„Läuft“ in Berlin – eine Ausstellung über Menstruation

Leben

Eine Journalistin malt Donald Trump mit ihrem eigenen Blut. Ihr Bild hängt in Berlin Dahlem neben „Gebärmutterhalsunterstützern“. Eine Ausstellung, die mit jeglichen Tabus bricht.

Try-on Station der ersten Periodenunterwäschen. Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Dass Donald Trump nicht gerade für seine feministische Haltung oder einen wertschätzenden Umgang mit Frauen bekannt ist, ist für die meisten wohl kaum eine Überraschung. Dass eine Journalistin ihn deshalb mit ihrem eigenen Blut auf Leinen gemalt hat, dagegen schon.

Eines der vielen Infokästchen an den Wänden der Ausstellung „Läuft“ verrät die Geschichte hinter dem Bild. So hatte der zukünftige US-Präsident 2015 in einem Interview auf ihm unangenehme Fragen der Moderatorin Megyn Kelly entgegnet, sie „menstruiere doch“ und ihr im Zuge dessen gleich einmal die Kompetenz abgesprochen, ihre Arbeit richtig zu machen. Das ist nur eine der vielen politisierten und entsetzenden, manchmal auch schier komischen Geschichten, die sich rund um die Periode spinnen.

Megyn Kelly malte Trump mit ihrem eigenen Blut. Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Im Museum in Berlin Dahlem geht es interaktiv zu — in einem gut ausgeleuchteten Spiegel darf sich jede*r einmal in alter Periodenunterwäsche oder in komplizierten Konstruktionen begutachten, die dafür gedacht waren, den Blutfluss zu stoppen. Spielerisch wird man/frau aufgeklärt und mit Fun Facts und Not so Fun Facts gefüttert. Ungewohnt viele Kurzbiografien von Frauen sind hier auf dem demonstrativen Zeitstrahl der Hygieneprodukte und Unterwäsche zu finden — beispielsweise Brigitta Hochfelden, die 1907 eine Anleitung veröffentlichte, um „Wäsche für besondere Tage“ zu nähen.

Not macht erfinderisch – Gesundheitsrisiko Blutung

Viele weibliche Erfinderinnen standen zu Beginn der Entwicklung ensprechender Hygieneartikel ohne Vorbild und wie Hochfelden auch oft ohne Alternativen da. Sie experimentierten mit Schnittmustern und Materialien, die einen heute schnell verwirren, sind wir doch die Wegwerf-Binden gewöhnt. Komfort kam erst bedeutend spät in die Welt der Periodenprodukte. Davor hieß es: handgestrickte, kratzende Wollunterhosen, Bindengürtel oder auch „Gebärmutterhalsunterstützer“ („uterine supporters“), welche noch abenteuerlicher aussehen, als so manches Baugerüst.

Die Funktionsweise des „Gebärmutterhalsunterstützers“. Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Aber was war überhaupt davor? Bevor Unterwäsche von allen, dem Proletariat eingeschlossen, getragen wurde? Let it run! Die vielen Schichten der Kleidung verbargen Blutflecken und Schleimhautreste und das Infektionsrisiko war höher zur Menstruation oder „Erdbeerwoche“.

Statt steriler, weißer Tampons gab es zeitweise auch Abhilfe aus dem Korallenriff. Der Menstruationsschwamm wurde früher teils in feministischen Kreisen hochgelobt, da er organisch im Meer wächst und nicht so einfach gewinnorientiert von Firmen produziert werden kann. Denn es gab Zeiten, in denen parfümierten Binden keinerlei Vermerke über ihren Herstellungsprozess beigefügt war und frau sich dann meist selbst überlegen konnte, was am risikoärmsten ist.

Tabus, Tanten und Tipps

Doch nicht nur bei den Hygieneartikeln, auch bei der Benennung unserer Periode selbst wurden die Menschen über die Jahrhunderte kreativ. Auf einem Banner sind viele Wortschöpfungen für Sprachbegeisterte aufgereiht. „Tante Rosa“ kommt bei vielen monatlich zu Besuch, andere haben ihre „Ketchup-Woche“. Da hat man schon fast Mitleid mit den Tanten dieser Erde, dass die Monatsblutung ausgerechnet als eine aus ihren Reihen betitelt wurde. Dass diese Verniedlichungen und Metaphern aus Scham und Tabuisierung der Periode hervorgehen, ist leider weniger witzig.

Generelle Stigmata rund um Bezeichnungen und Begrifflichkeiten finden in den drei Räumen von „Läuft“ Platz. Beispielsweise sind religiöse Texte ausgestellt, in denen die Periode als etwas die Frau verschmutzendes dargestellt wird. Der Begriff des „Unreinen“ ist maßgeblich für Glaubenssätze wie „Geh nicht schwimmen“ oder „Hab keinen Sex“ verantwortlich, während beides in der Regel unproblematisch ist und sogar die verkrampfte Unterleibsmuskulatur entspannen kann.

Die einen schwören auf Menstruationstassen, die anderen auf praktische Unterhosen. Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Heutzutage sind die sozialen Medien voll mit Trends und Tipps rund um die „Erdbeerwoche“. Die einen schwören auf Menstruationstassen, die anderen auf praktische Unterhosen. Kritik an unzureichender Hygiene oder schädlichem Mikroplastik in Tampons macht die Runde und es wird gemunkelt, einige beigefügte Stoffe verstärkten die Blutung sogar, statt sie zu stoppen. Ein etwas dystopischer Gegenentwurf zum einstigen anti-kapitalistischen Traum vom Menstruationsschwämmchen.

„Kriegswichtige“ Binden und Rassismus

Nicht dystopisch, sondern reell war allerdings auch Furchtbares in der Geschichte der Binde. Die jüdischen Besitzer der „Camelia“, welche sich als Markenname früher einmal à la Tesafilm wie ein Synonym zur Binde entwickelt hatte, wurden 1934 enteignet und der neue Eigentümer der Firma bewarb diese als „Utensil zur Pflichterfüllung“ und „kriegswichtige“ Produktion, die von Zwangsarbeiter*innen angefertigt wird. Deutsche Frauen sollten so leistungsfähig sein und bleiben.

Die Camelia-Binde in der alten Verpackung. Foto: Alma Jung/Jugendpresse Deutschland e.V.

Und auch international kommt an Diskrimminierung nicht vorbei, wer zur Binde forscht. Mary Kenner hielt als einzige Schwarze Frau in den USA fünf Patente, einen Bindengürtel eingeschlossen. Dieser war zwar bequemer als seine Alternativen, jedoch ließ eine Firma aus rassistischen Motiven einen Deal mit ihr platzen.

Einfache Diskrimminierung und vor allem veraltete Stereotype gibt es in „Läuft“ auch genug zu bestaunen. Diverse Werbebanner und Prospekte versetzen die Besucher*innen beim Lesen in eine Art Fremdscham. Denn zur Wahrheit gehört: Auch die „Camelia“ wurde mit Sprüchen wie „Männer finden sie stets bezaubernd“ beworben. Und gedruckte Werbebilder mit dem Satz „Es [das Periodenprodukt] muss recht jugendlich wirken“ überbieten sich gegenseitig in ihrer Absurdität. Die Reduzierung der meisten Frauen auf ihr Äußeres wurde so selbst Gegenstand von Werbungen für lebensnotwendige Produkte.

Diskrimminierung und Denklücken

Einige verlassen die Ausstellung ein wenig angewidert, den Gesichtern nach zu urteilen. Das ist allerdings kaum, wie das Klischee meint, auf die Erwähnung von Blut zurückzuführen oder die vermeintlichen Unsauberkeiten, sondern auf den berechnenden Umgang mit dem Körper von Milliarden von Menschen. Wie die Gesundheit von Menstruierenden durch Chemikalien in Hygieneartikeln gefährdet oder der biologische Prozess ein Aufhänger für Diskriminierung einer Personengruppe wurde, schockiert dann nämlich doch.

Dass zu dieser Gruppe nicht nur Frauen zählen, zeigt hier beispielsweise ein Bericht über Männer, die bluten und für mehr Sichtbarkeit demonstrieren. Was wäre, wenn alle Männer bluten würden, fragen sich die Kurator*innen der Ausstellung. Die US-amerikanische Journalistin Gloria Steinem antwortet: „Menstruation would become an enviable, blast-worthy, maskuline event.“

Ein Denkanstoß, der Hoffnung macht

Die bunt dekorierte Ausstellung wäre schon fast instagrammable, würde sie nicht auch die Stigmatisierung der Periode in sozialen Netzwerken ansprechen. Die Influencerin Rupi Kaur kritisierte Instagram massiv, nachdem das ‘soziale’ Netzwerk ein harmloses Bild von ihr löschte, weil Perioden-Blut auf ihrer Hose zu sehen war.

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Dennoch, die Hoffnung bleibt. Die Hoffnung, dass der Algorithmus sich am Ende auch verändern wird. Mit den Menschen. Durch Aufklärung, Gerechtigkeit und ein Stück weit vielleicht auch durch diese Ausstellung. Jay Critchley machte einst eine Entdeckung an einem Strand, die ihn später zum Aktivisten und Künstler Miss Tampon Liberty machen wird. Welche das war, das müsst ihr wohl selbst herausfinden. Bis zum 09.03.2025 ist „Läuft“ noch geöffnet und definitiv einen Besuch wert.


Dieser Artikel ist im Rahmen der offenen Redaktion entstanden. Bei Fragen, Anregungen, Kritik und wenn ihr selbst mitmachen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@jugendpresse.de 

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