politikorange: Guten Abend Herr Reusch! Was sagen Sie zu den Wahlergebnissen des heutigen Abends?
Reusch: Die CDU ist deutlich stärkste Partei im Landtag geworden. Das ist beruhigend. Sie hat natürlich auch verloren. Aber politische Konkurrenten wie die Linke und die SPD haben erheblich verloren. Auch das ist beruhigend.
Was mich sehr nachdenklich stimmt, ist der hohe Anteil der AfD, der noch höher liegt als in den Wahlprognosen. Das finde ich erschreckend.
politikorange: Aber für die Regierungsbildung hat sich die CDU ja mit einem dieser Konkurrenten, der SPD, zusammengeschlossen. Wie ist das bei der Linken oder der AfD, welche Zusammenarbeit wäre schlimmer?
Reusch: Das ist schwer zu sagen, aber ich als Kommunalpolitiker habe positive Erfahrung mit den Linken gemacht. Sie sind, zumindest im Osten eine gut integrierte Partei. Sie halten sich an Verfahren und Regeln und möchten somit im Konzert mitspielen. Die AfD dagegen ist eine Protestpartei und das erschwert die Zusammenarbeit sehr, zusätzlich zu grundsätzlichen Unterschieden wie dem sogenannten „Flügel“ um Höcke, mit dem wir als Volkspartei nicht zusammenarbeiten können.
politikorange: Herr Kretschmer hat auch bereits vor der Wahl gesagt, dass die CDU nicht mit der AfD koalieren wird. Wie stark ist der innerparteiliche Flügel, der dazu bereit wäre?
Reusch: Von einem Flügel würde ich an dieser Stelle nicht reden. Es mag zwar einzelne Stimmen geben, die eine Schnittmenge zwischen AfD und CDU sehen. Aber man muss zwei Dinge sehen. Einmal ist die AfD der Hauptgegner der CDU. Nicht nur in diesem Wahlkampf, sondern insgesamt der Hauptgegner um die Wählerschichten. Und außerdem muss man beachten, dass sich die AfD im Laufe ihrer jungen Geschichte im zum Teil unerträglicher Weise radikalisiert hat und deshalb für die große Mehrheit der CDU-Mitglieder in Sachsen und auf der Bundesebene kein Koalitionspartner ist.
politikorange: Da wir gerade bei Herrn Kretschmer sind. Er hat in den letzten zwei Jahren das Image der CDU Sachsen aufgebaut. Haben die Parteiinhalte oder doch die Person Michael Kretschmer eine entscheidendere Rolle in der Wahl gespielt?
Reusch: Definitiv verdanken wir die positiven Ergebnisse dem persönlichen Einsatz von Michael Kretschmer, die Trendwende nach der Europawahl zugunsten der CDU hängt stark mit seiner Persönlichkeit zusammen. Als junger Ministerpräsident geht er ganz anders auf die Menschen ein. Diese Menschennähe unterscheidet ihn von seinem Vorgänger Stanislaw Tillich. Somit war die Entscheidung für Herrn Kretschmer als Spitzenkandidat nach der verheerenden Bundestagswahl 2017 sehr weise. Der Großteil unserer Erfolge ist auf seinen persönlichen Einsatz zurückzuführen.
politikorange: Es gibt große Unterschiede im Wahlverhalten der jüngeren und der älteren Generationen. Die CDU verliert Stimmen bei den jungen Menschen unter 30. Dann gibt es das Youtube-Video von Rezo, dass der CDU geschadet hat. Zeigt das, dass die CDU mit der digitalen Welt und den jungen Wählerschichten überfordert ist?
Reusch: Ich bin davon überzeugt, dass die CDU daran arbeiten wird. Die Jugend hat sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren weder politisch geäußert, noch engagiert. Es ist ein neuer Trend, dass sich die jungen Menschen für politische Fragen interessieren und sich einsetzen. Auch im Wahlkampf wurde das deutlich. Ich finde es gut, obwohl momentan die Grünen davon mehr profitieren. Es gab zwischenzeitlich eine Generation, die sich kaum engagiert und auch nicht zu den Wahlen gegangen ist. Das sich Jugendliche heute engagieren, ist unabhängig von den Parteien gut.
Es ist eine Herausforderung für die CDU, jungen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und für ihre Ziele zu werben.
Vielleicht ist die CDU zu diesem Zeitpunkt nicht so attraktiv. Wir sind keine Digital Natives und der Umgang mit Rezo war ein Paradebeispiel dafür, das war nicht gut. Wir waren nicht vorbereitet. Auch Philipp Amthor war keine richtige Antwort auf Rezos Video. Ich habe mir ebenfalls angeschaut was die CSU auf Youtube macht und finde es ebenfalls nicht ausreichend. Da muss noch viel mehr gemacht werden.
politikorange: Nun darf man in Sachsen erst ab 18 Jahren wählen und vielen Jugendlichen ist das Thema Klimaschutz sehr wichtig. Nun behauptet die AfD, es gäbe keinen menschengemachten Klimawandel, die CDU plant den Kohleausstieg erst 2038. Was sagen Sie diesen jungen Menschen, deren Zukunft in den Händen dieser meistgewählten Parteien liegt?
Reusch: Meiner Meinung nach ist die CDU für die neue junge Strömung empfänglich, die sich in den letzten ein, zwei Jahren manifestiert hat. Unsere Partei ist nachdenklich geworden. Die Grünen haben bei der Europawahl gezeigt, dass sie ein großes Potential in Großstädten, auch in Sachsen, haben und an Stimmen zulegen. Das sollte der CDU zu denken geben und wird ihr auch zu denken geben. Wir müssen uns mit den Fragen des Klimaschutzes, die die Jugend bewegen, auseinandersetzen. Auch ältere Menschen wie ich setzen sich mit dieser Thematik auseinander. Dazu musste es erst diesen Anstoß durch die Jugend geben, damit sich die Parteien zu diesen Themen sensibilisieren. Klimaschutz wird auf jeden Fall noch länger Thema in der Politik in Sachsen sein.
politikorange: Aber trotzdem ist die CDU mit den Sprüchen wie „Kohle für die Lausitz“ in den Wahlkampf gezogen, obwohl die Braunkohle als eine der ineffizientesten Energieerzeuger gilt und neue umweltfreundliche Lösungen präsentiert werden.
Reusch: Unter Michael Kretschmer wurde der Kohleausstieg mit den entsprechenden Strukturhilfen für die Lausitz vereinbart. Man kann sich immer über den Energiemix in der Übergangszeit streiten. Aus heutiger Sicht war es meiner Meinung nach ein Fehler, überhastet aus der Kernenergie auszusteigen. Natürlich gibt es bei Atomstrom Probleme, wie die Endlagerung des Materials. Aber letzten Endes darf es nicht sein, dass wir in Deutschland „schmutzigen“ Strom aus dem Ausland importieren. Es geht darum, diese Übergangszeit vernünftig zu gestalten.
politikorange: Sie haben bereits erwähnt, dass die Grünen bei jungen Menschen mehr punkten. Woran liegt das?
Reusch: Ich glaube, dass es am unkonventionellem Auftritt der Grünen liegt, aber auch daran, dass sie keine Regierungsverantwortung im Bund und vielen Ländern tragen. Mit Habeck und Baerbock als neue Spitze wurde für jüngere Menschen und neue Ideen Platz gemacht. Bei der CDU-Spitze passiert das leider nicht.
Wir hatten letztes Jahr die Diskussion um den Parteivorsitz und der einzige junge Kandidat war Jens Spahn. Ich finde, dass er die jungen Menschen ansprechen kann. Obwohl die CDU noch nicht so weit ist, wird sie die Partei erheblich verjüngen müssen. Angela Merkel wird spätestens nach dieser Wahlperiode abtreten und Annegret Kramp-Karrenbauer wollte mit Paul Ziemiak, dem neuen jüngeren Generalsekretär, ein Zeichen setzen. Die CDU muss ihre Spitze verjüngen und es müssen signifikante Anteile von jungen Leute da sein. Sie dürfen aber nicht vergessen: Bei der demografischen Entwicklung machen die über 65-jährigen auch den größten Teil der Wählenden aus.
politikorange: Vielen Dank für das Interview!