In der Umweltbibliothek mit Andreas Schönfelder

„Umweltbibliothek“ – das klingt unverdächtig! Heimlich sammelten die Schlesier hier in Großhennersdorf verbotene Bücher. Bis heute dokumentiert die Bücherei die Schurken des sowjetischen Mitteleuropas und die Geheim-Rezepte des Widerstands.

Sie kämpfen gegen Kommunismus und Nationalsozialismus und gucken bis nach Wladiwostok. Andreas Schönfelder blickt nach vorne und fragt: „Wie sind die uferlosen Verbrechersysteme im 20. Jahrhundert an die Macht gekommen? Im Gr — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Schönfelder steht vor einem Bücherregal. Trotz der aufregenden Führung wird schnell klar: Hier steht nicht der Erzähler im Fokus sondern das Erzählte. — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Andreas Schünfelder stellt am liebsten Autoren vor, die über die Demarkationslinien hinweg gedacht haben. Er hält eine Karte Europa hoch, auf der die Region Ostmitteleuropa markiert ist – die Region zwischen Deutschland und Russland. Er fragt: „Kennt ihr den polnischen Historiker Oskar Halecki (sprich: Haletzki)? Ein großer Mann, der versucht hat, eine Geschichte der europäischen Großregion zu schreiben – unter besonderer Beachtung Ostmitteleuropas!“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Schönfelder erklärt mit Blick auf die Karte. „Das ist Haleckis Ostmitteleuropa: Die Region, die zwischen den Imperien liegt! Und wenn die keine Idee für sich hat, dann gibt es sie nicht mehr!“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Die Redakteurin Lea Seitz fragt: „Oskar Halecki ist also für die Umweltbibliothek sehr wichtig?“ Andreas Schönfelder antwortet: „Ja! Wenn man das weiterdenken möchte, was Europa bräuchte, dann müsste man ein paar Historiker, Philosophen und andere geistig Wirksame aus diesen Regionen zu Wort kommen lassen!“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Ein Foto hat es dem Diplom-Sozialpädagogen besonders angetan. Aus einem polnischen Buch blättert er es hervor. Dort stehen tausende oder zehntausende Menschen auf dem Platz vor einer Kirche versammelt. Schönfelder kommentiert: „Stell dir vor, du bist bei der Staatssicherheit und würdest das von deiner konspirativen Wohnung am Rynek Główny in Krakau fotografieren! Da würdest du doch denken: So schwach sind die nicht, unsere Gegner! Man lernt: Wenn die Freiheit bedroht ist, dann machen die Polen schon selbst was! Da brauchen wir uns nicht einzumischen!“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Die Umweltbibliothekt liefert auch in den polnischen Widerstand Einblick. Oder in den tschechischen, bulgarischen, slowenischen, rumänischen, ungarischen, usw. usf.. Im mittlerweile dritten Bibliotheksraum erzählt Schönfelder: „In Polen gab es im Widerstand auch eine eigene Post mit eigenen Briefmarken – und die Briefe sind angekommen! Weil in der Solidarność waren zehn Millionen Menschen – und nicht wie in der DDR zwei Tausend!“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Aufklärung über europäische Aufklärungen. Schönfelder hält ein Gruppenfoto hoch und sagt: „Wir machen eine Ausstellung über die Zusammenarbeit der polnischen und tschechoslowakischen Opposition – Solidarność und Charta 77! Wenn man sich die Leute auf dem Foto anguckt: Das ist das Who-is-who der polnischen und tschechischen Opposition.“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

In der Umweltbibliothek lernt man nicht nur Theorie, sondern auch praktisches Wissen für restriktive Zeiten. Schönfelder hält ein Buch hoch, dessen Frontcover mit dem Foto einer jungen Frau überklebt wurde. Die Redakteurin Lea fragt: „Hä? Wieso klebt da ein Foto auf dem Buch vorne drauf?“. Schönfelder antwortet: „So hat man nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 in der Öffentlichkeit Bücher gelesen!“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Schönfelder fügt hinzu: „In dem Buch geht es um Kafka! Der Prager Frühling ging nämlich los mit einer Kafka-Konferenz in Liblice! Mit so einer kulturellen Öffnung! Und dann war schon wieder alles vorbei.“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

Auch ohne Privatführung von Andreas Schönfelder lohnt sich der Besuch in der Umweltbibliothek. Trotzdem: Was Schönfelder weiß, beeindruckt schwer. Schönfelder, zentral vor einem Kreuzstockfenster stehend, kommentiert: „Ich bin nicht der Held!“ — Foto/Bearbeitung: Leonard Palm

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Ein Kommentar

Alex Gürtler

1. September 2017 / 19:02 Antworten

Sehr spannend. Osteuropa, oder Mitteleuropa, ist sicherlich bei uns eher eine Region, von der wir wenig wissen.
Gut gemacht, Leo!

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