Zweifelsohne wird heute eine Generation in die Welt hineingeboren, die sich dank Digitalisierung anders bewegt, anders kommuniziert und daher auch anders mit sich selbst und der Umwelt umgeht. Doch diese neuen Ströme treffen regelmäßig auf – um im Bild zu bleiben – alte, teilweise stehende Gewässer. Ein Beispiel hierfür: das gute, alte System der repräsentativen Demokratie.
Kaum bahnt sich eine große politische Aktion an, beziehungsweise kaum ist sie geschehen, geht es los: regelmäßige Ticker-Meldungen mit vermeintlichen Neuigkeiten, unzählige Pressekonferenzen, Sondersendungen und emotionale Diskussionen im Internet und im Fernsehen.
So werden zwei Dinge offenbar: Erstens die Erkenntnis, dass es auf dieser sich immer schneller drehenden Welt noch immer möglich ist, dass sich ganze Menschenmassen auf ein einziges Ereignis konzentrieren können. Zweitens die sich daraus ergebende Folge, dass Medien und Soziale Netzwerke durch das entsprechende Verlangen nach umfänglicher Information und Diskussion aller Aspekte in einen Konkurrenzdruck geraten, der diesen Hunger nach Aufklärung ebenso stillt wie vergrößert.
Im digitalen Zeitalter kann jeder überall mitreden
Konkurrenz belebt das Geschäft. Dieser Grundsatz verspricht theoretisch ein besseres Angebot dank mehrerer Anbieter, die miteinander im Wettbewerb stehen. Und es besteht kein Zweifel daran, dass im digitalen Zeitalter Smartphone & Co dafür gesorgt haben, dass Zeit und Ort – zwei wichtige Faktoren im Kommunikationswesen – so gut wie keine Rolle mehr spielen. Wer sich oder andere informieren, mit ihnen diskutieren oder ihre Beiträge kommentieren will, kann das überall und jederzeit über unterschiedlichste Kanäle tun. Die Vorteile dieser absoluten Barrierefreiheit sind offensichtlich und altbekannt: Wer sich heute Wissen und Erfahrung aneignet, kann in der Zukunft mitreden und auch eigene Entscheidungen fundiert treffen.
Und genau dort entsteht das Problem, das mit der Digitalisierung immer größere Ausmaße annimmt. Denn je mehr Informationen der Einzelne zur Verfügung hat, desto mehr will er damit machen. Er will mitreden. Er will mitentscheiden.
In einer repräsentativen Demokratie werden aber Volksvertreter in Parlamente gewählt, um dort dann genau diese beiden Dinge ausführen: reden und entscheiden. Zwischen den Wahlen muss die Bevölkerung dann ihren Vertretern zugestehen, ihren Job zu machen. Eine Kontrolle jeder einzelnen politischen Entscheidung durch die Wählerschaft ist kaum praktikabel und würde ohnehin den Gedanken der Repräsentation unterwandern.
Digitale Kommunikation und repräsentative Demokratie sind sich gleichzeitig Freund und Feind. Es ist daher absolut notwendig, gerade den jungen Bürgerinnen und Bürgern des Landes klarzumachen, dass es einen Unterschied gibt zwischen der öffentlichen Diskussion im Netz und der öffentlichen Diskussion in den Parlamenten. Flapsig gesagt, ist ersteres größer und letzteres mächtiger – nur in der Verbindung dieser beiden liegt eine große Chance für die Demokratie im 21. Jahrhundert.