
„#jugendgerecht“ steht dieses Wochenende auf Flyern, Bannern, Buttons und natürlich unter jedem Tweet. So ein Hashtag allein macht die Jugendstrategie noch lange nicht jugendnah – aber genau das soll hier auf der Jugendkonferenz in Berlin versucht werden. Dabei sollen 65 Jugendliche helfen, die selber Jugendarbeit machen.
Am Freitagnachmittag begrüßt uns Rainer Wiebusch, der, angelehnt an ein Buch von Wolfgang Gründinger, keine Lust auf eine „Alte-Säcke-Politik“ hat und sich uns als „Lobbyist für die Jugend“ vorstellt. Tatsächlich gibt es seit April 2015 am Bundesjugendministerium unter seiner Führung das kleine Referat „Eigenständige Jugendpolitik“, die schon 2009 von der schwarz-gelben-Regierung angedacht wurde. Wiebusch ist stolz, dass sie auch im aktuellen Koalitionsvertrag steht – ein regierungsübergreifendes Projekt. Zum Abschied wünscht er sich von uns Feedback zur Jugendstrategie und verabschiedet sich mit den Worten „Ich geh dann mal Rasen mähen!“. Der Startschuss ist gefallen.
Die Startplätze für die Teilnehmenden bei der Konferenz wurden von der Koordinierungsstelle sehr heterogen vergeben: Ehrenamtliche aus ganz unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen und sowohl aus dem ländlichen Raum als auch aus den Großstädten sind angereist, um sich hier in Berlin zu vernetzen. Es kommen zum Beispiel Vorstände von Jugendparlamenten und Engagierte aus Projektkoordination sowie Schülervertretung aus Kassel, Cölbe, Ebern und Hamburg zusammen. Die Vielfalt gehört zum Ansatz von #jugendgerecht: Nur wenn die Teilnehmenden so unterschiedlich sind, können sie auch die vielfältigen Interessen der Jugendlichen in Deutschland abbilden!
Anstoß vom Bund, Umsetzung in den Kommunen
Zusammen setzen wir uns mit den verschiedenen Maßnahmen der Jugendstrategie auseinander, die zum einen Möglichkeiten zum Dialog zwischen Jugend und Politik schaffen, und zum anderen Gelder für Jugendarbeit bereithalten. Jugendarbeit findet hauptsächlich auf kommunaler Ebene statt und wird dort auch regelmäßig von Städten und Jugendringen gefördert. Warum schafft jetzt ein Bundesministerium neue Fördermöglichkeiten?
Der Innovationsfond bietet dafür eine Antwort: Hier können sich Organisationen aus der Jugendarbeit mit einem konkreten Projektvorschlag bewerben und bis zu 20.000 Euro ergattern. Es lohnt sich also, ausführlich zu erklären, warum das eigene Projekt zu den vier großen Zielen Beteiligung, Innovation, Vernetzung und Nachhaltigkeit passt. Dabei ist die Laufzeit der Förderung allerdings begrenzt, denn auf Bundesebene möchte das Ministerium neue Ideen fördern, die langfristig vielleicht von den Kommunen weitergetragen werden. „Projekteritis nennen wir das manchmal scherzhaft“, sagt Michael Bandt, Projektleiter der Initiative ‚Ich mache>Politik‘. „Dadurch müssen die Jugendverbände in Projekten denken und der Bund hat Einfluss auf die Themen.“ So werden die Verbände vom Bund beispielsweise durch den Fördertopf „Politische Bildung“ dazu angeregt, sich selbst mit der niedrigen Wahlbeteiligung von Jugendlichen, dem Erstarken von nationalistischen Parteien oder der vorgeworfenen Politikverdrossenheit der Jugend auseinanderzusetzen.
Hilfe für den Förderdschungel?
Um Anträge auf Fördergelder zu stellen, brauchen wir Jugendlichen allerdings Partner und Förderer, denn als eigenständige Organisation ohne Erwachsene oder Hauptamtliche ist es kaum möglich, so eine große Geldmenge zu erlangen. Außerdem ist es sehr schwierig, sich einen Überblick über alle Fördermöglichkeiten auf Stadt-, Bezirks-, Landes- und Bundesebene zu verschaffen, weil diese in unterschiedlichen Institutionen und Ministerien angesiedelt sind. Dazu kommen noch private Fördergelder für Projekte, wie „Think Big“ von einem bekannten Telefonkonzern. „Das ist schon ein ganz schöner Förderdschungel“, urteilt Ann-Kathrin Fischer vom Deutschen Bundesjugendring. Die Struktur der Finanzierungsmöglichkeiten für die Jugendarbeit ist tatsächlich so schwer zu durchdringen wie ein echter Dschungel. Damit Eigeninitiative von Jugendlichen gefördert wird, müsste es hier mehr jugendfreundliche und #jugendgerechte Projektförderungen für kleinere Geldbeträge geben. So könnten die jungen Menschen die Entwicklung ihres Projekts vom Antrag bis zur Nachbesprechung selbst gestalten.
„Man sollte sich auch die Frage stellen, ob die Finanzierungsstruktur überhaupt jugendfreundlich sein muss“, meint Teilnehmer Jannis Gerling, Gründer eines freien Jugendträgers in Cölbe. Denn mit innovativen Ideen könnten Jugendliche jederzeit an Erwachsene herantreten, die bereits Erfahrungen mit der Projektfinanzierung haben. Projektleiterin Fischer vom Bundesjugendring stimmt dem zu und ergänzt, dass Jugendliche sich vor dem Start eines neuen Projekts nach bestehenden, ähnlichen Initiativen umschauen sollten, bei denen sie mitarbeiten können. Wer sich trotzdem traut, könne sich bei rechtlichen Fragen gerne an den Kreisjugendring wenden und große Projektvorhaben in Kooperation mit einem bestehenden Verband organisieren.
Die Jugendarbeit in Deutschland wird nicht in einer Behörde zentral organisiert und lässt sich auch nicht immer ganz klar von Schulpolitik abgrenzen. Oft muss man sich außerdem mit viel Bürokratie herumschlagen und ein gewisses Rechtsverständnis haben. Nicht jede Maßnahme der Jugendstrategie kann daher von offen organisierten Jugendgruppen selbstständig genutzt werden. Dabei gibt es bereits Möglichkeiten, sich durch den „Förderdschungel“ zu kämpfen – diese sollten wir Jugendlichen nutzen und weitergeben, denn der Weg in Richtung #jugendgerecht ist genau der Richtige.
1 Kommentar. Hinterlasse eine Antwort
Danke für deine tolle Auswertung! Es hat sehr viel Spaß gemacht und wenn man dann noch von so fähigen Leuten begleitet wird, kann es kaum noch besser werden. Ich hoffe Politikorange ist beim nächsten Mal wieder mit am Start!