„wir mussten auf den Namen Assad mit Blut stempeln“

#poBTW17

Man könne meinen, dass ein syrischer Flüchtling, der in einem autokratischen Regime aufgewachsen ist, kein Gespür für Demokratie hat. Bei Mazen täuscht man sich da. Betül Mis im Interview mit Mazen Kayas Bitar. 

 

Mazen arbeitet eigentlich als Schuster, doch neben bei auch im Weltladen. Foto: Privat

Mazen ist 29 Jahre alt und kommt aus Aleppo. In Syrien hat er als Schuhmacher gearbeitet, bis er vor zwei Jahren nach Deutschland floh. Heute lebt in Speyer, in Rheinland-Pfalz und führt seinen Beruf mit der Spezialisierung auf  orthopädischer Schuhe fort. 

Wie unterscheiden sich die Wahlen in Syrien von den Wahlen in Deutschland? 

In Syrien gibt es nicht diese Demokratie, wie hier. Hier kann man wählen, wen man will. In Syrien haben wir nur eine Partei. Wir müssen nur Assad wählen. Dann können wir entweder ja, oder ja sagen, und zwar alle sieben Jahr, anstatt wie in Deutschland alle vier Jahre. Als ich in der Armee war, die letzten zehn Jahre, mussten wir wählen. Die Soldaten wählen nicht wie die normale Zivilbevölkerung. Sie stachen uns eine Nadel in den Finger und wir mussten auf den Namen Assad mit unserem Blut stempeln. Und so hatte ich das auch gemacht. Und als ich sagte, dass ich den Assad nicht mehr will wurde ich zum Terroristen erklärt. 

Wie nimmst du das politische und gesellschaftliche Engagement in Deutschland wahr? Kannst du Vergleiche zwischen deinem Ursprungsland und Deutschland ziehen? 

Ich finde es normal, wenn Menschen gegen oder für Merkel sind, wenn sie Nazis oder ausländerfreundlich sind. Alles kann und wird es geben, weil wir hier nicht im Paradies sind und demnach nicht alle Engel. In den zwei Jahren, in denen ich hier in Deutschland bin, habe ich gesehen, dass die Deutschen sehr interessiert an der Politik sind. Die, die ich kenne, hassen alle Parteien. Sie sagen immer: „Ich weiß nicht, welche Partei ich wählen soll, weil alle gleichschlimm sind“. Sie haben viele Forderungen für ein besseres Deutschland, die die Politik nicht erfüllen kann. In Syrien haben wir uns keine Gedanken über die Präsidentschaft gemacht, bis vor sieben Jahren, als in Ägypten die ersten Demonstrationen begannen. In Syrien ist die Familie sehr wichtig und Menschen engagieren sich meistens in ihren Familien. 

In vielen Ländern gibt es alle vier Jahre ein sehr wichtiges Ereignis für die Bürger es ist die Wahlen. Die Syrer haben auch jede vier Jahre ein wichtiges Ereignis. Es ist die Weltmeisterschaft. Das Leben in Deutschland ist zwar viel besser, aber das bedeutet nicht, dass das Leben in Syrien schlecht war. Es gibt immer Vor- und Nachteile. In Syrien kann zum Beispiel eine Frau, die das Kopftuch trägt einfacher eine Arbeit finden. Niemand zwingt sie bei der Arbeit es abzulegen oder eines anzuziehen. Die Qualifikationen zählten. 

Würdest du gerne in Deutschland wählen gehen? 

Wenn die Flüchtlinge ein Wahlrecht hätten, würden sie alle für Merkel stimmen. Ich würde gerne wählen. Ich finde es wichtig, wählen zu dürfen, weil ich hier nicht nur einfach leben will, sondern mit gestalten. 

Was sind Deine Forderungen an den neuen Bundestag?  

Ich hoffe, dass sie den Flüchtlingen nicht nur ein Jahr Duldung geben. Diese Flüchtlinge brauchen das gesamte Jahr für die Bürokratie. Sie können nicht Deutsch lernen und sich nicht einleben. Ich hoffe auch, dass ich in Deutschland keine Probleme mit meiner religiösen Praxis bekomme. Mein Chef glaubt an keinen Gott, aber er gewährt mir, dass ich während der Arbeit meine Gebet verrichte. Ich hatte Angst, als ich ihm die Frage nach dem Gebet während der Arbeitszeit stellte. Aber er sagte, falls ich keinen Gebetsteppich habe, kaufe er mir gerne eines. Religion und Arbeit sind getrennte Angelegenheiten aber die Werte meiner Religion beeinflussen mich in meinem Arbeiten. Wenn zum Beispiel mein Chef nicht anwesend ist, darf ich nicht langsamer arbeiten und muss ehrlich sein. 

Wie hast du dich in Syrien engagiert und wie nun in Deutschland?  

In Syrien habe ich mit 15 Jahren angefangen zu arbeiten und nebenbei Englisch an der Volkshochschule gelernt. Dort engagierte ich mich in der Moscheen, genauso wie auch hier. Am Wochenende arbeite ich im Weltladen, für andere Menschen, damit sie fair verdienen. Außerdem unterstütze ich andere Flüchtlinge beim Deutschlernen an der Volkshochschule. Es ist besser, als herumzusitzen.  

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