt Eileen Linke der Frage nach, wie es der Partei gelang, auch Nicht-Dän*innen von sich zu überzeugen.
Aber ob groß oder klein, eines betreibt quasi ausnahmslos jede Partei: Wahlkampf. Doch wie genau man den am besten organisiert, daran scheiden sich die Geister. Analog oder digital, bunt oder schwarz-weiß, mit Rosen oder Tulpen? Kristin Finke hat nachgeforscht, was den Stimmenfang von heute auszeichnet und wie er abläuft. In ihrem Potrait der Grünen-Wahlkampfmanagerin Patricia Nnadi gewährt sie außerdem Blicke hinter die Kulissen.
Wahlentscheidungen können durch viele Faktoren beeinflusst werden – von der Personenwahl bis zur medialen Berichterstattung spielen vielfältige Variablen in die Gleichung, die ein Kreuz bei der einen oder doch der anderen Partei zum Ergebnis hat. Politikromantiker*innen glauben gar, dass auch die Inhalte eine Rolle spielen. Was ist da für mich drin? – Diese Frage sollten idealerweise die Wahlprogramme den Bürger*innen beantworten. Content Creatorin Johanna Brüggemann hat am 211-seitigen Wahlprogramm der Grünen mitgeschrieben. Im Interview mit Yasmin Orouji erzählt sie, wieso, weshalb und warum.
Wenig überzeugend fand Redakteurin Mirjam Lichtner die programmatischen Antworten der Parteien auf die Unterrepräsentation von weiblich gelesenen Personen in den Disziplinen Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – kurz MINT-Fächer. Sie meint: Es wird Zeit für ein neues Image! Dazu hat sie auch direkt ein paar Anregungen für die zukünftige Regierung in Schleswig-Holstein.
Natürlich sind auch am ‚echten Norden‘ die Inflationssorgen der vergangenen Monate und der Ukrainekrieg nicht spurlos vorbeigegangen und rückten deshalb in den Vordergrund des Wahlkampfes. Andere Themen, wie Klima- und Sozialpolitik, blieben dabei ein wenig auf der Strecke. Grund genug für Charis Ann Gibson, sie mit zwei Reportagen zu Fridays for Future und dem Kieler Vinetaplatz wieder ins Rampenlicht zu holen.
Nun ist es also geschafft. Der Wahltag brachte die Erkenntnis, dass Wahlkampf wohl vor allem eins kann: Richtig gute Geschichten erzählen. Und während sich die Parteimitglieder auf den Wahlpartys entweder die Wunden leckten, oder mit dem neuen alten Ministerpräsidenten zu Helikopter 117 auf der Tanzfläche abfeierten, hielten Johanna Glinski und Thomas Fries weiter die Kamera drauf und fragten: Was ist das beste an der Wahlparty?