Würdest du gern Bauer oder Bäuerin werden? Auf dem Land leben? Jeden Tag, wenn der Hahn das erste Mal kräht, aufstehen, dich um Ackerbau kümmern und Kühe melken? Meine Generation zieht es in die Städte und ein Leben auf dem Land ist für viele unvorstellbar, aber notwendig. Eine Beobachtung von Eva Schulze.
Mit einem Sprung von der Großstadt auf den Biohof
„Ganz schön kalt, oder? Wollen wir zusammen zurückhüpfen und uns aufwärmen? Alleine fühlt man sich so albern“, fragt mich eine fröhliche junge Frau in grüner Outdoor-Jacke, als wir uns das erste Mal auf dem Ökohof Brodowin (Barnim) begegnen. „Der April macht was er will“, heißt die alte Bauernregel. Als ich mir beim Mittagessen in einem Zelt mit Bierbänken sämtliche Körperteile abfriere und mir furchtbar städtisch vorkomme, nehme ich diese Einladung dankend an. So komme ich hüpfend ins Gespräch mit Fenja, 22, aus dem Norden Deutschlands. „Eigentlich bin ich es ja gewohnt, viel draußen zu sein, aber heute ist es echt ungemütlich“, erzählt sie weiterhopsend. Es beruhigt mich, dass anscheinend auch den Landbewohnern und -bewohnerinnen heute einfach kalt ist.
Doch wieso ist Fenja so viel mehr draußen als ich? Sie macht eine Gemüseanbau-Ausbildung und erzählt davon, wie man im Winter irgendwann keine Lust mehr hat, Holz zu hacken und im Herbst total geschafft ist von der Feldarbeit. Ein Alltag, der mir völlig fremd ist. Im Laufe der letzten Tage habe ich viele Menschen getroffen, für die das Land Lebensrealität ist und die sich aktiv dafür einsetzen, das auch für andere wieder attraktiver zu machen.
An welchem Baum wächst die Kartoffel eigentlich?
Ich bin es gewohnt, im Supermarkt saisonunabhängig in Plastik verpacktes Gemüse und exotisches Obst aus aller Welt zu kaufen. Die Menschen, die sich mit deren Anbau ihren Lebensunterhalt verdienen, haben weltweit mit verschiedensten Herausforderungen zu kämpfen. Dies wurde im Rahmen der G20-Konferenz „EINEWELT ohne Hunger ist möglich. Die Zukunft des ländlichen Raums“ Ende April 2017 in Berlin deutlich. Nicht nur erfahrene NGO-Vertreter und -Vertreterinnen, Professorinnen und Professoren sowie und Expertinnen und Experten, sondern auch die Jugend findet Gehör. Starken Stimmen und innovativen Ideen wird hier eine Plattform zum internationalen Austausch geboten.
Einmal Stadt und zurück
Das ist nicht nicht nur beeindruckende Inspiration, sondern auch dringende Notwendigkeit. Ein Kernproblem des ländlichen Raums weltweit ist die Abwanderung in die Städte. Laut dem Statistik-Portal statista werden 2030 fast 60 Prozent der Menschen in Städten leben, in Deutschland werden es sogar knapp 80 Prozent sein. Perspektivlosigkeit durch einen Mangel an Jobs, Bildungs- und Kultureinrichtungen und Lust auf ein junges soziales Umfeld sind für viele Anreiz, ihre ländliche Heimat hinter sich zu lassen. Peter Krentz, einem der Geschäftsführer des Ökodorfs Brodowin, ist es gelungen, dem Trend der Abwanderung entgegenzuwirken. Doch wie hat er das geschafft? Er beschäftigt 120 Mitarbeitende, in Zeiten, den denen Mensch häufig durch Maschine ersetzt wird und die durchschnittliche Anzahl der Mitarbeitenden pro 1000 Hektar lediglich bei zwei Personen liegt. „Der Mensch ist das Konzept, das Nadelöhr, was uns ausmacht“, formuliert Krentz die Leitlinien des Hofs, welche nicht nur wirtschaftlich, sondern auch ökologisch und sozial geprägt sind. Damit hat er es geschafft, junge Menschen und Familien wieder dazu zu motivieren, auf das Land zu ziehen. Das war nicht immer so. In den Neunzigerjahren verließen viele das Dorf, um in große Städte oder ins Ausland zu gehen. Keine Kindergärten, keine Jobs. Jetzt kommen sie zurück, lassen sich mit ihren Familien nieder und sorgen damit für Nachwuchs in Brodowin. „Es ist eben attraktiver geworden“, so Krentz.
Ein leeres Gewächshaus ist auch keine Lösung
Auch Noi Paulina Selepe, eine junge Frau aus Lesotho, kämpft dafür, die Jugend für das Landleben in ihrer Region zu begeistern. „Wir müssen unsere Herangehensweise verändern“, bringt sie an und ihr Blick ist dabei bestimmt. Sie erzählt von leerstehenden Gewächshäusern, denn Gelder gingen an Menschen, die zwar gute Anträge schreiben könnten, allerdings fehle nötiges Fachwissen und Leidenschaft. Die Jugend brauche Anreize, Bildung und muss ernstgenommen werden. Gerade im globalen Süden scheitern Projekte oftmals daran, dass sie von NGOs geleitet werden und nicht von den Bauern selbst oder jungen Menschen.
Die Konferenz zeigt: Es gibt sie, junge Menschen wie Fenja und Paulina, die auf dem Land leben wollen und dessen Bedeutung erkannt haben. Sie nehmen sich den Herausforderungen an, setzen auf Fairness und zeigen: Dorfleben ist sexy!