Rudolf Müller: „Wir sind nicht in der Position, etwas zuzulassen.“

Rudolf Müller (67) ist seit 2017 einer von drei AfD-Abgeordneten im Landtag des Saarlandes. Politisiert wurde er mit zehn Jahren, als er mitbekam, wie DDR-Bürger die Grenze zur BRD überquerten. Wir nutzten die Chance, um mit ihm über Bildung, Jugend, Europa, Digitalisierung und Klimawandel zu sprechen – Themen, zu denen der Abgeordnete nur selten griffige Antworten parat hatte.

Alter Herr schaut verschmitzt in Kamere
„Wir können uns auch ganz abschaffen“, meint das Mitglied des Saar-Landtages, Rudolf Müller (AfD), zum Thema Klimawandel. Foto: Jonas Gebauer

Guten Tag Herr Müller! Sie kommen gerade aus der Debatte mit den Schülerinnen und Schülern. Wie war das für Sie?

Ich mache das nicht zum ersten Mal. Wir haben hier eine Institution im Parlament, dass jede Woche ein oder zwei Schulklassen aus dem Saarland hier herkommen und dann auch mit vier Parlamentariern diskutieren, sich über die Abläufe erkundigen und daher war das jetzt nichts Neues für mich. Aber ich mache das immer gern, ich spreche immer gern mit jungen Leuten, weil da frische Ideen dabei sind, mit denen man sich wunderbar gesprächsmäßig auseinandersetzen kann.

Mal eine ganz andere Frage: Lesen Sie eine Zeitung oder haben Sie eine abonniert, die Sie regelmäßig lesen?

Ich habe mehrere Zeitungen abonniert, ja natürlich!

Verraten Sie mir welche?

Die Saarbrücker Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die Junge Freiheit, Tichys Einblick und Focus Money. Das sind die, die mir im Augenblick einfallen.

In Ihren Landtagsreden erwähnen Sie häufig die Saarbrücker Zeitung. Zurückkommen möchte ich da auf einen Bericht vom 9. August diesen Jahres, da ging es auch um eine Veranstaltung mit jungen Menschen, mit denen es hitziger geworden sein soll. Laut Zitat der Zeitung haben Sie die jungen Menschen als „verblendet von der linksgrünen Lügenpresse“ bezeichnet. Jetzt sagten Sie gerade, es sei schön, frische Ideen von jungen Menschen zu bekommen – wie passt das zusammen, wenn Sie jungen Menschen so etwas vorwerfen? Ist das nicht eine Ausgrenzung? Funktioniert unsere Demokratie nicht durch einen Pluralismus an Meinungen?

Da muss ich Sie ausbremsen. Das ist schon einmal gerüchteweise transportiert worden, was da gesagt worden sei. Das war eine Veranstaltung vor den Ferien, an die ich mich schon kaum noch erinnert habe und plötzlich kam diese Nachricht. An diese Veranstaltung erinnere ich mich auch ganz gern. Es war im Anschluss an die Veranstaltung. Wenn man so weggeht, dann gibt es noch ein paar Worte hin und her. Da hat sich dann eine etwas heiße Diskussion ergeben, die ich auch gerne mitgemacht habe. Aber ich habe mit Sicherheit niemanden beleidigt, da bin ich mir also ganz sicher.
Was die linksgrüne Lügenpresse betrifft, das ist ein Ausdruck, den ich ab und an mit voller Überzeugung gebrauche.

Da habe ich mich auch gewundert, als ich mir Ihr Landtagswahlprogramm angesehen habe. Da schreibt die AfD wörtlich, sie wolle die Landeszentrale für politische Bildung abschaffen, weil sie ein „Hort einseitiger linker Agitation“ sei. 

Das ist so, genau!

Damit ich das nicht falsch verstehe: Demokratie besteht doch aus verschiedenen Meinungen – so mein Verständnis jedenfalls. Indem Sie so etwas von vornherein ausgrenzen, ist das nicht ein Bruch mit der Demokratie, den Sie da vornehmen?

Die Ausgrenzung ist beiderseitig. Wir haben gesagt, es ist ein Ort linkslastiger Ideologie und das ist der Eindruck, der sich einem aufdrängt, wenn man gewisse Texte aus dieser Hexenküche liest. Und insofern stehe ich natürlich auch zu unserem Landesprogramm.

Heute waren Sie Gast beim Europäischen Jugendforum. Wie stehen Sie eigentlich zur europäischen Idee und zur EU? Können Sie für ein starkes Europa und eine starke EU werben?

Europa und EU sind zweierlei. Da muss man schonmal argumentativ sauber sprechen. Die EU hat sich leider zu einem bürokratischen Monster entwickelt. Das war früher mal recht gut, aus der Überlegung heraus nach dem Zweiten Weltkrieg „Europa muss sich vertragen in Zukunft“. Das war richtig, das war gut. Es wurde damals die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet. Das war eine grundsätzlich richtige und gute Überlegung. Auch was weiter gegangen ist, war grundsätzlich richtig gut. Es hat natürlich aber auch hin und wieder einige Probleme geschaffen – in der Agrarpolitik hat das zur Unterversorgung von Lebensmitteln geführt. Allerdings führte es auch zu ärgerlichen Überproduktionen. Das alles ist im Bezug auf Europa richtig gut und schön und auch die europäische Währung, zu der man sich dann entschlossen hat. Ich muss sagen, ich war damals ein wenig skeptisch. Aber ich habe mir nicht allzu viele Gedanken darum gemacht. Ich habe mich darauf verlassen, dass wesentliche Dinge zu dieser europäischen Währung auch eingehalten werden – nämlich, dass jedes Land seine Schulden selbst zu zahlen hat. Diese Bestimmung ist eben gebrochen worden zu Lasten der Deutschen, auch der Niederländer, auch der Österreicher und auch der anderen Nettozahler.

Das war ja der ursprüngliche Gründungsgedanke der AfD, eben jene Kritik am Euro.

Es war ein klarer Rechtsbruch und Vertrauensbruch.

Sie haben die Entwicklung der EU angesprochen. Nun liegt das Saarland in direkter Nähe zu Frankreich. Wie oft sind Sie drüben im Nachbarland und genießen die Reisefreiheit, die sich durch die EU bietet?

In fünf Minuten ist man über die Grenze. In letzter Zeit bin ich aus beruflichen und sonstigen Gründen nicht so oft in Frankreich, früher war ich jedoch sehr oft dort. Ich habe auch ein Jahr in Paris gelebt und bin unter anderem Französisch-Lehrer für das Gymnasium. Von daher erinnere ich mich sehr gerne an die Zeit. Deshalb hatte ich auch nicht die geringsten Schwierigkeiten, die Grenze zu überschreiten oder zu überfahren. Üblicherweise ist man durch gewinkt und manchmal kontrolliert worden. Das war überhaupt nicht problematisch.

Heute sagt man ja, Grenzkontrollen seien überhaupt nicht mehr möglich. Das halte ich für dummes Zeug! Man kann und man sollte, gerade bei der heutigen Entwicklung, die Grenzen wieder kontrollieren. Denn, es kommen daher ja die bekannten Probleme. Solange die europäische Außengrenzen-Sicherung nicht funktioniert, treten wir dafür ein, dass die Binnengrenzen wieder kontrolliert werden.

Die ursprüngliche Frage war aber nun ja, ob Sie gern nach Frankreich gegangen sind …

Ja, ich bin gern dorthin gegangen.

Entwicklung ist übrigens ein wichtiges Thema. Heute ging es im Rahmen des Jugendforums um Handel, Ernährung und Umwelt. Im AfD Landtagswahlprogramm findet man zur Umwelt die Forderung „Windräder stoppen  – Kraftwerke erhalten“. Nach einem sehr heißen Sommer bedingt durch den Klimawandel, haben wir von Ihnen in der Diskussion gelernt, der Klimawandel sei nicht von Menschen gemacht. Wie erklären Sie das jungen Menschen, die sich jedoch Gedanken darum machen, besorgt sind und zum Klimaschutz viele Studien kennen, die besagen, dass auch der Mensch daran seine Schuld trägt? Da können Sie ja nicht einfach sagen, das stimmt nicht.

Ja, wir können uns auch ganz abschaffen. Dann dreht sich die Welt ohne uns weiter. Das wäre eine radikale Alternative. Aber das wollen wir ja auch nicht. Die Klimadiskussion ist sehr verfälschend. Das habe ich auch drinnen [Anmerk. d. Red.: in der Debatte mit Schülerinnen und Schülern] auch angesprochen. Ein wesentlicher Parameter bei dieser Klimadiskussion wird einfach ausgeblendet, nämlich die ständig sich ändernde Sonnenaktivität. Und selbstverständlich hat so etwas Einfluss. Die Grünen wollen das vielleicht auch noch eines Tages ändern, wer weiß, aber ich zweifle an der Wissenschaftlichkeit der Aussagen, die da gemacht werden.

Also sieht die AfD, sehen Sie, dort keinen Handlungsbedarf?

Keinen Handlungsbedarf? Das will ich so nicht sagen. Natürlich muss man die Umwelt schonen, soweit das vernünftig geht und das ist in Deutschland ja auch weitgehend vernünftig gemacht worden. Hier gibt es, das habe ich auch angesprochen, eine vernünftige Müllabfuhr, die auch dafür sorgt, dass unsere Plastiktüten zumindest nicht im Meer landen.

Haben Sie mal den Weg einer Plastiktüte, die Sie in den Müll geworfen haben, verfolgt?

Da bin ich mir absolut sicher! Was hier an Müll eingesammelt wird, das landet in aller Regel in einer Verbrennungsanlage oder wird heutzutage auch recycelt.

Das Problem, was ich in Ihrer Argumentation sehe, ist, dass wenn man sagt „unser Müll landet nicht im Meer“, gibt es doch trotzdem weltweiten Müll, der dort nachweislich landet. Und wir müssen irgendwo über die Grenze – auch wenn Sie die schließen wollen – schauen, denn irgendwo leiden wir auch darunter, wenn an einem anderen Ort Plastik ins Meer geführt wird.

Darüber hinaus denken können Sie, aber Sie können anderen Ländern keine Vorschriften machen. Da wird es gleich sehr ärgerlich und kontrovers. Sie können den Franzosen keine Vorschriften machen, wie sie ihr Land organisieren. Das wollen wir von denen auch nicht. Man kann sich natürlich wünschen, dass in anderen, im Augenblick noch rückständigen Ländern, solche Dinge – Plastiktüten – da ordentlich eingesammelt oder verwertet werden, anstatt, dass sie ins Meer fliegen. Das sieht man ja, wenn man sich in den typischen Urlaubsländern ein bisschen raus bewegt. Da gibt es oft wilde Müllkippen und von dort fliegt das Plastik tatsächlich ins Meer. Das ist natürlich nicht schön.

Das kann man natürlich aber entsprechend fördern …

Fördern, ja. Aber als Deutscher kann ich das nicht und als deutscher Politiker kann ich dazu appellieren, denen nicht rein zu regieren.

Auf Frankreich kamen Sie gerade zu sprechen. Davon kommen wir auch nicht weg. Kommen wir somit zum letzten Thema: Bildung und Schule. In Frankreich wurde vor kurzem der Gebrauch von Smartphones in Schulen verboten. Das ist auch ein Thema, was hierzulande diskutiert wird. In Ihrem Wahlprogramm stand zum Beispiel: „Der übertriebene und unsachgemäße Gebrauch von digitalen Medien wie z.B. Smartphones kann zu Verhaltensstörungen mit sozialen und psychischen Folgeproblemen führen.“ Wäre ein Verbot für Sie denkbar oder gibt es von Ihrer Seite ein Konzept, die Digitalisierung in den Bildungsbereich zu integrieren?

Also übermäßiger Gebrauch ist immer schädlich. Nach einem Handy-Verbot haben Sie gefragt. So viel ich wahrgenommen habe, haben die Franzosen das verboten in der Schule. Tja, da gibt es sicher vieles, was dafür spricht. Ich habe mir dazu noch keine eingehenden Gedanken gemacht. Es gibt sicher manches, was dafür und manches, was dagegen spricht. Eine abschließende Meinung will ich Ihnen dazu nicht sagen. Aber alles, was man übermäßig macht, auch übermäßig Salz in der Suppe, ist nicht gut.

Ein letztes Wort zu den Schülerinnen und Schülern drinnen. Ich habe heute eine sehr gute Veranstaltung erlebt – auch sehr divers in jedes politische Lager hinein. Sie schreiben in Ihrem Wahlprogramm: „Der Staat ist ein schlechter Unternehmer, er kann auch Schule nicht.“ Jetzt waren Sie Studierender des Lehramtes, haben Französisch und Sozialkunde studiert, aber nie in dem Beruf gearbeitet?

Das war so: Als ich fertig war, mit der ganzen Ausbildung, gab es damals die sogenannten Lehrerschwämme. Es gab also sehr viele Lehrer und wenig Bedarf. Von daher habe ich mich damals von dieser, auch damals schon, dürren Branche verabschiedet und etwas anderes gemacht.

Wäre das aber nicht die Chance gewesen, die Schule auch als Mensch persönlich, also selbst das Gute voran zu treiben?

Sicher, ich hätte es wirklich gerne gemacht. Ich habe aus voller Überzeugung studiert und gelernt und wäre auch gerne als Lehrer in der Schule tätig gewesen. Aber die Umstände waren anders und es ist eben anders gekommen. Damit muss man sich abfinden.

Was haben Sie dann danach gemacht?

Ich stamme aus einem Handwerkerhaushalt und von daher weiß ich, wie man heruntergekommene Bauwerke wieder auf Vordermann bringt. Das habe ich anschließend wieder in ungefähr einem Dutzend Fälle gemacht. Ich habe also solche Immobilien gekauft und anschließend verwertet – das war das eine. Das andere war ein Antiquitäten- und Kunstgeschäft. Auch das habe ich sehr gerne gemacht. Jetzt fehlt mir dafür aber die Zeit und meine Frau möchte das nicht allein machen.

Kommen wir zur Abschlussfrage: Es war gerade in der Diskussion im Plenarsaal sehr divers. Sie sind oft Ihren KollegInnen auch ins Wort gefallen. Wie definieren Sie hier im Landtag Ihre Rolle als Person und Teil Ihrer Fraktion?

Wir sind ein Teil der Opposition. Wir bringen Dinge zum Ausdruck, die die Regierungsparteien nicht gerne hören möchten – einerseits. Und wir haben natürlich auch unsererseits konstruktive Vorschläge, vor allem in der Schulpolitik, aber auch in Dingen, die eher die Bundespolitik betreffen, die aber natürlich auch auf uns wirkt. Also wir sind eine absolut notwendige Opposition und wir sehen das an unseren Wahlergebnissen und Umfragen: Unsere Werte steigen, die der anderen fallen.

Wenn Sie das so sagen.

Das sehen Sie doch!

Tatsächlich nicht. Ich tue mich auch noch immer mit der Aussage schwer: Unser Weg ist der richtige und der linksgrüne nicht. Das grenzt genau so aus, wie es andersherum ausgrenzt. Und da Sie es eigentlich besser machen wollen, müssten Sie es ja eigentlich zulassen – so mein Gedanke von demokratischer Vielfalt.

Wir sind nicht in der Position, etwas zuzulassen. Für demokratische Diskussionen bin ich immer. Nur, die linksgrüne Politik hat uns in wesentlichen Feldern schwer geschädigt.

Jetzt bin ich kein gebürtiger Saarländer. Aber soweit ich mich erinnere, waren die letzten Regierungen nicht „linksgrün“…

Nein, die letzte Regierung hier war auch eine große Koalition. Davor gab es eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen.

Also gar nicht so „linksgrün“, wenn wir ehrlich sind?

Das linksgrüne beziehe ich eher auf den hier herrschenden Zeitgeist, den ich leider auch in der Schule am Wirken sehe und diesen linksgrünen Zeitgeist bekämpfe ich ganz persönlich und sehr gern.

Vielen Dank für Ihre Zeit. 

Bitteschön!

 

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