Interview mit Gerd Müller: „Kritik ist erwünscht“

Minister Gerd Müller wurde zu Beginn seiner Amtszeit noch mit seinem balltretenden Namensvetter verwechselt. Seine Unbekanntheit versucht er jetzt mit der Zukunftscharta abzustreifen. politikorange-Redakteur Alexander Kauschanski befragte ihn zu seinem neuen Entwicklungskonzept.

"Ich habe sicherlich in den vergangenen Jahren, aber vor allem im letzten, mein Denken verändert." - Gerd Müller (Foto: Johannes Herbel)
„Ich habe sicherlich in den vergangenen Jahren, aber vor allem im letzten, mein Denken verändert.“ – Gerd Müller (Foto: Johannes Herbel)

politikorange: Herr Müller, im Vorfeld gab es Kritik an der Zukunftscharta. Die Formulierungen seien zu unscharf und schwammig. Stecken hinter diesen Formulierungen jetzt schon konkrete Arbeitsziele?

Gerd Müller: Die Zukunftscharta wurde über Monate von vielen hunderten Menschen erarbeitet. Daran beteiligt waren Experten aus Politik, Wissenschaft und Jugendverbänden. Am Schluss musste man sich auf Kompromisse einigen, auch in der sprachlichen Umsetzung. Aber wir wollten trotzdem nicht so unverbindlich bleiben – nicht, dass das Dokument keinen Wert mehr hat. Und ich glaube, das ist uns gelungen: noch griffig zu formulieren und die Ziele in den Handlungsfeldern zu beschreiben. Kritik ist erwünscht. Ich fordere alle Kritiker auf, mir zu schreiben, was sie verbessert haben möchten.

Können sie ein konkretes Ziel der Zukunftscharta nennen?

Es gibt viele konkrete Ziele. Wir haben auch schon Ziele und konkrete Maßnahmen auf den Weg gebracht. In der vergangenen Woche wurde in Sachen Klimaschutz ein qualitativer Quantensprung im Entwicklungsministerium mit Gründung des Grünen Klimafonds, Green Climate Fund (GCF), auf den Weg gebracht.
Was heißt das? Die Staatengemeinschaft der Welt – da waren bei uns im Ministerium von Neuseeland bis zu den USA dreißig Länder vertreten – haben 10 Milliarden US-Dollar in einen Fonds bezahlt. Aus diesem Fonds werden wir dann Maßnahmen in den vom Klimawandel extrem betroffenen Ländern – zum Beispiel in Afrika – finanzieren. Das war der erste Schritt. Das ist ein neues Instrument, das wir in den nächsten zehn Jahren auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr ausbauen werden. Das ist Solidarität der Industrieländer, der Reichen mit den Armen und den Betroffenen.

Selfie für faire Schokolade: Gerd Müller und Dunja Hayali auf der Zukunftscharta-Bühne (Foto: Johannes Herbel)
Selfie für faire Schokolade: Gerd Müller und Dunja Hayali auf der Zukunftscharta-Bühne (Foto: Johannes Herbel)

Sie nennen uns ja immer die Reichen…

Sind wir ja auch!

…in der Zukunftscharta legen Sie besonderen Wert auf die Einhaltung der Menschenwürde und auch auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Aber auch in Deutschland werden diese zum Teil nicht eingehalten. Finden Sie es glaubwürdig, dieses Ziel auf andere Länder zu projizieren, wo wir doch selbst anscheinend nicht weit genug sind?

Also man sollte bei sich zu Hause anfangen. Das ist vollkommen klar wegen der Innenpolitik. Auch bei uns gibt es Armut in Deutschland, das weiß ich sehr wohl. Es gibt viele, viele tausend Rentnerinnen und Rentner. Ich kenne selber welche, die von 300 Euro Rente leben. Das ist auch Armut. Ich fange zu Hause an und verändere die Verhältnisse hier. Aber im Durchschnitt aller Länder der Welt sind wir ein reiches Land. Deshalb sind wir ganz besonders gefordert, Verantwortung zu übernehmen für die Ärmsten und die Armen, unser Können, aber auch unseren Reichtum einzusetzen.

Leben Sie selbst den Fair-Trade-Lifestyle, den sie so propagieren? Ist es heutzutage überhaupt möglich, hier in Deutschland komplett nachhaltig zu leben?

Ich glaube schon, dass es möglich ist. Ich habe hier Gäste aus meiner Heimat eingeladen, die mich sehr beeindrucken. Die seit Jahren in meiner Nachbarschaft nachhaltig leben und es konkret umsetzen. Also kein zweites, drittes Auto kaufen, sondern Fahrrad fahren. Sich beim Kauf von Kleidung zurückhalten, Wasserflaschen aus Plastik meiden, keine Plastiktüten mitnehmen und vieles mehr.
Ich habe sicherlich in den vergangenen Jahren, aber vor allem im letzten, mein Denken verändert. Man denkt viel nachhaltiger, wenn man die vielen Probleme in der Welt sieht. Aber ich gebe natürlich zu, dass die Herausforderung an einen deutschen Bundesminister nicht immer so sind, dass ich sage: das ist nachhaltig. Ich denke an die vielen Flüge, die notwendig sind. Ich kann darauf verzichten. Dann nehme ich an der Klimakonferenz in Lima nicht teil. Aber bei mir ist das Thema zwischenzeitlich im Kopf verankert.

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