Die Jugendkonferenz und die zweitägige Veranstaltung „Politik für, mit und von Jugend“ zur Bundesjugendstrategie bilden den Abschluss für drei Jahre intensive Arbeit in Ausschüssen und Workshops. Nun liegt es am Bundesfamilienministerium, die Ergebnisse in die Bundesregierung zu tragen. Nur: Was sind eigentlich die Ergebnisse? Klar, es gibt jetzt einen Jugend-Check, der Gesetze auf Vereinbarkeit mit Jugendinteressen untersucht, 16 jugendgerechte Projekte der Kommunen wurden geehrt und das Familienministerium hat jetzt ein etwas besseres Verständnis davon, was Jugend von heute bewegt. Aber irgendwie reicht das nicht so ganz.
Die Konferenz zur Bundesjugendstrategie stand unter dem Titel „Politik für, mit und von Jugendlichen“. Dafür wurde in den vergangenen zwei Tagen allerdings erschreckend viel über Jugendliche geredet, statt mit ihnen, obwohl ja auch junge Leute aus der Jugendkonferenz geladen waren. Zwei ausgewählte Jugendliche bekamen die Chance vor dem Publikum mit der Familienministerin Franziska Giffey über ihre Vorstellungen von Jugendgerechtigkeit zu sprechen. Die Familienministerin hörte zu, fragte nach und versprach, sich für die Belange der jungen Leute einzusetzen. So weit so gut.
Aber: Warum dauerte diese Dialogrunde nur eine Viertelstunde? Und warum hatte außer Frau Giffey sonst keiner Zeit, mit den Jugendlichen zu sprechen? Generell fehlten genau solche Gespräche auf Augenhöhe. Es muss ja nicht nur mit der Bundesfamilieniministerin sein, aber auf der Konferenz befinden sich doch politisch aktive Erwachsene und Jugendliche gemeinsam in einem Raum!
Wohlgemerkt: Bei der Organisation der Tagung hatte die Koordinierungsstelle „Handeln für ein jugendgerechte Gesellschaft“ besonderes Augenmerk darauf gelegt, Jugendliche gleichwertig in die Konferenz miteinzubinden. Moderiert wurde paritätisch: von Jugendlichen und Erwachsenen. Ein Forum zu „Freiräumen“ hatte eine Gruppe junger Menschen selbst konzipiert und auch in anderen Foren konnten Mitglieder von Jugendgruppen und -parlamenten Impulse geben und an Diskussionen teilnehmen. Aber es stellt sich doch die Frage, warum die jungen Tagungsteilnehmenden trotzdem das Gefühl hatten, nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Vielleicht lag es daran, dass die Foren gleichzeitig stattfanden und neben den etwa 80 Teilnehmenden aus der Fachwelt nur um die 40 Jugendliche anwesend waren. In jedem Foren sitzt dann nur eine Hand voll junger Leute und die Anzahl der Erwachsenen überwiegt deutlich. Einer der Hauptprogrammpunkte der Konferenz war eine Konferenz zu Wahrnehmung Jugendlicher in der Öffentlichkeit – darunter Sven Hülskötter als Jugendvertreter. Aber reicht es, nur eine Jugendvertreterin oder einen -vertreter in solche Diskussionsrunden zu setzen?
Warum nicht zwei, drei oder mehr?
Jugendliche wollen mehr: Sie möchten selbst Entscheidungen treffen und Maßnahmen in Gang setzen. Und sie wollen facettenreich wahrgenommen werden. Wie wäre es also mit einer Diskussion zu Jugendbildern – geführt von jungen Menschen aus Jugendparlamenten, Schülerräten und Jugendarbeit?
Jugendliche: nur Konferenzdeko?
Diese Schnittstelle hätte besser genutzt werden können und sollen. Darin lag aber wohl nicht das Ziel der Konferenz. Es scheint so, als sollte eher die Politik und die Verwaltung über den Status quo informiert werden. Da stellt sich die Frage: Warum waren denn dann junge Leute eingeladen? Frederic Koch, der sich beim Bildungswerk für Schülervertretung und Schülerbeteiligung engagiert, muss bei dieser Frage nicht lange überlegen:
„Wir waren, da um Lobbyarbeit für Jugendarbeit zu machen. Aber irgendwie hatten wir dann doch das Gefühl, dass wir auch ein wenig als Deko dienten“.
Jugendliche als Deko, die auf Fotos posieren und als lebender Beweis dienen, dass es ja auch noch junge Leute gibt, die sich engagieren. Eine Konferenz zur Jugendstrategie ohne Jugend – das geht schließlich nicht.
Eine „jugendgerechte Blase“
Wer die Foren und Vorträge auf der Tagung besucht, bekommt den Anschein, dass hier eine Diskussion ohne Kritikerinnen und Kritiker geführt wird. Alle Teilnehmenden interessieren sich bereits für Jugendthemen und alle Jugendlichen, die da sind, sind bereits in irgendeiner Form politisch aktiv; wäre es anders, hätten sie die Einladung zur Tagung auch gar nicht bekommen. In so einer jugendgerechten Blase ist eine solche Veranstaltung einfach. Frederic Koch bringt es auf den Punkt: „Wer Politik nicht gut findet, der ist nicht hier.“ Vielleicht lag es auch daran, dass die wenigen Diskussionen, die auf der Konferenz geführt wurden, nicht richtig in Fahrt kamen. Wenn alle dieselbe Meinung haben, fällt das Diskutieren schwer (oder leicht – je nach Perspektive).
Aber genug der harschen Worte, es ist ja nicht alles schlecht in der Jugendpolitik. Es ist gut, dass wir überhaupt darüber sprechen, wie Jugendliche in die Politik miteingebunden werden können und gerade die durch die Koordinierungsstelle „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ angeregten Projekte der Referenzkommunen, können anderen Städten und Gemeinden als Anreiz dienen, selber etwas zu verändern. Die eingeladen Jugendlichen sehen Konferenzen wie diese hoffentlich als Motivator, um Veränderungen in ihren Heimtstätten anzustoßen.
Geht das auch anders?
Wie könnte es besser werden? Einige der Jugendlichen, mit denen wir gesprochen haben, meinten, dass sie gerne mehr Abgeordnete gesehen hätten. Unser Vorschlag: Abgeordnete aus verschiedenen Ministerien einladen. So können auch sie Meinungen der Jugend einholen und erhalten schon jetzt einen Einblick in die Jugendstrategie von morgen. Außerdem sollte das Programm offener gestaltet werden, sodass junge Menschen Themen ansprechen können, die ihnen wichtig sind. Denn sie können am besten berichten, welche Themen ihnen am Herzen liegen. Und es braucht mehr Zeit.
Zeit zu diskutieren und Zeit, um Themen von allen Seiten zu beleuchten. Eine Konferenz wie diese ist vielleicht nicht der richtige Ort dafür. Dann aber muss ein solcher Ort geschaffen werden.
Viele der Punkte, die in den vergangen zwei Tagen diskutiert wurden, sind erschreckend simpel (Jugendliche brauchen Freiräume? Ach! Sie wollen ernst genommen werden? Wow!). So simpel, dass sie als Grundbedingungen nicht diskutiert werden müssten. Eine Lösung muss natürlich trotzdem her, sonst wären Konferenzen wie diese ja nicht notwenig. Was passiert jetzt also?
Die Konferenz ist vorbei, morgen geht das Leben weiter. Dann werden sich Bundesausschüsse mit der Jugendstrategie befassen. Die Politik geht dann für Jugendliche weiter. Von und über Jugendliche soll dabei nicht ganz ausbleiben. In Workshops und Gremien sollen Jugendliche weiterhin Impulse geben können. Hoffentlich nicht nur als Repräsentantinnen und Repräsentanten.