Zwei ehemalige Abiturienten eröffnen neun Tage vor der Bundestagswahl ein „U18“-Wahllokal. Politikorange-Redakteur Jan ist einer von ihnen. Er schreibt wie das ganze abgelaufen ist und was seine Motivation war.

Wir sind startklar. Noch ist es still in der Aula unseres Friedrich-Rückert-Gymnasiums in Ebern, in Unterfranken. Wahlkabine für Wahlkabine stellen ich mit Vanessa in Viererreihen hintereinander auf, wir legen Stifte in die Kabinen und positionieren ganz vorne die Wahlurne. Wir, das sind zwei Ehemalige der Schule, haben dieses Jahr Abi gemacht und dürfen jetzt zum ersten Mal richtig wählen gehen. Sie findet, dass wir Erstwählenden mit einer fundierten Entscheidung für eine Partei vor einer riesigen Herausforderung stehen. Ich finde, die große Unentschlossenheit unter den Wählerinnen und Wählern absolut verständlich – nur Nichtwählen sollte keine Option sein. Wir beide sind am vergangen Freitagmorgen deshalb etwas früher aufgestanden und wieder in unsere alte Schule gegangen, denn wir haben ein U-18-Wahlbüro, also unter 18, organisiert. Damit wollen wir es den kommenden Jungwählerinnen und -wählern ein klein wenig leichter machen.
Es ist 07:58 Uhr und der Unterricht hat gerade bekommen. Nachdem die Viererreihen fertig stehen, kleben wir große Poster mit der Aufschrift „U18: Wahllokal. Information. Treffen.“ an die Außenseiten der Wahlkabinen. Auch wenn die Bundestagswahl erst am 24. September stattfindet, öffnet unser Wahllokal schon in wenigen Minuten. Wählen darf bei uns gleich jeder, der noch nicht volljährig ist. Aber nicht nur bei uns darf in wenigen Minuten gewählt werden. „U18“ ist ein bundesweites Projekt koordiniert vom Deutschen Bundesjugendring, gefördert vom Bundesjugendministerium und der Bundeszentrale für politische Bildung und existiert schon seit über 20 Jahren. Seriöse Sache also. Insgesamt 1.616 Wahllokale eröffnen gleich in ganz Deutschland, wir sind nur eines davon. Aber wo in Städten wie Nürnberg den Jugendlichen gleich 17 Wahlbüros zur Auswahl stehen, sind wir in unserer Stadt, in unserem Landkreis und auch in unserem ganzen Wahlkreis das einzige und erste Wahlbüro für Minderjährige. Aber irgendjemand muss ja mal den Anfang machen. Denn wir finden, die U18-Wahl ist nicht nur als ein Projekt für Städter, sondern für alle Jugendliche gedacht. Und alle die schon mal an einem Wahlprojekt teilgenommen haben, sich schon mal über die Parteien informiert haben und wissen wie so eine Wahl abläuft, denen fällt es dann später als Erstwähler deutlich leichter wählen zu gehen.
Als wir gerade noch die letzten Poster ankleben, wird es in der menschenleeren Aula langsam lauter: Links und rechts kommen schon die ersten Schülerinnen und Schüler die Treppen herunter und blicken uns erwartungsvoll an. Wir beeilen uns, aber trotzdem hat sich schon eine Schlange gebildet. Sie macht sich an den Namenslisten bereit; über die kann sichergestellt werden, dass jeder Schüler nur einmal wählt. Ich erkläre vor einem großen, beklebten Pappkarton, wie die Wahl jetzt ablaufen wird und was sie eigentlich wählen können. Der Stimmzettel ist identisch mit dem für die Wahlen am 24. September, nur zählt er anders. Das fühlt sich alles ein bisschen wie ein Planspiel an. Ich weiß ja, dass bei „U18“ die Wahl nur simuliert und die Wahlergebnisse zwar spannend sind, aber natürlich nicht wirklich zählen. „Seht das bitte nicht als Spaßwahl. Wenn ihr jetzt wirklich ernsthaft wählt, dann ist es spannend euer Wahlergebnis später mit dem der Prognosen und der Bundestagswahl selbst zu vergleichen“, sage ich und hoffe das Beste. Aber es kommt kein einziger blöder Spruch, sondern nur gute Fragen und positive Resonanz. Und das über den ganzen Tag hinweg bei allen rund 200 Wählerinnen und Wählern.
Um 12:38 Uhr schmeißt dann die letzte Wählerin ihren Zettel in die Urne und es ist Zeit abzubauen. Wir entfernen die Plakate, klappen die Wahlkabinen der Stadt wieder zusammen und räumen die Tische wieder auf. Jetzt ist die Aula leer und wir können endlich die Wahlurne öffnen und auszählen. Das dauert deutlich länger als wir das noch von früher von der Klassensprecherwahl kennen, aber es hat sich gelohnt. Und, was kam raus? Damit die jungen Wähler und Wählerinnen besonders geschützt werden, dürfen einzelne Wahllokale nicht eigenständig ihre Ergebnisse veröffentlichen. Daran wollen wir uns natürlich halten. Wer will, kann sich auf diesem Link durch die bundesweiten Ergebnisse klicken.
Die Ergebnisse sprechen für sich. Aber: So ein Wahllokal, kann jeder eröffnen. Das war wenig Arbeit, unbürokratisch und verdammt einfach. Und egal ob Stadt, Schule oder Jugendring, jeder, mit dem wir zusammengearbeitet haben, war überaus kooperativ und hilfsbereit. Ein U18-Wahllokal kann hier im ländlichen Raum genauso gut funktionieren, wie in der Stadt auch. Es braucht nur jemanden, der die Idee mitbringt und das Projekt anstößt. Und das werden wir bei der nächsten großen Wahl ganz bestimmt wieder machen.