Das Highlight des Unicef Youth Festival? Eine Aktion auf dem Kornmarkt in Nürnberg. Dabei werden Träume von Kindern in Syrien, mit denen der vorbeigehenden Passanten verbunden. Gegen Fremdenhass und für ein breiteres Bewusstsein wird gesprayt, mit Brezel-Verkäuferinnen und -Verkäufern diskutiert und lange auf einem Fleck gestanden.
Vor allem aber hofft man, dass es nicht anfängt zu regnen. Samira El Hattab berichtet über ein etwas anderes Event bei dem Gesicht – oder in diesem Falle Pixel – gezeigt wird.
„Jetzt die 24, ja sieht gut aus, einen Moment noch, einen kleinen Momen…Hände in die Höhe?! Ihr schafft das! Klasse! Die 25 bitte“.
Was Passanten an einem schwülen Samstagnachmittag in Nürnbergs Innenstadt beobachten, könnte wie eine abwegige, sehr falsche Form einer Auktion verstanden werden.
Dabei handelt es sich bei dem stetigen Rufen von Zahlen, um eine neue Aufmerksamkeit schaffende Aktion von Unicef.
Ein Gif soll entstehen.
Ja genau Gifs, diese kleinen sich bewegenden Bildchen, die man von Instagram kennt. Eines soll jetzt analog kreiert werden.
Die Street Art Gruppe „3steps“ aus Gießen, hat sich dafür bereits am frühen Morgen im dunklen Nürnberg aufgebaut.
In Zentimeter Maßen zeichnen sie ein Rechteck auf den Asphalt, das genau auf die Teilnehmerzahl des Youth Festivals zugeschnitten ist. Jedes einzelne Pixel des Gifs ist dabei mit verschiedenen Positionen im Rechteck gekennzeichnet, die später Engagierte einnehmen.
Nach Aufrufen einer Nummer soll dann eine farbige Pappe in die Höhe gehalten werden, die auf persönlichen Platzkarten einer jeweiligen Zahl zugeteilt ist.
Wenn Kai Krieger von 3 Steps also „25“ ruft, dann hält jeder der Jugendlichen eine andere Pappe in die Luft, die gemeinsam ein Bild formen. Das Ganze wird von einem Kran aus der Höhe gefilmt und später zu einem Gif zusammengeschnitten.
Die Aktion sieht zwar ungefähr so kompliziert aus, wie sie sich beschreiben lässt, die Planung des kreativen Kollektivs geht jedoch auf.
Bitte bloß keinen Regen
Zwischendurch wird nur skeptisch in einen sich zunehmend dunkelgrau färbenden Himmel geschaut.
Regen könnte die komplette Performance und auch die weitere Tagesplanung ruinieren.
Denn außer dem Erstellen des Gifs, sollen noch T-shirts und Plakate mit bunten Traum Logos besprüht werden, die dann an einer Wäscheleine angebracht, eine Traumkette bilden.
Die Kampagne #träumesindgrenzenlos steht den ganzen Tag im Fokus.
Schnell hört man laute Musik aus Bluetooth Boxen, die oft im fröhlichen Lachen der jungen Leute untergeht. Offensichtlich haben sie Spaß an den Aktivitäten.
Noch mehr Bewegung kommt ins Spiel, als dann tatsächlich Passanten mit einbezogen werden.
Um die Scheu vor dem ersten Kontakt zu nehmen, wird die Traumbefragung zu einem Wettbewerb.
Wer nach zwanzig Minuten mit den meisten Traumkarten zurück kommt, hat gewonnen.
Die grauen Herren
Die Ersten rennen aufgeregt los, um dann schnell von der Realität ausgebremst zu werden. Auffällig viele Leute sind auf einmal super beschäftigt, müssen Züge bekommen oder haben gar, aber auch wirklich gar keine Zeit.
Liegt es an den blauen Shirts, auf denen groß und weiß das Unicef Logo prangert?
Einige rufen schon von Weiten Dinge wie „Ich spende schon genug“, oder „lasst mich bloß in Ruhe“.
„Aber wir wollen doch wirklich nur wissen wovon ihr träumt“, erwidert Melina Rozehkhan einmal.
Er besäße keine Träume antwortet ein anderer Passant stoisch.
Kurz fühlt man sich in Micheals Ende’s Meisterwerk Momo hineinversetzt, indem die grauen, zeitsparenden Männer, mit ihren Aktenkoffern und Zigarettenstummeln die Welt beherrschen.
Melina trifft aber auch viele Menschen, die bereitwillig ihre Träume teilen und sich über die Aktion freuen. Dabei nutzen einige das Gespräch, mit den Unicef Engagierten, direkt als Anlass für ein politisches oder religiöses Statement.
Wie ein mittelalter Brezelverkäufer, mit dem Melina eine leidenschaftliche Debatte über Nächstenliebe und korrupte Hilfsorganisationen führt. Oder zwei Zeugen Jehovas, die klug ein paar Bibel Verse in die Unterhaltung fädeln.
Gottes Paradies werde kommen. Amen.
Bis das soweit ist kommentiert Melina die Gespräche mit den Bewohnern Nürnbergs, als sinnvoll und lehrend.
Am Ende gehe es immer um die Kinder, die nicht in der Lage sind diese Leute zu treffen und solche wichtigen Unterhaltungen zu führen.
Deshalb sei es gerade so wichtig, dass man sich engagiere und seine Stimme für Kinder erhebe.
Regnen wird es den gesamten Nachmittag nicht mehr, das Unwetter zieht knapp am Kornmarkt vorbei.
Ob das dem Optimismus der rund 180 Engagierten geschuldet ist, oder doch die Erfüllung einer der Traumkarten war, bleibt ein Geheimnis. Nach diesem Tag mit Unicefs Jugend scheint jedoch auch das möglich.
Denn Träume sind nicht nur grenzenlos, sondern auch mächtig.