Vormarsch des Pseudojournalismus

Content Marketing umfasst viel mehr als das bloße Aufpoppen werbefinanzierter Inhalte in einem Magazin – es ist das Magazin selbst, das von großen Marken wie Coca Cola in redaktioneller Manier entwickelt wird. Schreibt Volkswagen bald selbst über seinen Abgas-Skandal? Darüber referierte der Medienforscher Lutz Frühbrodt auf der Media Convention Berlin.

Man munkelt, Matthias Schweighöfer sei auf der re:publica unterwegs. Ganz sicher aber tauchte er im Vortrag von Lutz Frühbrodt auf, der den Schauspieler aus einem Magazin des Energy-Drink-Herstellers „Red Bull“ zitiert. Darin redet Schweighöfer über schnelle Autos und seine Leidenschaft für viele PS. Was das mit einem Energy-Drink zu tun hat? Nichts. „Don’t talk about your products, talk around your products“, lautet schließlich die Devise eines um sich greifenden Phänomens, das sich Content Marketing nennt. Zu Deutsch: Werbung mit redaktionellen Mitteln.

Wer steckt dahinter?                             

Frühbrodt prophezeit: „Wenn wir in zehn Jahren über Journalismus reden, werden wir vielleicht etwas ganz anderes meinen als heute.“ Als Beispiel nennt er das hippe Online-Magazin „CURVED“. Mit Überschriften wie „Den Billig-Tablets gehört die Zukunft“ versuchen Medien wie „CURVED“ äußerst subjektive Produkttests als Journalismus zu tarnen. Denn eigentlich steckt hinter dem Magazin die Firma „E-Plus“, die ihre eigenen Produkte hier möglichst gut aussehen lassen will.

Doch dass ein derartiges Unternehmen dahinter stehe, erfahre der Leser erst durch den Klick aufs Impressum. Doch nur etwa ein Drittel der User suchen dies tatsächlich, so Medienforscher Frühbrodt. Von einer transparenten Offenlegung der dahinterstehenden Marke könne keine Rede sein.

Die Top 30 der DAX-Konzernte betreibt Content Marketing

Der Journalismus befindet sich in einer Krise. Das ist bekannt. Doch was das für Folgen nach sich zieht, zeigt sich im Content Marketing besonders: In Zeiten von Ad-Blockern zählen Anzeigen immer weniger. Werbeartikel oder Pseudo-Content gewinnt an Wert. Dazu übersteigen die Budgets der Multikonzerne denen der Medienverlage deutlich. Manche Verlagshäuser steigen auf den Zug auf und entwickeln sogar eigene Content-Marketing-Angebote für Kunden.

Mittlerweile hat sich aus dieser cleveren Marketingstrategie ein ganzes Imperium entwickelt. In einer bisher noch nicht veröffentlichten Studie der Otto-Brenner-Stiftung fand Frühbrodt heraus, dass ausnahmslos alle Top 30 DAX-Konzerne Content-Marketing betreiben, sechs davon besonders umfassend. Dabei sei das Phänomen in Deutschland im Vergleich zu den USA noch nicht weit verbreitet, „es beginnt erst langsam.“ Während sich klassische Medienhäuser mit Bezahlmodellen im Internet auseinandersetzen, um Journalismus dort zu finanzieren, können Content-Marketing-Magazine mit kostenlosen Inhalten punkten.

In der Branche gibt es auch schon ganze Verbände – und Joe Pulizzi, den „Guru“ und führender Kopf der Content-Marketing-Szene. Und so schließt Frühbrodt mit der provokanten und etwas platten Frage ab, ob es bald einen Pulizzi- statt Pulitzer-Preis geben wird.

 

Text: Lisbeth Schröder und Henrik Nürnberger / Foto: Louisa Manz/ www.jugendfotos.de

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