Mit der Jugendstrategie beschloss das Kabinett etwas noch nie da Gewesenes. Zum ersten Mal wurden von der Bundesregierung Empfehlungen erarbeitet, die dazu dient junge Menschen stärker in politische Prozesse einzubinden. Kommt jetzt die Revolution in der Jugendpolitik? Das hat sich Camilla Pahmeyer gefragt.
So jung war der internationale Konferenzraum im Kanzleramt noch nie: rund 120 Jugendliche und junge Erwachsene waren vor Ort, als Kanzlerin Angela Merkel und Jugend-Ministerin Franziska Giffey am Dienstag die Jugendstrategie der Bundesregierung vorstellten. Diese war zuvor im Kabinett offiziell beschlossen worden. Große Teile der jungen Menschen waren am Entstehungsprozess der Strategie beteiligt: bei den JugendPolitikTagen im Mai dieses Jahres erarbeiteten sie konkrete Empfehlungen an die Jugendstrategie der Bundesregierung.
Ziel der Bundesregierung ist, Jugend sichtbar zu machen und ihnen eine Plattform für mehr Möglichkeiten zur Beteiligung zu bieten. Denn „alle Ministerien stehen in der Verantwortung, die Auswirkungen ihres politischen Handelns auf junge Menschen zu beachten“, so die Bundesregierung.
Jetzt soll die Jugend handeln
Von Seiten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) heißt es: „Wir nehmen junge Menschen ernst und ermöglichen ihnen wirksame Mitsprachemöglichkeiten, wenn sie betroffen sind.“ Wie wirksam diese in Zukunft sind, das werden die kommenden Monate zeigen. Zwar wird immer wieder betont, dass die jungen Menschen selbst die Jugendstrategie mitentwickelten und ein wichtiger Teil des Entstehungsprozesses waren. Dabei beschreibt ein Teil der 163 Maßnahmen nur, was bereits in der Vergangenheit umgesetzt wurde. Umso wichtiger ist daher die Überlegung, wie nun der andere Teil dieser Maßnahmen konkret umgesetzt werden kann. Merkel zufolge sei es nun an den jungen Menschen, diese Maßnahmen mit Leben zu füllen.
Von Seiten der Teilnehmenden wird gleichzeitig Kritik an diesem Prozess geübt. Es wird bemängelt, auf einstige Forderungen ihrerseits sei zu unkonkret eingegangen, manche fehlen ganz. Und die Anliegen, die übernommen wurden, seien „weichgespült“ und könnten daher kaum mehr als Forderung angesehen werden. Felix Alshut aus Karlsruhe sieht die Jugendstrategie als einen „guten Schritt in die richtige Richtung“. Jedoch hofft der 22-jährige, dass „da in Zukunft noch mehr kommt.“ Mit dieser Meinung steht er nicht allein da. „163 Maßnahmen, das ist ein ganz ordentliches Bündel, aber das sollte wirklich nur der Startschuss sein“, sagt auch die 19-jährige Anne Sophie Spieler aus Heidelberg. So wird deutlich, dass man zwar froh über eine Jugendstrategie ist, der Prozess für mehr Jugendbeteiligung mit diesem Beschluss für sie jedoch erst beginnt.
Neuer Diskussionsprozess für 2020 geplant
Eine dreitägige Bundesjugendkonferenz im Sommer 2020 ist der Vorschlag der Bundesregierung, den Diskussionsprozess fortzuführen. Einmal im Jahr soll nun eine solche Veranstaltung auf Bundesebene stattfinden. Abgesehen davon wird Jugendpolitik auf kommunaler Ebene mit dem Programm „Starke Kinder- und Jugendparlamente“ gefördert. Die Frage ist jedoch, ob drei Tage im Jahr ausreichend sind für eine verantwortliche Jugendpolitik auf Bundesebene. Zwar hat sich die Bundesregierung mit der Jugendstrategie dazu verpflichtet, „im Interesse der Jugend zu handeln.“ Doch wer überprüft, ob künftige politische Entscheidungen der Bundesregierung wirklich den Bedürfnissen der Jugend entsprechen?
Jugendpolitik auf Augenhöhe
Ein tapferer Schritt in Richtung progressive Jugendpolitik wäre, die jungen Menschen nicht nur passiv durch deren Empfehlungen an die Jugendstrategie zu beteiligen, sondern ihnen stattdessen eine Plattform zu bieten, sich aktiv mit den jugendrelevanten Entscheidungen der Ministerien auseinanderzusetzen. So werden jugendrelevante bundespolitische Entscheidungen transparenter, und die Beteiligung junger Menschen höher. Denn mit den Empfehlungen an die Jugendstrategie haben die jungen Menschen bewiesen, demokratisch und verantwortungsvoll in ihrer Rolle realistische Vorschläge für die Erarbeitung der Jugendstrategie zu entwickeln.
Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen finden in ihrem Statement dazu klare Worte: „Wir müssen beteiligt werden, wir müssen gehört werden. Wenn sich junge Menschen politisch engagieren, dann hört ihnen zu! Hört auf ihre Meinung und wertschätzt diese.“ Denn, so fordern sie, Jugendpolitik sollte immer auf Augenhöhe geschehen. Wenn Merkel zu den 100 jungen Menschen sagt, „boxt euch durch und lasst euch nicht unterkriegen,“ dann mag das in manchen Ohren zynisch klingen. Doch lassen ihre Worte auch die Hoffnung auf mehr. Denn, so die Bundeskanzlerin: „Wir sind bereit zum Dialog.“