Junge Menschen sind politischer, als die meisten denken. Was sie wollen und wie sie dafür kämpfen, haben einige von ihnen auf dem 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vorgetragen. Dominik Glandorf von politikorange war für euch dabei.
Düsseldorf, Messehalle 3. Die ersten Besucher und Besucherinnen des 16. Deutschen Kinder- und Jugendhilfetages schlendern durch die Gänge. Kinder und Jugendliche – um die es hier ja geht – sieht man kaum. Am Stand der Koordinierungsstelle „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend warten jedoch vier junge Menschen auf ihren Auftritt. Hanna-Maria Paul, Lukas Nusser, Natalie Schoch und Sven Golowin werden gleich stellvertretend für ihre Generation ihre politische Anliegen vortragen.
Eigentlich sollte Bundesministerin Manuela Schwesig Rede und Antwort stehen. Sie wird vom Staatssekretär Dr. Rolf Kleindiek vertreten. Nachdem dieser mit ein wenig Verspätung an den Stand kommt, platzieren sich die Jugendlichen und Moderatorin Marie Illner – mit 22 Jahren selbst Teil der jungen Generation – an einem langen Tisch mit vier Mikrofonen. Währenddessen bildet sich vor ihnen eine Traube von Interessierten. Auch sie möchten herausfinden, was die Jugend von heute beschäftigt.
Politisches Engagement hat viele Formen
Aufgeregt seien die vier Jugendlichen im Alter von 16 bis 27 nicht. Lukas fühlt sich „gut vorbereitet“. Zunächst stellen sie sich und vor allem ihr politisches Engagement vor. Gemeinsam mit 56 anderen Jugendlichen haben sie im September 2016 auf der Jugendkonferenz zur Jugendstrategie „Handeln für eine gerechte Gesellschaft“ diskutiert. Mit ihrem Engagement in verschiedenen Bereichen bestätigen sie den Eindruck von Herrn Kleindiek, dass sich die Jugend entgegen dem öffentlichen Bild sehr wohl für Politik interessiert und etwas verändern möchte. Lukas, 16, ist Teil des strukturierten Dialogs der EU. Im Rahmen dessen werden Jugendliche zu Themen der europäischen Politik befragt und in die Entscheidungen miteinbezogen. Lukas leitet Workshops, durch die andere Jugendliche am strukturierten Dialog teilnehmen können. Seine Mitschüler und Mitschülerinnen schätzen sein Engagement, von seinen Lehrern und Lehrerinnen fordert er jedoch mehr Akzeptanz für die Freiräume, die seine freiwilligen Bemühungen erfordern. Der Staatssekretär attestiert den Lehrkräften eine gewisse Kurzsichtigkeit. Allgemein kommt den vier Jugendlichen Politik in der Schule zu kurz. Kleindiek sieht dies ebenfalls problematisch und mahnt: „Demokratie wird nicht vererbt, sondern muss gelernt werden.“
In 16 Modellkommunen fördert das Familienministerium verschiedene Projekte zur politischen Teilhabe junger Menschen. Eines der Projekte ist der Jugend-Demografie-Dialog, für den sich Abiturientin Hanna, 19, im Friesland engagiert. Dort wird parallel zur Bundestagswahl jetzt sogar ein Jugendparlament gewählt, das sich den gleichen Themen wie die Erwachsenen annimmt. Dazu zählen die Unterstützung von Geflüchteten beim Spracherwerb, kultureller Austausch sowie die jugendgerechte Veränderung des Stadtbildes, berichtet Hanna. Zur Realisierung von Projekten wird das Jugendparlament einen Etat von 50.000 Euro erhalten. Hannas Forderung nach mehr Begegnungsmöglichkeiten mit Geflüchteten und einer besseren kulturellen Aufklärung unterstützt auch Kleindiek.
So viele Themen wie Jugendliche
Sven und Natalie liegt ein weiteres Thema am Herzen. Sie beschäftigen sich vor allem mit der fortschreitenden Digitalisierung. Natalie sieht das Smartphone nicht als Übel, sondern als Informationsmedium und wünscht sich politische Meinungsumfragen in digitaler Form: „So kann man viele Jugendliche einfach erreichen.“ Kleindiek begrüßt den technischen Fortschritt, mahnt aber an, dass die fortschreitende Digitalisierung die soziale Kluft in unserer Gesellschaft vergrößere. Der verantwortungsvolle Umgang mit Smartphones werde nicht jedem Kind beigebracht.
Alle Jugendlichen befinden sich vor, im oder kurz nach dem Übergang von der Schule in die Ausbildung bzw. in das Studium. Sven, der bereits in der Jugendhilfe arbeitet, kritisiert, dass er sich bei seinem Übergang mehr Unterstützung gewünscht hätte. „Man war froh, eine Ausbildung zu bekommen“, beschreibt er die damalige Lage in seinem Umfeld. Der Staatssekretär weiß, dass Berufsberatung nicht immer zielführend ist und wünscht sich mehr Orientierungshilfen.
Lukas kommt aus Furtwangen im Schwarzwald, wo keine 10.000 Menschen leben. Er weiß genau, wie abhängig junge Menschen von angemessener Infrastruktur sind. Auch dem Staatssekretär liegt die Mobilität junger Leute im ländlichen Raum am Herzen: „Jede Kommune, die daran interessiert ist, ihre jungen Leute zu behalten, muss dafür sorgen, dass nicht nur Ältere mobil sind, sondern dass auch abends ein Bus für die jungen Leute fährt.“
Fazit: Konstruktiv, aber mit geringen Abstrichen
Am Ende des Gesprächs zeigen sich sowohl Hanna als auch Lukas zufrieden. Sie sind sich sicher, dass sie bei Kleindiek einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben – ein Schritt in die richtige Richtung. Auch der Staatssekretär zeigt sich von dem Resultat erfreut. Dennoch sind die vier Jugendlichen sich darüber bewusst, dass ihre Möglichkeiten der Mitwirkung und Veränderung eingeschränkt sind. So bleibt Hannas Frage zum schnelleren Erhalt einer Arbeitserlaubnis für Geflüchtete bis zuletzt unbeantwortet. Hinterher verrät sie, dass sie auch keine Zugeständnisse erwartet habe. Letztlich sind die Politiker und Politikerinnen im Bundestag gefordert. Aber nicht mehr lange und eine neue Generation – bestehend aus Jugendlichen wie Hanna und Lukas – wird dabei mitmischen.
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