Die Zukunft bleibt ungewiss

Gerd Müller wagt sich mit der Zukunftscharta in neue Gebiete. Jedoch bleibt das Dokument in seinen Formulierungen unklar und unverbindlich. Ohne konkrete Forderungen ist es jedoch nicht mehr als ein Werbeheftchen des BMZ. Ein Kommentar von Alexander Kauschanski.

Der Politik wird regelmäßig vorgeworfen, dass sie mit dem Menschen nichts mehr zu tun habe. Sie entferne sich systematisch von Bürgern, ignoriere Stimmen aus Zivilbevölkerung und halte die Massen durch gezielte Informationsverschleierung aus dem Politikgeschehen heraus.

Cover der Zukunftscharta (Quelle: BMZ)
Cover der Zukunftscharta (Quelle: BMZ)

Auf dem ersten Blick geht die frisch präsentierte Zukunftscharta (pdf-Download) einen anderen Weg. VertreterInnen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und konfessionellen Gruppen, aber auch BürgerInnen beteiligten sich an der Erstellung der Zukunftscharta. Von Augsburg über Berlin bis nach Ulm reiste die Chartaorganisation und sammelte auf Regionalforen die Stimmen Deutschlands. Und auch im Netz unter www.zukunftscharta.de beteiligte sich die Zivilbevölkerung an dem neuen Fahrplan für die Entwicklungspolitik Deutschlands. 1.500 Beiträge, Kommentare und Bewertungen von 776 TeilnehmerInnen wurden laut dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verfasst. Ein halbes Jahr lief das Projekt und kostete 1,5 Millionen Euro.

Grelle Werbebroschüre ohne Forderungen

Das Projekt ist notwendig und wichtig. Denn: Die deutsche Entwicklungspolitik dümpelte unter der schwarz-gelben Regierung vor sich hin. Die Zukunftscharta könnte jetzt ein wegweisendes Flaggschiff für Partizipationspolitik sein – wenn die Formulierungen sich nicht in Allgemeinphrasen verlieren würden. Die „Handlungsfelder“ der Charta sind acht an der Zahl und formulieren Ziele wie „Ein Leben in Würde weltweit sichern“ und „Natürliche Lebensgrundlagen bewahren und nachhaltig nutzen“. Und selbst wenn verlautbart wird, dass die Armut bis 2030 beseitigt werden soll, so bleibt die Umsetzung ungewiss.

Verglichen mit den Millenniumszielen der UN geht die deutsche Charta deutlich einen Schritt in Richtung Unverbindlichkeit. Während die UN ihre Absichten konkret formuliert – „Bekämpfung von extremer Armut und Hunger“ – tauchen wichtige Schlüsselbegriffe der Entwicklungspolitik in den Handlungsfeldern der Charta nicht auf. Haben die BürgerInnen und NGOs nicht genug gefordert? Oder hat die Politik ihnen nicht genug zugehört?

Formulierten die KommentatorInnen auf der Online-Plattform der Zukunftscharta noch konkrete Ziele, so wirkt die Endversion der Charta merkwürdig geglättet. Klischeebilder von Menschen aus Indien, afrikanischen Ländern und Bolivien werden von Zitaten wie „Wir brauchen endlich wieder mehr Langfristigkeit“ und bunten Büchersymbolen und Friedenstäubchen geschmückt. Faktisch werden Probleme aneinandergereiht und in leeren Platitüden wieder „aufgelöst“. Das Ergebnis: Die Charta wirkt wie eine grelle Werbebroschüre. Konkrete Forderungen bleiben aus.

Gerd Müller, Angela Merkel und Dunja Hayali bei der Übergabe der Zukunftscharta (Foto: Johannes Herbel)
Gerd Müller, Angela Merkel und Dunja Hayali bei der Übergabe der Zukunftscharta (Foto: Johannes Herbel)

Versprechen der Millenniumsziele wurden nicht erfüllt

Rund 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens sollte Deutschland für Entwicklungshilfe ausgeben. So hat es die internationale Staatengemeinschaft in ihren Millenniumszielen vereinbart. Deutschland, das Vorbild für andere Länder sein will, erreichte dieses Ziel im vergangenen Jahr bei Weitem nicht. Der Etat lag im vergangenen Jahr gerade einmal bei 0,38 Prozent. Zwar leisten Staaten wie Spanien und Italien teils noch weniger. Allerdings ist das eher Folge der Staatsverschuldung und der schwächelnden Konjunktur in diesen Ländern. Gerade Deutschland sollte sich in Anbetracht eines neuen Entwicklungskonzepts und seiner Stellung als Wirtschaftsmotor an das Ziel halten. Aber auch darüber verliert die Charta kein Wort.

Die Handschrift der „Mitverfasser“ findet sich nur an den wenigsten Stellen der Charta. So verwundert es nicht, dass am Tag der symbolischen Überreichung dem Dokument Kritik entgegenschlägt. Oxfam fordert inhaltliche Nachbesserungen und einen konkreten Plan zur Umsetzung durch die gesamte Bundesregierung. Zudem solle nicht nur das Entwicklungsministerium, sondern auch andere politische Instanzen an dem Projekt mitwirken.

Ob aus den nebulösen Zielsetzungen noch etwas wird, bleibt abzuwarten. Auch bei der Übergabe hielt sich Müller mit genaueren Umsetzungsmaßnahmen zurück. „Wir sitzen alle im selben Boot“, schallte es im Saal während des Vortrags. „Wir überleben und kentern gemeinsam.“

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