von Isabella Greene und Julian Kugoth
Zwei Tage nach Sommeranfang flackerte am Montagabend ein Feuerchen im Konferenzraum der Antonio-Amadeo-Stiftung. Freilich waren die Flammen nur auf einem TV-Bildschirm zu sehen. Aber was als „Kamingespräch“ angekündigt war, brauchte natürlich auch die passende Atmosphäre. Es ging um die Frage: „Schaffen wir die Energiewende? Und wenn ja, wozu?“. Es diskutierten Barbara Praetorius aus dem Thinktank Agora Energiewende, Bertold Meyer, Bürgermeister vom Bollewick, einem Bioenergiedorf in Mecklenburg-Vorpommern, der Vize-Chef der Prognos AG Friedrich Seefeldt und Volker Holtfrerich, zuständig für den Bereich Politik und Strategie beim BDEW. Moderiert wurde das Gespräch von Ingo Arzt, Journalist bei der taz.
Zwischen Euphorie und Sorgen
Der Startschuss fiel mit der Frage: Wo steht Deutschland gerade bei der Energiewende? Einig waren sich alle darin, dass im Bereich der erneuerbaren Energien wahnsinnig viel passiert sei – und das ist kurzer Zeit. Dabei gerate oft aus dem Blick, dass sich beim Thema Energieeffizienz leider kaum etwas getan habe.
Kontrovers wurde diskutiert, ob sich die Energiewende vielleicht fast zu schnell entwickelt habe. Für den Bürgermeister von Bollewick, Meyer, kann die Energiewende gar nicht schnell genug gehen. BDEW-Vertreter Holtfrerich hingegen bremste seine Euphorie. Mit dem Hinweis auf Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit plädierte er für eine wohldurchdachte und nicht überhastete Umstellung auf erneuerbare Energien. Bisher hätten die großen Energieversorger ihr System nicht schnell genug auf den neuen Markt umstellen können. Holtfrerich räumte ein, dass die großen Energieversorger etwas verschlafen hätten, auf den Zug der erneuerbaren Energien aufzuspringen. Aber er wies auch der Politik eine Mitschuld zu: Sie hätte keine ausreichenden finanziellen Anreize für die Energieriesen gesetzt.
Ottonormalverbraucher und die Stromkonzerne
Für den kleinen Anleger hingegen ist die Umlage oft ein Grund, in diesen Sektor zu investieren. Das beste Beispiel ist Bollewick: Meyer unterstrich die Rolle des Bürgers für das gute Gelingen der Energiewende. Sie sei ein gesellschaftliches Gesamtkonzept, die nur durch einen Bewusstseinswandel wirklich konsequent verwirklicht werden könne. Bollewick zeige, dass eine dezentrale Energieversorgung möglich sei – und das alleine durch engagierte Bürger. Wo früher der Strom ausschließlich von großen Kraftwerken zu den Haushalten geliefert wurde, gibt es heute viele kleine dezentrale Energie-Einspeiser in das Netz.
Deutschlands Chancen in der Energiewende
Barbara Praetorius von der Agora Energiewende schreibt der Bundesrepublik eine klare Vorreiterrolle beim Thema Erneuerbare Energien zu. Ein Beispiel hierfür sei die enorme Verbreitung von Photovoltaik-Anlagen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Auch schauten sich einige Länder nun das EEG ganz genau an. Jetzt allerdings müsse eine Reform dieses Erneuerbare-Energien-Gesetzes her, die auch langfristige Investitionssicherheit für die betroffenen Unternehmen schaffe. Seefeldt sprang ihr bei: „Für die einzelnen Unternehmen muss die Energiewende betriebswirtschaftlich realisierbar sein.“ Gleichzeitig warnte er davor, sich zu viel Zeit für den Umstieg zu lassen. Wenn die fossilen Brennstoffe immer knapper und die Preise exorbitant hoch werden, sind wir in unseren Möglichkeiten extrem eingeschränkt.
Systemkosten und EEG
In einem Punkt waren sich die Energieexperten einig: Die stärkste politische Sprengkraft läge in der Frage nach einer Neuverteilung der Kosten der Energiewende. Viel wird im politischen Berlin gerade darüber diskutiert, inwieweit auch Eigenstromversorger sich an den Systemkosten beteiligen müssen. Denn auch Eigenstromverbraucher verlassen sich auf das Netz, wenn ihr Energiebedarf nicht mit ihren regenerativen Erzeugungsmöglichkeiten gedeckt werden kann.
Wünsche an die Zukunft
Am Schluss durften die Teilnehmer noch Wünsche äußern im Hinblick auf die zukünftige Energieversorgung. Nachhaltig muss sie für alle sein. Konkret realisierbar sei beispielsweise ein Strommix, der sich aus mindestens 80 bis 90 Prozent Erneuerbaren zusammensetzt. In Meyers Augen ist es kein Problem, auch die 100 Prozent zu erreichen. Sein Bioenergiedorf mache es schließlich vor, dass dies funktionieren kann. Zudem war sich die Runde einig, dass die Energiewende im europäischen Kontext gedacht und umgesetzt werden müsse. So könne man dann auch flexibler mit Schwankungen umgehen.